Nr. 1

Die Gleichheit

routinenmäßigen Erledigung der Arbeiten aufkommen ließ, der offiziellen Tagungen so leicht anhaftet. Schließlich bezeugten die Verhandlungen der Konferenz mit ihrem Drum und Dran persönlichen Meinungsaustausches, daß die erzielten Erfolge der proletarischen Frauenbewegung alles, nur fein Ruhekissen sind, auf dem das Gewissen der Genossinnen sanft einschlummert. Als laute Mahner zu weiterer, besserer Arbeit wurden sie empfunden. In der Befriedigung über sie kam nicht arm­selige Selbstgenügsamkeit und eitle Selbstbespiegelung zum Ausdruck, vielmehr die Hoffnung auf das Wachsen mit den höheren Zwecken", der Wille zur Tat, zu rastlosem Aufwärts­steigen. So eröffnet das Wie der Arbeiten, welche die Kon­ferenz geleistet hat, nicht minder als das Was ihres sachlichen Ergebnisses einen verheißungsvollen Ausblick auf die Zukunft der proletarischen Frauenbewegung. In Theorie und Praxis unlösbar mit der Sozialdemokratie zusammengeschweißt, muß sie je länger je mehr ein Ausdruck des geschichtlichen Lebens werden, das im Proletariat mit unwiderstehlicher Gewalt sich durchsetzt, muß sie sich je länger je mehr als eine Macht von ausschlaggebender Bedeutung im proletarischen Klassenkampf erweisen. Aus den Arbeiten und Kämpfen, die hinter den Ge­nossinnen liegen, tönt laut die Losung: Furchtlos und treu der Zukunft entgegen.

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Die Frau im 18. Jahrhundert.

I.

Die Frau ist von 1700 bis 1789 nicht nur die einzig­artige Triebfeder, die alles in Bewegung setzt: sie erscheint wie sine Macht höherer Ordnung, wie die Königin im Reiche der Gedanken Frankreichs  . Sie ist die auf dem Gipfel der Ge­sellschaft aufgestellte Idee, zu der aller Augen erhoben sind, der die Herzen aller zufliegen. Sie ist das Bildnis, vor dem man niederkniet, die Gestalt, die man anbetet. Alles, was eine Religion an Illusionen, Gebeten, an Trachten und Sehnen und Aufjubeln, an Ehrerbietung und gläubigen Anschauungen in ihren Bann zieht, wendet sich wie selbstverständlich der Frau zu. Die Frau bewirkt das, was der Glaube bewirkt, sie er füllt die Geister und die Herzen und vertritt, während Lud­ wig XV.   und Voltaire herrschen, in einem gottlosen Zeitalter den Himmel. Alles beeilt sich, ihr Verehrung zu zollen, und ein jeder müht sich für ihren Aufstieg. Der Gößendienst hebt sie mit allen seinen Händen von der Erde empor. Kein Schrift steller, den sie nicht bezwingt, feine Feder, die ihr nicht Flügel verleiht: sie hat sogar in den Provinzstädten Dichter, die sich ihrer Verehrung widmen, die ihr ganz und gar gehören; und aus dem Weihrauch, den die Dorat und Gentil- Bernard ihr streuen, bildet sich jene Apotheosenwolfe, die, vom Flügelschlag der Tauben durchzogen und vom Blumenregen getroffen, ihr Thron und ihr Altar ist. Die Prosa, die Verse, die Pinsel, die Meißel und die Leier schaffen zu ihrem Entzücken gleich sam eine Gottheit: und die Frau wird schließlich für das 18. Jahrhundert nicht nur die Göttin des Glücks, der Wonne, der Liebe, sondern das poetische, das im wahrsten Sinne ge­weihte Wesen, das Ziel jedes seelischen Aufschwungs, das in einem menschlichen Geschlecht verkörperte menschliche Ideal."

Zu Ausbrüchen solch schwärmerischer Begeisterung haben sich, als sie die Geschichte der Frau im 18. Jahrhundert, das will sagen im Frankreich   des 18. Jahrhunderts, schrieben, die Gebrüder Edmond und Jules de Goncourt* hinreißen lassen. In der Tat kommt leicht dazu, in dem 18. Jahrhundert das Jahrhundert der Frau, das galante Zeitalter schlechthin zu sehen, wer etwa beobachtet, wie in diesem Jahrhundert alles auf einen rauschenden und glänzenden Kult der Frau hinaus läuft, wie die größten und reichsten Industrien Frankreichs  

* Das Werk ist in einer von Kleinen Schiefheiten nicht ganz freien Uebertragung, aber in vortrefflicher Buchausstattung vor kurzem deutsch  erschienen. Die Frau im 18. Jahrhundert" von Edmond   und Jules de Goncourt  , übertragen von Paul Brina. Verlag von Julius Beitler, Leipzig   1907. 2 Bände.

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mur arbeiten, um die Frau zu schmücken, wie die Frau nicht nur als Gebieterin im Salon, sondern als Geliebte der Großen und Mächtigen auch in der Politik, im Staatswesen, in der Kriegführung sogar herrscht, wie die Kunst und die Künstler nur für sie da sind und nichts sind ohne sie, wie die Frau das sonnenhafte Zentrum des ganzen Lebens zu sein scheint. Um so leichter mußten die Goncourt zu diesem Sehfehler ver­leitet werden, als sie, für immer hervorragend als Sitten­schilderer eines Frankreich  , das die Wogen der Revolution be­graben haben, nie an die Quellen der Kultur hinabgestiegen sind, sondern sich begnügt haben, aus sorgfältig gesammelten und fleißig ausgenutten Dokumenten die von ihnen behandelte Kulturepoche in unmittelbarem Leben aufsprühen zu lassen: sie sind wirklich Sitten schilderer, nicht mehr, aber das in glän­zender Weise. So viel deshalb auch das Werk über die Frau des 18. Jahrhunderts zu sagen hat, redet es doch erst eine deutliche Sprache, wenn man ihm als Dolmetsch die Geschichts­auffassung des wissenschaftlichen Sozialismus beigesellt.

Wenn die Goncourt von der Frau im 18. Jahrhundert reden, so meinen sie in erster Reihe die Frau der herrschen­den Klasse, die große Dame des Feudaladels, dessen Zer­setzungsprozeß dieses ganze 18. Jahrhundert mit Verwesungs­gerüchen füllt. Durch die Revolution mit allen ihren eruptiven Ereignissen wird dieser Zersetzungsprozeß aber kaum besser fonstatiert als durch die Stellung der Frau in den Jahrzehnten, die dem großen Zusammenbruch vorangegangen sind. So lange die französische   Feudalklasse eine Sippschaft von Land­junfern im ausgeprägtesten Sinne des Wortes ist, fern von Paris   auf ihren Klitschen sitzt und ihre Güter selbst bewirt­schaftet, hat die Frau der feudalen Gesellschaft innerhalb der Familie noch eine ökonomische Aufgabe zu erfüllen, so gering sie in gewissen Fällen schon sein mag. Ist der Junker ein Bauer größeren Stils, so ist die Frau eine Bäuerin größeren und eleganteren Stils. Sie steht dem Hauswesen vor; auf ihr als der Hausherrin und Schlüsselhüterin lastet ein beträcht­licher Teil der Wirtschaft, und ob sie noch so viele Unter­gebene zählt, in letzter Linie ist doch sie für ihre Domäne ver­antwortlich. Nicht zum letzten schlingt die Einsamkeit des Landaufenthaltes ein Band um das Familienleben. Zu längeren Vergnügungen fehlt die Zeit, zu Ausschweifungen die Gelegen­heit, und schließlich darf man den Vasallen, auf deren An­hänglichkeit die Macht der Feudalherren beruht, ein nicht gar zu schlechtes Beispiel geben. Aber hat schon Heinrich IV.   ver­sucht, der Feudalklasse das Rückgrat zu brechen, so kommt Ludwig XIV.   mit diesem Unterfangen zu Rande. Mehr und mehr wird jetzt der Krautjunker zum Hofjunker, der das ganze Jahr in Paris   oder Versailles   sigt, seine Latifundien Bauern und Pächtern zur Ausbeutung überläßt, und im übrigen aus der großen Schüssel schmaroßt, die der König für die Un­ersättlichen stets neu zu füllen hat. Damit bricht die ökono­mische Rolle der Frau in der Familie zusammen: hier in Paris  oder Versailles   hat sie keiner Hauswirtschaft vorzustehen, hier gibt es keine Mägde zu beaufsichtigen und keinen Gemüse­garten zu pflegen; die großen Haushalte entfalten einen Pomp, daß ganze Armeen von Kammerdienern, Lakaien, Läufern, Küchenjungen von Haushofmeistern kommandiert werden müssen, und über der Kette aufreibender Luftbarkeiten und Vergnü­gungen, von denen eins das andere hetzt, und die den halben Tag und die ganze Nacht in Anspruch nehmen, bliebe auch nicht die Zeit zu den kleinsten Hausfrauenpflichten. Im Hause wie in der Familie ist die Frau fortan überflüssig, und sich eine Frau nehmen, heißt jezt nicht mehr eine wirtschaftliche Notwendigkeit erfüllen, sondern sich einen Lurus leisten. Wie der Mann am Hofe, ist die Frau in der Gesellschaft zu einer vollkommen parasitären Existenz herabgesunken.

Das graziöse Parasitentum dieser schönen Luxustiere haben die Goncourt   in ungemein farbigen und lebendigen Bildern aus dem Grabe auferstehen lassen und den Lebenslauf der großen Dame von der Wiege bis zum Grabe festgehalten. Die ganze Erziehung des 18. Jahrhunderts läuft darauf hinaus, das kleine Mädchen schon, das sofort nach der Geburt einer