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Die Gleichheit

zweite Vorsitzende machte auf das Stiftungsfest des Vereins auf­merksam, das am 29. November im Gewerkschaftshaus stattfinden wird. Drei neue Mitglieder wurden dem Verein in der Vers sammlung zugeführt. Berta Mangels.

Frauenstimmrecht.

I. K. Die holländische Sozialdemokratie im Kampfe für das allgemeine Wahlrecht aller Großjährigen. Die Demon­stration gegen das geltende Wahlunrecht und für das allgemeine Wahlrecht, die in Holland   jährlich bei der Wiedereröffnung des Parlaments stattfindet, ist heuer von besonderer Bedeutung gewesen. Sie war zum ersten Male von der sozialdemokratischen Arbeiter­partei selbst veranstaltet und organisiert, während ihre Leitung früher in den Händen eines Komitees ruhte, in dem wenigstens anfänglich politische Richtungen der verschiedensten Art vertreten waren. Die Führung eines energischen Kampfes zur Eroberung des Wahlrechts ist die Sache der sozialdemokratischen Arbeiterpartei geworden, die für ihre Aktionen auf die Unterstützung durch den Niederländischen Gewerkschaftsbund rechnen kann. So ist nun die Wahlrechtsbewegung unzweideutig in das Zeichen des Klassen­tampfes eingetreten, und das bedeutet einen großen Fortschritt. Aber noch in mehrfacher anderer Hinsicht hat sich der proletarische Wahlrechtskampf vorteilhaft entwickelt. Entsprechend dem Beschluß des letzten sozialdemokratischen Parteitags( April dieses Jahres) hat die sozialdemokratische Fraktion in ihrem Entwurf zur Ver­fassungsänderung den Standpunkt des Jahres 1903 aufgegeben, wo sich ihr Antrag bekanntlich damit begnügte, die Streichung des Passus in der Konstitution zu fordern, welcher der Einführung des Frauenwahlrechts ein rechtliches Hindernis entgegenstellt. Sie geht einen Schritt über die damalige Stellungnahme hinaus und fordert das allgemeine Wahlrecht für Frauen und Männer unter den gleichen Bedingungen. Es ist das als ein Erfolg der Resolution des Internationalen Sozialistischen Kongresses zu Stuttgart   wie der aufblühenden sozialistischen   Frauenbewegung in Holland   anzu­sprechen. Es ist begreiflich, daß auch die Forderung des Frauen­wahlrechts der letzten Wahlrechtsdemonstration vom 13. September einen neuen, fräftigen Impuls gegeben hat. In dem Umzug der Wahlrechtstämpfer, mit welcher das Meeting endete, marschierten die sozialdemokratischen Frauenklubs in einer geschlossenen Gruppe, deren Stärke dem außerordentlich zahlreich zusammengeströmten Publikum die wachsende Kraft der proletarischen Frauenbewegung vor Augen führte. Daß die sozialdemokratische Arbeiterpartei wie gezeigt in zwiefacher Beziehung eine prinzipiell klare und scharfe Stellung zur Wahlrechtsfrage nahm, hat frischen Mut, große Be­geisterung in den Reihen der Genossinnen erweckt und wird un­zweifelhaft sehr befruchtend auf die Agitationskampagne des bevor­stehenden Winters zurückwirken. Das wird um so mehr der Fall sein, als die Ausführungen der Redner bei der großen Demonstration vom Geist einer herzerquickenden revolutionären Kampfesenergie getragen waren. Sollten sich, so erklärten sie, die bisher im Wahl rechtstampf angewendeten Mittel als wirkungslos erweisen, so müßte das Proletariat zu anderen Kampfesmethoden übergehen und beweisen, daß es zu einer Kraft erstarkt sei, dank deren es den Massenstreit mit besserem Erfolg als 1903 durchzuführen vermöge. Alles in allem ist der Wahlrechtskampf des holländischen Prole­tariats in eine neue Periode eingetreten. Er wird aller Voraus­sicht nach im Winter gute Fortschritte machen. Der Verband sozialdemokratischer Frauenvereine wird natürlich energischsten An teil an der zu entfaltenden Agitation nehmen. Neben der Frage des Frauenwahlrechts wird es vor allem die vom letzten Parteitag angeschnittene Frage der beruflichen Frauenarbeit sein, die auf seinem Arbeitsprogramm für den Winter steht. Die Genossinnen rüsten sich zu planmäßiger Tätigkeit. M. Mensing- Amsterdam  .

Frauen in irischen Kommunalverwaltungen. In diesem Sommer haben in Jrland Kommunalwahlen stattgefunden, bei denen weibliche Kandidaten nicht zu unterschäßende Erfolge errangen. 5 Frauen wurden zu Bezirks- und Stadträten, 48 zu ländlichen Gemeinderäten und 103 als Armenpflegerinnen gewählt.

Sozialistische Frauenbewegung im Ausland.

1. K. Eine kräftige Förderung der sozialistischen   Frauen­bewegung in Dänemark   leitete der letzte Parteitag der dänischen Sozialdemokratie in die Wege, der vom 17. bis 20. September in Odense   stattgefunden hat. Bei den Beratungen über die Agi­tation und die Organisation der Partei wurde start betont, daß die Zuerkennung des attiven und passiven Kommunalwahlrechts an das weibliche Geschlecht eine erhöhte Tätigkeit notivendig mache,

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um die Frauen aufzuklären und als Mitglieder zu gewinnen. Der Parteitag empfahl den Ortsvereinen, zur Förderung der soziali stischen Agitation unter den Frauen öffentliche Versammlungen zu veranstalten, in denen Fragen behandelt werden, welche das weib­liche Geschlecht besonders interessieren. Er nahm des weiteren eine Resolution an, der zufolge die Genofsinnen sich nicht in be­sonderen Vereinen zusammen tun, sondern den örtlichen Partei­organisationen und damit dem Landesverband der Sozialdemokratie beitreten sollen. Den Frauen soll die Zugehörigkeit zu der all­gemeinen Parteiorganisation so leicht als nur möglich gemacht wer­den. Daher wurden auch die Beiträge, welche die lokalen Verbands­sektionen an den Agitationsfonds des Bezirks zu entrichten haben, für die weiblichen Mitglieder in Städten und Orten mit städti­schen Verhältnissen auf 12 Ore, auf dem Lande auf 7 Ore fest­gesetzt. Die entsprechenden Beiträge der männlichen Mitglieder betragen 25 und 15 Öre. Für die Verbandsverwaltung haben die Lokalorganisationen jährlich pro weibliches Mitglied 8 Ore, pro männliches 20 Ore zu steuern. Die Organisierung der Genoffinnen erfolgt also fünftig in Dänemark   nach den gleichen Grundsätzen wie in Deutschland  . Mit allem Nachdruck soll die Aufklärungs­und Organisationsarbeit unter dem weiblichen Proletariat gefördert werden. Die Genoffinnen werden sich natürlich in regster Weise an ihr beteiligen, ja ihre wichtigsten vorwärtstreibenden Kräfte sein.

Fürsorge für Mutter und Kind.

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Mutterelend. Seit etwa zwei Jahren unterhält die Breslauer Ortsgruppe des Bundes für Mutterschutz eine Mütterberatungs­stelle, die den Zweck verfolgt, hilfsbedürftigen Müttern mit Rat zur Seite zu stehen, eventuell auch, soweit die Mittel reichen, ihnen bei dringender Not Unterstützungen zu gewähren. Meist find es ledige Mütter, die jene Einrichtung in Anspruch nehmen. Die meisten von ihnen haben das dreißigste Lebensjahr noch nicht über­schritten, alle aber müssen sich ihr Brot selbst verdienen, sie sind entweder Dienstmädchen und sonstige Hausangestellte oder Industrie­arbeiterinnen. Bernünftigerweise erkundigt sich die erwähnte Be ratungsstelle stets nach den Lohn- und Einkommensverhältnissen der ihre Hilfe in Anspruch nehmenden Mütter. Es sind Bilder des grauenhaftesten Elends, die da oft enthüllt werden. Ein Wochen­verdienst von 3 Mt.- sage und schreibe drei Mark, wie er einer mit der Herstellung von Tüllarbeiten beschäftigten Mutter beschert war, ist durchaus nichts Seltenes, Wochenlöhne von 6 bis 7 Mt. aber find etwas völlig Normales. Die Hausangestellten haben es vielleicht insofern etwas besser, als sie freie Station er halten; indessen man weiß aus zahllosen Fällen, wie traurig es oft mit der freien Station bestellt ist. Dazu kommt noch, daß die schwangeren Dienstmädchen, Köchinnen usw. viel früher als die freien Arbeiterinnen ihre Erwerbsmöglichkeit verlieren und damit auch die freie Station, während ihre Löhne, die zwischen 8 und 40 Mt. monatlich schwanken sollen der lettere Lohnfah tommt zweifellos nur als ganz seltene Ausnahme für besonders qualifizierte Angestellte vor, bei weitem nicht hinreichen, um Ersparnisse für die Zeit zu machen, wo die Mutterschaft zur Erwerbslosigkeit führt. So sind die armen Mütter gerade zu der Zeit, wo sie der Für sorge und des Schutzes besonders bedürften, mitsamt ihrem Kinde dem schlimmsten Elend preisgegeben. Die Gesellschaft, der sie mit dem Kinde lebendigen Reichtum schenken, fümmert sich nicht um sie. Wenn aber eine solche Mutter auf Abwege gerät, wenn sie aus Liebe zum Kinde zur Diebin oder gar in ihrer Verzweiflung zur Mörderin ihres Fleisches und Blutes wird: o, wie kann dann jene Gesellschaft, deren bevorzugten Angehörigen des Lebens Nöte stets ferngehalten worden sind, auf die verkommenen Geschöpfe Steine werfen, und wie versteht sie es, sich über die Rabenmutter" zu entrüften! Die Hilfe, die von den Mitgliedern des Bundes für Mutterschutz diesen schuhlosen und noch dazu der Verachtung preis­gegebenen Frauen gewährt, in allen Ehren. Aber es muß troz dem diesen sozial denkenden Frauen und Männern wie immer wieder entgegengehalten werden, daß selbst die besten und voll­tommensten ihrer Hilfseinrichtungen nicht imftande find, auch nur einen nennenswerten Teil des Elends zu beseitigen, das die tapitalistische Ordnung erzeugt. Auch die Mütterberatungsstellen führen einen vergeblichen Rampf gegen das Mutterelend, ihm muß durch Gemeinde und Staat entgegengewirkt werden. Davon ab gesehen wollen auch die bürgerlichen Befürworter der Mutterschafts­fürsorge die Art nicht an die Wurzel des übels legen. Das ist und bleibt immer die kapitalistische Wirtschaftsordnung. E. K.

Berantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Bettin( Bundel), Wilhelmshöhe, Poft Degerloch bei Stuttgart  .

Druck und Berlag von Baul Ginger in Stuttgart  .