Nr. 4

Die Gleichheit

zeit auf zehn Stunden ist sogar ganz ungenügend. Es wäre durchaus durchführbar und im Interesse der Arbeiterinnen dringend notwendig, daß der achtstündige Marimalarbeits­tag durchgeführt wird. Die Sozialdemokraten traten denn auch für den Achtstundentag ein.

Auf der anderen Seite versuchten die Nationalliberalen die geringfügige Verbesserung, die die Regierungen vorgeschlagen haben, zu vereiteln. Abgeordneter Dr. Streesemann stellte näm­lich den Antrag, daß die Maximalarbeitszeit für die Arbeite­rinnen auf 60 Stunden pro Woche festgelegt wird. Damit wäre jede Kontrolle über die Dauer der täglichen Arbeitszeit unmöglich gemacht. Wenn der Gewerbeaufsichtsbeamte in einem Betrieb eine längere Arbeitszeit feststellen würde, hätte der Unternehmer die Ausrede, daß die Arbeitszeit an den anderen Tagen der Woche um so fürzer sei. Als Zusatz zu seinem An­trag hatte Abgeordneter Dr. Streesemann die Beschränkung aufgenommen, daß die Arbeitszeit an feinem Tage länger als elf Stunden sein dürfe. Nachdem aber die wahre Bedeutung

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nerinnen während 6 Wochen vor und während 6 Wochen nach ihrer Niederkunft nicht beschäftigt werden dürfen. Selbstver­ständlich muß dann die Krankenversicherung für diese Zeit eine Unterstützung an die Wöchnerinnen zahlen. Die Sozialdemo­fraten forderten weiter, daß während den 12 Wochen eine Ent­lassung der Wöchnerinnen nicht erfolgen dürfe; die von ihnen innegehabten Stellen sollten ihnen offen gehalten werden. Selbst diese Anträge gingen den bürgerlichen Arbeiterfreunden zu weit. Die Mehrheit der Kommission begnügte sich mit dem Antrag des Zentrums, durch den die Schutzfrist im ganzen auf 8 Wochen festgesetzt wird. Jedoch sollen die Arbeiterinnen erst dann be­schäftigt werden können, wenn sie nachweisen, daß seit ihrer Niederkunft wenigstens 6 Wochen verflossen sind. So weit hat die Kommission in zweiter Lesung ihre Arbeiten erledigt. Was sie des weiteren beschließt, werden wir in folgender Nummer berichten.

seiner Forderung gründlich beleuchtet worden war, 30g er sie zurück. Die Landtagswahlen in Niederösterreich . Den Antrag der Sozialdemokraten auf Einführung des achtstün­digen Maximalarbeitstages lehnten die bürgerlichen Parteien ab.

Eine ausgedehnte Debatte fand darüber statt, ob für ver­heiratete Arbeiterinnen noch besondere Schutzbestimmungen fest gelegt werden sollen. Das Zentrum beantragte: Verheiratete Frauen dürfen höchstens neun Stunden täglich, am Sonn abend höchstens sechs Stunden beschäftigt werden." So ener gisch eine kürzere Arbeitszeit für alle Arbeiterinnen zu erstreben ist, erscheint es doch bedenklich, mit den besonderen Schutz­bestimmungen für verheiratete Frauen weiter und weiter zu gehen. Durch derartige besondere Bestimmungen kann es be­wirkt werden, daß so manche verheiratete Arbeiterin, die zur Lohnarbeit gezwungen ist, Arbeit in einer Fabrik nicht findet und deshalb andere, noch ungünstigere Beschäftigung annehmen muß. Diese Bedenken trafen aber nur für den ersten Teil des Bentrumsantrages zu. Den zweiten Teil, eine fürzere Arbeits­zeit für den Sonnabend, befürworteten auch die Sozialdemo fraten entschieden. Sie verlangten, daß der Sonnabendnach­mittag möglichst für alle Arbeiter frei sein soll, das aber in der Erwartung, die vorgeschlagene Bestimmung werde eine weitere Einschränkung der Arbeitszeit am Sonnabendnachmit tag für alle Arbeiter fördern. Die verheirateten Arbeiterinnen könnten dabei von den Aufräumungsarbeiten entbunden werden und deshalb etwas früher als die anderen Arbeiterinnen aufhören. Sie schlugen daher vor, daß für alle Arbeiterinnen die Arbeitszeit ,, an den Vorabenden der Sonn- und Festtage" auf längstens acht Stunden beschränkt wird. Diefer Antrag wie auch der zweite Teil des Zentrumsantrags wurden schließlich von der Kommission angenommen. Gefallen ist dagegen der erste Teil des Zentrumsantrags, der an allen Tagen eine fürzere Arbeits­zeit für die verheirateten Arbeiterinnen forderte. In der zweiten Lesung bemühten sich die Nationalliberalen und Konservativen, die sechsstündige Arbeitszeit an den Sonnabenden wieder aus dem Entwurf herauszubringen. Hatten doch inzwischen ein­flußreiche Unternehmer gegen diesen Zusatz entschieden protestiert. Und selbst der Pfarrer Naumann erklärte sich gegen die Be­stimmung. Aber auch das half nicht. Die Beschlüsse der ersten Lesung wurden bestätigt mit der redaktionellen Anderung, daß die kürzere Arbeitszeit für die Arbeiterinnen, die ein Haus­wesen zu besorgen haben, gelten soll.

Die Ruhezeit der jugendlichen Arbeiter( im Alter von 14 bis 16 Jahren) und der Arbeiterinnen erstreckte sich bisher mindestens von 8% Uhr abends bis 5 Uhr morgens. Auf den Antrag der Sozialdemokraten wurde ihr Beginn und Ende je um eine halbe Stunde hinausgeschoben. Es sollen daher die jugendlichen Arbeiter und Arbeiterinnen in Zukunft nicht bes schäftigt werden von 8 Uhr abends ab bis 6 Uhr morgens. An den Sonnabenden soll für die Arbeiterinnen der Schluß der Arbeit spätestens um 5 Uhr nachmittags eintreten, statt wie bisher um 5% Uhr.

Ebenso bemühten die Sozialdemokraten sich, einen besseren Wöchnerinnenschuß durchzusehen. Sie beantragten, daß Wöch

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I. K. Am 26. Oftober wurde in Niederösterreich zum Land­tag gewählt, und zwar zum erstenmal nach dem von den christlich sozialen Beherrschern des Landes eingeführten allgemeinen" und gleichen" Wahlrecht. Wie Hohn flingen diefe Worte, wenn man das Wahlrecht kennt. Die Allgemeinheit besteht darin, daß für Wien der Besitz des Wahlrechts an die dreijährige Seßhaftig­feit geknüpft ist, während für das Reichsratwahlrecht nur eine Seßhaftigkeit von einem Jahr gefordert wird. In der Provinz wird außer der Seßhaftigkeit von drei Jahren noch die Gemeindes mitgliedschaft gefordert oder die Bezahlung einer direkten Steuer. Und die Gleichheit verstehen die Christlichsozialen so, daß in Bezirken, wo die Arbeiterbevölkerung überwiegt, ein Abgeordneter auf eine weit höhere Wählerzahl kommt als in anderen Bezirken. Das vornehme Wieden , wo Rothschild wohnt und einige Erzherzöge ihre Paläste haben, hat mit 53 000 Einwohnern vier Mandate. Dem Arbeiterbezirk Ottakring mit 139 000 Einwohnern sind zwei Mandate zuerteilt. Dazu kommt noch, daß die Armenunter­stützung als Wahlausschließungsgrund gilt. Wohlgemerkt, die Armenunterſtüßung", nicht die Armenversorgung", wie bei den Reichsratswahlen. Das bedeutet, daß des Wahlrechts jeder Arbeiter verlustig geht, der einmal in einer besonderen Notlage einige Kronen als Hilfe bekommen hat oder dessen Kind zu Weihnachten beteilt" wurde, wenn auch nur mit ein paar wollenen Strümpfen. Wenn der Winter mit Macht hereinbricht und die Kälte durch die schlecht schließenden Türen und Fenster in die Armenleutewohnungen" eindringt; wenn keine Kohlen da sind, um heizen zu können, so laufen die Frauen zu den Armenräten Armenväter" hat man sie früher genannt- und erbetteln eine Anweisung auf Brennmaterial. Die Herren Armenräte, sonst progig und brutal, werden mild und gütig, wenn Wahlen vor der Türe stehen. Sonst wurde das faule Bettelgesindel", das die Gemeinde ausbeuten will, barsch abgewiesen. Nun aber gilt es, den Sozialdemokraten Stimmen zu stehlen. Die Frauen bekommen die Anweisung auf Holz und Kohlen. Der Herr Armenrat fragt nur:" Wann haben Sie die legte Unterstügung erhalten." Ergibt die Antwort, daß es schon so lange her ist, daß die Unterstützung nicht mehr als Wahlausschließungsgrund gelten fann, so ist der Herr freigebig. Die Frauen wissen nicht, wie teuer der Mann die erbetene Unterstützung bezahlen muß. Sie sagen oft diesem gar nicht, daß sie beteilt" wurden, daß die Kinder Schulhefte usw. erhalten haben. Plötzlich erfährt der Mann, daß er von dritter" Seite aus den Wähler­liften hinausreklamiert wurde, weil er im laufenden Jahr eine ,, Armenunterstüßung" erhalten hat. Das Wahlkataster und das Armendepartement arbeiten gemeinsam, um die sozialdemokratischen Wähler aus den Listen zu bringen. Auf diese Art wurden bei den diesmaligen Wahlen in einzelnen Bezirken über zweitausend Arbeiterwähler, Sozialdemokraten, um ihr Wahlrecht gebracht.

Man war auf vieles gefaßt, aber die betätigte raffinierte, durch= triebene Schlechtigkeit hat selbst den Christlichsozialen niemand zu­getraut. Wenn die Sozialdemokratie dennoch 6 Mandate errungen hat, so nur, weil in den betreffenden ausgesprochenen Proletariera bezirken die sozialdemokratische Majorität so groß ist, daß auch Raub und Betrug nicht mehr der herrschenden Partei die Man­date sichern können. Fast tönnte man verzweiseln angesichts von Zuständen, welche die rastlose Arbeit Tausender Genossen und Ge­nosfinnen durch ein gewissenloses, schändliches politisches Raubsystem zunichte machen. Nicht genug, daß Arbeiterwählern das Wahlrecht