Nr. 4 Die Gleichheit 63 st r a h e 5 befindet, wird von den Herrschaften lebhaft benutzt. Auf 117 stellensuchende Mädchen kamen 264 Herrschaften. Die Ver­sammlung faßte einstimmig folgenden Beschluß:Herrschaften, welche durch den kostenlosen Ctellcnnachweis des Dienstboten- Vereins ihre Mädchen erhalten, erkennen diesen an und erklären sich bereit: 1. den Mädchen keine Schwierigkeiten betreffs Ein- kassierung der Beiträge und.deS Besuchs der Veranstaltungen des Vereins zu bereiten, welche Sonntags stattfinden. 2. Das Auf­stehe» nicht vor K Uhr früh zu verlangen, angemessenes Essen, gute Behandlung zu garantieren und die Arbeitszeil des abends nicht allzu lange auszudehnen. 3. Den Mädchen jeden zweiten Sonntagnachmitlag und den über 13 Jahre alten bis 10 Uhr abends freizugeben. 4. Für gesunde und verschließbare Schlaf- räum» Sorge zu tragen. 6. Zahlung des Lohnes und Kündigung hat monatlich zu erfolgen; die Kündigung muß bis zum 15. des Monats geschehen: das Ziel ist der nächste erste. Im Fall« der Kündigung sind pro Woche 2 Tagesstunden zum Stellensuchen zu gewähren. Die Vorsitzende, Genossin Grün berg, wies darauf hin, daß die Herr- schajlen bei der Vermittlung schon teilweise selbst danach fragen, was die Mädchen fordern; man könne daher annehmen, daß sie den ausgestellten Bedingungen wohl nicht allzu großen Widerstand Entgegensetzen werden. An jedem vierten Sonnlag im Atonal findet iwHistorischen Hof" eine Zusammenkunft mit Tanz statt, zu der auch Unorganisierte Zurritt haben. Junge Mädchen von 18 biS 16 Jahren sollten zum Eintritt in die neugegründete Jugend- organisation angehalten werden, die pro Monat 10 Pf. Beilrag erhebt und an jedem Sonntag ein« Zusammenkunft imBürger- saat" hat.-f- Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen. Das Elend Dresdener Zigarettenarbeitcrinnen trat kürzlich in Fabrikversammlungen für die Arbeiterschaft der Zigaretten- Fabriken von Eckstein& Söhne, Selosski und Jenitze in Dresden zutage. Bei der erstgenannten Firma behandeln einige Direktricen ihre Untergebenen in brutaler Weise. Aus nichtssagcn- den Gründen werden Arbeiterinnen entlassen, und zwar fast immer die ältesten. Im Laufe eines Jahres wurden mehrere Arbeilerinnen aufs Pflaster geworfen, die dem Arbeiterausschuß angehörten und mehrmals im Interesse ihrer Arbeitsgenossinnen bei der Direktion vorstellig geworden waren. Eine stichhaltige Ursache für ihre Enl- lasfung konnte nicht angegeben werden. Wiederholt schon haben die Arbeiterinnen die Entfernung dieser oder jener Beamtin gefordert, die besonders das Schikanieren liebte, aber ihren Wünschen wird kaum je Rechnung getragen. Beim Abnehmen der fertigen Arbeit wird in dieser herumgewühlt, daß die Zigaretten herausfallen, und dann heißt es, sie sind zu leicht oder zu fest gearbeitet, oder es wird an den Hülsen gemäkelt. Sticht berücksichtigt wird, daß die Arbeite- rinnen oft Material erhalten, das schon mehr Sand als Tabak ist. Der Tabak wird außerdem so knapp gewogen, daß aus der bestimmten Quantität kaum 000, geschweige denn 1000 Zigaretten hergestellt werden können. Obwohl die Direktricen selbst früher Zigaretten- arbeiterinnen gewesen sind, tragen sie doch dazu bei, diesen ihr Los unerträglich zu machen. Bei der Firma Jenitze liegen die Dinge ähnlich, za eher noch schlimmer. Die Meister schimpfen die Ar­beiterinnen, mögen sie 14 oder 40 Jahre alt sein, mit den haß- lichsten Worten. In noch größerem Umfang als bei der Firma Eckstein steht bei ihr die Lehrlingszüchterei und-schikaniererei im Schwange. Kaum aus der Schule entlassene Mädchen werden an- geworben und sitzen von früh bis abends in den mit Tadalstaub angefüllte» Räumen so dicht zusammengepfercht, daß sie säst mit den Ellenbogen zusamnienstoßen. Sie müssen sich vor ihrer Ein- stellung verpflichten, zwei Jahre in der Fabrik zu bleiben. Ein halbes Jahr dauert die Lehrzeu, für die 20 Mk. zu hinterlegen sind. Erst nachdem die Lernenden ein Tausend Zigaretten in tadellosem Zustand und unentgeltlich abgeliefert haben, erhallen sie laut Kon- traft für ihre weitere Arbeit pro Tausend 1,80 bis 3 Mk. Lohn. Ist ein Lehrmädchen nicht imstande, 20 Mk. zu hinterlegen, so zieht ihr die Firma jede Woche 1 Mk. vom Lohne ab, bis 20 Mk. zu- sammengebracht find. Wenn die halbjährige Lehrzeil der Mädchen um ist, so trachten diese meist vor allem danach, von dem Betrieb loszukommen. Verlassen sie ihn, so fließen die eingezahlten 20 Alk. in die Tasche des Fabrikanten. Wie viele Tränen und wie manches Stück Gesundheit hängen nicht an den 20 Mk.! Wenn man die jungen Arbeiterinnen sieht, sie in einer Versammlung vor sich hat, so springt eniem ihr Elend förmlich in die Augen. Die Arbeite­rinnen der Firma Selosski klagen über schlechte Ventilation in den Slrbeitssälen, schlechte Aborte, schlechteWaschgetegenyeit, schmutzige Handtücher und dergleichen mehr. In der Fabrikversammlung kam zur Sprache, daß es für hundert Männer und Frauen nur einen Abort gibt. Die Arbeitssäle sind sehr schmutzig und können nur gescheuert werden, wenn der Buchhalter abwesend ist. Es ist vor- gekommen, daß Arbeiterinnen in ihnen Ungeziefer bekommen haben. Wenn sich die weiblichen Mitglieder des Arbeiterausschusses mit Klagen über schlechte Behandlung und schlechtes Material an Herrn Selosski wenden, so verweist er sie an den Buchhalter. Und dieser schert sich den Teufel um die Wünsche und Bedürfnisse der Arbeite- rinne». Es ist deren eigene Sache, Wandel der bestehenden Zu- stände zu schaffen. Das gilt auch für die Arbeiterinnen der übrigen Zigarettenfabriken. Sie alle müssen sich organisieren, müssen ihrer Gewerkschaft beitreten, dem Deutschen Tabakarbeiterverband. Einzeln vermögen sie nichts, vereinigt kömien sie ihren Ausbeutern trogen. Die gewerkschaftliche Organisation ist der Weg, der zu besseren Arbeits- und Lebensverhältnissen führt. Marie Wackwitz . Vom Elend deS Textilproletariats. Wie fast in allen Weber- orten, so ist auch in Waltersdorf a. d. Lauscha in Sachsen die Lage der Frauen eine kümmerliche. Gezwungen durch die schlechte Entlohnung der Männer gehen die Frauen ebenfalls in die Fabrik, obschon sie meist Mütter sind und ihre Kinder daheim unversorgt wissen. Auch die jungen Mädchen müssen dem Kapital sronden, sobald sie die Schule verlassen haben. Die Löhne sind niedrig. In den hiesigen Jacquardwebereien verdienen die Arbeilerinnen bei täglich zehnstündiger Arbeitszeit höchstens 10 Mk. pro Woche. Doch nur ausnahmsweise erreichen sie diesen Satz. Viel häufiger kommt es vor, daß die Arbeiterinnen mit 5, 6 oder 7 Mk. wöchentlich zu- frieden sein müssen. Die Schwankungen im Verdienst find in der Hauptsache nicht auf die mehr oder minder große Geschicklichkeit der Betreffenden zurückzuführen, sondern vielmehr auf die jeweilige Arbeit, die ihnen zugewiesen wird. Es gibt Arbeiten, die so mühe- voll sind, daß selbst die geschicktesten Frauen beim allergrößte» Fleiß nicht mehr verdienen können als angegeben. Obwohl in den meisten Familien beide Eltern in die Fabrik gehen, reicht das Ein- kommen doch oft nicht zum Nötigsten. Auch die Kinder müssen deshalb trachten, das schmale Einkommen der Familie zu erhöhen; sie müssen Heimarbeit verrichten. Entweder knüpfen sie Fransen an Handtücher und Decken oder sie spulen(treiben) Garn. Für ein Dutzend Handtücber mit 2 mal 12, also 24 Seiten Knüpfarbeit gibt es 15 bis 13 Pf. Wie viele Knoten müssen die armen Kinderhände schürzen, ehe die 15 Pf. auch nur einmal verdient sind! Das Garnspulen (Treiben), welches meist von den alten Frauen über 70 Jahre» den sogenanntenRentenempfängerinnen", und seltener von Kindern ausgeführt wird, bringt ebensowenig ein. Nur wenn das Treibe- rädchen von früh bis spät unaufhörlich schnurrt, können es die Armen auf 2,50 Mk., selten aber auf 3 Mk. in der Woche bringen. Und dieser Lohn, zusammen mit ihrer Altersrente von 33 Pf. pro Tag muß den alten, oft recht abgerackerten Leutchen genügen, um ihr Dasein zu fristen. Der Umstand, daß Wattersdorf unmittelbar an der böhmischen Grenze liegt, und daß jederzeit billig« Arbeits- kräfte vondrüben" zu haben sind, drückt aus die Löhne. Die un- gtaubliche Anspruchslosigkeit der böhmischen Weber und Weberinnen übertrifft noch die an sich schon große Genügsamkeit der sächsischen Textilprolelarier. Das wissen die Herren Fabrikanten recht wohl, und damit rechnen sie. Gewerkschaftlicher und politischer Zusammen- schluß der Textilarbeiter und Kamps gegen ihre Ausbeulung und Knechtung ist heilige Pflicht. Mögen das nicht bloß die Männer, fondern auch die Frauen immer mehr erkennen. Frauenstimmrecht. Vom Kampfe um das Frauenwahlrecht in England. Die englischen Frauenrechtlerinnen setzen den Kampf um das beschränkte Frauenwahlrecht seit Wiedereröffnung des Parlaments mit unge- schwächter Energie fort. Versammlungen, Meetings unter freiem Himmel, Entsendung von Delegation«» an hervorragende Politiker, Auseinandersetzungen mit solchen in breitester Öffentlichkeit, Ver- suche, in das Parlament einzudringen und dort den Ruf nach der Verwirklichung ihrer Forderung zu erheben: alle Mittel wenden sie an, welch« die öffentliche Aufmerrsamkeil auf die Frage lenken und ihr Anhänger werben können. In einer Sitzung des Parlaments demonstrierten zum Beispiel Frauenrechtlerinnen von derDamen- tribüne" aus für ihre Forderung.Wir verlangen das Frauen- ftimnirecht!" riefen sie den Abgeordneten zu. Ein anderes Mal warf«in Mann von emer Tribüne herab Flugschristen in den Sitzungssaal, welche dem politischen Frauenrechl galten. Als die Tribüne geräumt werden sollte, erwies sich, daß mehrere der de- monstrierenden Frauen sich an der Brüstung festgebunden hatten,