Nr. 6
Die Gleichheit
Drganisation zuzuführen. Man fürchtete eine Zersplitterung der Kräfte. Die geringen Mittel und die geringe Zeit, über welche die Arbeiterinnen zu verfügen haben, wurden in Betracht gezogen. Die Arbeiterinnen sollten in ihrer Betätigung nicht schwanken zwischen zwei gleich notwendigen Organisationen, wenn sie nicht beiden angehören fonnten. Und man konnte sich dafür entscheiden, sie zunächst den Gewerkschaften allein zuzuführen, weil die österreichi schen Gewerkschaften als ausgesprochen sozialdemokratische Organi fationen auftreten und der Geist des Sozialismus ihr Leben, ihre Aftionen beherrscht. Heute sind nun die hervorgehobenen Bedenken gegen die politische Organisierung der Arbeiterinnen in den Hintergrund getreten. Die Ursache davon ist nicht etwa darin zu suchen, daß die Gewerkschaften weniger hoch geschätzt werden, sondern sie liegt gerade in der erreichten Stärke der Gewerkschaften. Die österreichische Gewerkschaftsbewegung ist so groß geworden und hat eine solche Werbekraft erlangt, daß die politische Frauenorganisation dem Anschluß der Arbeiterinnen an die Gewerkschaft nicht mehr Abbruch tun werden. Die österreichischen Gewerkschaften haben der Arbeiterklasse schon so viel erkämpft und errungen, daß ihre Bedeutung nicht mehr unterschätzt werden kann. Das gilt auch für die Arbeiterinnen. Sehen sie doch, daß in Fabriken, wo die Arbeiterinnen der Gewerkschaft angehören, die Löhne um 20 bis 25 Prozent höher sind als in den Betrieben, wo unorganisierte Arbeitskräfte schaffen. In Industriezentren, wo die Sache so liegt, können also die Arbeiterinnen der Gewerkschaft unmöglich abtrünnig werden. Kommt das aber in einzelnen Fällen doch vor, so handelt es sich sicherlich um minderwertige Elemente, die auch für die politische Bewegung nichts taugen würden.
Die Gewerkschaftsbewegung spricht heute für sich selbst. Zudem find auch die Genossinnen, welche die Agitation für die politische Bewegung tragen, von der Notwendigkett der Gewerkschaften für die Verbesserung der Arbeitsverhältnisse so überzeugt, daß ihnen deren Entwicklung ebenso am Herzen liegt wie die der politischen Be wegung. Dazu kommt noch eine Erwägung. Die vielen Tausende proletarischer Frauen, die für die Gewerkschaft gar nicht in Be tracht kommen, dürfen nicht länger unaufgeklärt und unorganisiert bleiben. Sie sind uns notwendig schon in ihrer Eigenschaft als Gattinnen und Mütter. An diese Frauen wendet sich die poli tische Frauenorganisation in erster Linie. Bis jetzt hat es für sie in ganz Böhmen fast keine Organisation gegeben. Nur in den Städten an der Elbe ist unter ihnen seit Jahren eifrig und mit gutem Erfolg gearbeitet worden.
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festesten Stützen waren. Daß sie keine großen Eroberungen machen, dafür werden unsere Genossinnen durch eine rastlose Agitation zu sorgen haben.
Um ein planmäßiges Arbeiten zu verbürgen, wurde ein Agitationsfomitee gewählt, in dem die hervorragendsten Orte Deutsch - Böhmens vertreten find, soweit sie schon eine politische Frauenorganisation haben. Das sind die Städte: Reichenberg , Bodenbach, Aussig , Teplit und Böhmisch- Leipa . Leider fehlt noch Gablonz a. N., doch hat die Konferenz den Anstoß dazu gegeben, daß sich die Genossen des Gablonzer Agitationskreises schon zu Weihnachten auf einer Kreistonferenz mit der politischen Organisierung der Frauen beschäftigen werden.
Die Frauenkonferenz in Bodenbach hat auch zur Landtags= wahlrechtsreform in Böhmen Stellung genommen und in einer Resolution gegen die durch das Aufpeitschen der chauvinistischen Leidenschaften verursachte Schließung des böhmischen Landtags protestiert, der die Wahlreform hätte durchführen sollen. Die Frauenkonferenz erklärte nur eine solche Wahlreform als eine befriedigende, deren Grundlage das allgemeine, gleiche und direkte aktive und passive Wahlrecht für Männer und Frauen bildet." Die letztere Forderung mußte besonders betont werden, weil bekanntlich das böhmische Wahlgesetz schon jetzt das Frauenwahlrecht fennt, allerdings nur ein solches, das an einen Steuer- oder Bildungszensus geknüpft ist. Dadurch, daß bei den letzten Wahlen die tschechischen Genossen eine eigene Kandidatin, Genossin Mach, aufgestellt haben, sind die Gewaltigen im Lande Böhmen erst darauf aufmerksam geworden, wie„ fortschrittlich" ihre Wahlordnung ist. Und schon wurden Stimmen laut, daß bei einer Wahlreform das Frauenwahlrecht hinaus, reformiert" werden müsse. Gegen solche Strömungen haben die deutsch - böhmischen Genossinnen in ihrer Resolution Stellung genommen.
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Mit Freude hat die Konferenz die Mitteilung entgegengenommen, daß die Arbeiterinnen- Zeitung" von Neujahr ab eine Kinderbeilage nach dem Beispiel der„ Gleichheit" erhalten wird. Sie soll dem Blatt vorläufig einmal im Monat beiliegen.
Hoch Schema B.
a. p.
Zu Mannheim ( Seckenheimerstraße 8) besteht ein staatlich genehmigter Arbeitsnachweis der Industriellen, welcher in diesen Tagen folgendes schamlose Schriftstück an die Unternehmer zirkulieren ließ:
An die Herren Vereinsmitglieder!
Wir haben in Erfahrung gebracht, daß jedesmal bei Ausbruch eines Streits die Frauen und Töchter der Streifenden, welche bisher die Hausarbeit besorgten, aber sonst ohne Beschäftigung waren, als Fabritarbeiterinnen Beschäftigung suchen, um so auf diese Weise ihre Männer beim Streit zu unterstützen. Es dürfte sich daher empfehlen, die Arbeiterinnen bei der Einstellung nach dem Vor- und Zunamen des Vaters zu fragen und diese in die letzte Rubrik unseres For mulars B, welches wir in der Anlage beifügen, einzutragen. Die Herren Vereinsmitglieder werden weiter dringend gebeten, die mit der Einstellung von Arbeiterinnen beauftragten Beamten darauf hinzuweisen, daß jede Einstellung einer Arbeiterin sofort mittels des Formulars B dem Arbeitsnachweis mitzuteilen ist.
Die Frauenkonferenz in Bodenbach hatte die Aufgabe, einen einheitlichen Plan für die politische Organisation zu schaffen, und das hat sie getan. Die Grundlage dafür werden die hier schon besprochenen freien politischen Frauenorganis sationen bilden, mit 30 Heller Beitragsleistung im Monat, wofür die Mitglieder die Arbeiterinnen- Zeitung" obligatorisch erhalten. Gewerkschaftlich organisierte Arbeiterinnen können mit 10 Heller Monatsbeitrag Mitglieder werden, wenn ihnen ihre Gewerkschaft die Arbeiterinnen- Zeitung" an Stelle des Fachblattes gewährt. Gewerkschaftlich organisierte Arbeiterinnen, die das Organ der Genofsinnen nicht erhalten, zahlen in der politischen Frauenorganis sation nur einen Monatsbeitrag von 20 Heller. Es soll den ges werkschaftlich organisierten Arbeiterinnen der Beitritt zur politischen Organisation möglichst leicht gemacht werden, da wir doch ein Interesse daran haben, auch sie mit den politischen Zielen der Sozialdemokratie bekannt zu machen. Auf der Konferenz kamen Genosfinnen zu Worte, Frauen und junge Mädchen, die erfreuliche agitatorische Begabung zeigten. Ein Umstand mehr, der uns die Überzeugung gibt, daß die Konferenz für die Arbeiterinnen bewegung fruchtbar sein wird. In einer sehr lebhaften Debatte wurden alle die Klagen und Beschwerden geäußert, die bei solchen Gelegenheiten vorgebracht werden, darunter auch die über nicht genügende Unterstützung seitens der Genossen, von rühmlichen Ausnahmen abgesehen. Die Vertreter aller Instanzen der sozialdemokratischen Partei Deutsch - Böhmens , die an der Konferenz teilnahmen, einschließlich einiger Abgeordneten und des Landessekretärs, erklärten, die Landesvertretung werde die Frauenorganisation nicht nur moralisch, sondern auch materiell unterstützen. So ist wohl die Gewähr gegeben, daß die Genossinnen in Zukunft das nötige Entgegenkommen findenbrechen, wenn fie, wie in diesem Falle, nicht gegen Kämpfende
werden.
Allgemein wurde konstatiert, daß die katholischen Organi sationen die größten Anstrengungen machen, um die Frauen an sich zu ziehen und zu fesseln. Für niedrige Beiträge werden ihrerseits hohe Unterstützungen bei Geburten, Sterbefällen und Notfällen aller Art gewährt. Die großen Erfolge der Sozialdemokratie in Deutsch- Böhmen haben die Klerikalen besorgt gemacht, und so suchen sie sich Reserven bei den Frauen zu sichern, die bisher schon ihre
Hochachtungsvoll
Arbeitsnachweis der Industrie Mannheim - Ludwigshafen . Dr. Moebius.
Wir haben in diesem Rundschreiben die offenkundige Verquickung des Systems Schwarzer Listen mit einem gefeßlich konzessionierten Arbeitsnachweis. Die Verwendung eines gesetzlich vorgeschriebenen Formulars( B) behufs Kennzeichnung und Verfolgung mißliebiger Arbeiterinnen ist eine strafbare Handlung. Was schiert das die Herren Unternehmer? Sie laſſen trotzdem das scheußliche Handwerk der Brotlosmachung durch schleichende Denunziation beruflich ausüben. Es ist das nicht neu. Aber die alte schofle Praxis der Schwarzen Listen verschärft sich zum Ver
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selbst zur Anwendung kommt, sondern gegen deren Angehörige, die persönlich nicht im Kampfe stehen. Die nämlichen Leute, welche mit sittlich aufgeblasenen Backen das Wort Klassenkampf verpönen möchten, welche nicht genug gegen sozialdemokratische Verheizung" donnern können, praktizieren in brutalster Weife den Klassentamps, und gegen wen? Gegen unmittelbar Unbeteiligte. Frauen und Mädchen werden gewissermaßen zu Geifeln gemacht, an denen das Kapital seine Rache nimmt für die„ Meuterei" der Gatten, Väter