Nr. 8

Die Gleichheit

unter Zeus   mit den Göttern rechteten, was die Menschen den Göttern für Opfergaben darbringen sollten... betrog Prome­ theus   den Zeus bei der Wahl der Opfer"... und dieser,

in seinem Zorne über diesen Betrug nahm den Menschen das Feuer ab. Aber Prometheus   stahl es wieder in einer Ferul staude aus dem Olympos und brachte es den Menschen zurück. Zeus  , hierüber noch mehr erzürnt, sandte den Menschen zum Unglück die Pandora, die ihnen Leid und alle Übel bringt. Den Prometheus   aber fesselte Zeus   zur Strafe für seinen Frevel an ben Felsen des Kaufasos, trieb ihm einen Pfahl durch den Leib und ließ ihm täglich durch einen Adler die Leber zerfleischen, die jede Nacht frisch nachwuchs, bis endlich Herakles, der ben Adler erlegt, nach dem Willen des Zeus   den Prometheus befreit."

Wir haben schon hervorgehoben, daß die Mythen nicht er­funden worden sind, daß die Menschen in ihnen sich nichts Unwirkliches vorstellten, sondern in ihnen das ausdrückten, was fie erlebt hatten. So können wir in den Götterkämpfen, an denen die griechische Mythologie so reich ist, die in Personi­fikationen wiedergegebenen Kämpfe sehen, die den älteren griechi­schen Kulturtreis bewegten.

Aus den Einzelheiten, von denen Hesiod   in seiner Wieder­gabe des Kampfes der Titanen mit den neuen Göttern berichtet; aus der Tatsache, daß die Besiegten den Siegern zu Opfer­gaben verpflichtet sind; aus der großen Bedeutung, die dem Betrug und dann dem Diebstahl gegeben wird: müssen wir schließen, daß der Mythus   damit die Widerspiegelung gewaltiger wirtschaftlicher Kämpfe gibt, die die Menschengemeinschaft durch­zumachen hatte, welche den Mythus erzeugte. Gerade die Fort­nahme des Feuers durch Zeus  , die Betonung der Opfer, des Betrugs und Diebstahls und die ungeheure Bestrafung des lezteren laffen vermuten, daß der Darstellung jene Kämpfe zugrunde liegen, die sicherlich den Übergang von dem urwüchsigen Rommunismus der Gens in die Wirtschaftsform des Privat eigentums begleitet haben.

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Es ist gewiß kein Zufall, daß gerade Hesiod   als der erste uns den Mythus von einem Feuerraub berichtet. Hesiod   steht noch ganz unter den Einflüssen der mutterrechtlichen Verfassung des urwüchsigen Kommunismus und in dem Banne ihrer Ideen, da er in jenem Völkerkreis lebte, in dem sich die Spuren der Anschauungen der Gynäkofratie( mutterrechtlichen Verfassung) besonders lange erhalten haben( Lofrer, Teoler) und bei denen baher das Bewußtsein von den Gegensägen zwischen der alten mutterrechtlichen Organisation und dem Vaterrecht besonders lebendig sein mußte.

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Zur Zeit des Kommunismus muß der Begriff des Betrugs und Diebstahls noch fehlen oder bedeutungslos sein, da alles allen gehörte. Wir haben schon gesehen, daß der älteste indo­germanische Mythus, der noch in der kommunistischen   Periode entstanden ist, nichts von einem Diebstahl oder Raube des Feuers weiß. Welcker schreibt( 1854), daß später nur bei einem Taufafischen Stamme eine der Prometheussage ähnliche Er zählung gehört worden sei, in der von einem Raube die Rede ift. In v. Harthausens Transkaukasia" sei dieselbe Sage an geführt mit Auslaffung des Diebstahls, was freilich das Wichtigste ift... Die Sage aber als lebend bei den Abchasen in der Um­gebung von Elborus angetroffen." Bei den Indern fehlt also die Vorstellung von einem Feuerraub auch dann, als sich die Klaffengegensätze schon herausgebildet haben müssen, als die Zeit des urwüchsigen Kommunismus längst vorbei war. Das mag darin seine Ursache haben, daß die Klassengegensätze nur zwischen den einzelnen Kasten bestehen, in jeder Kaste selbst aber eine fommunistische Organisation sich lange erhalten hat, nämlich

1 Siehe Welder, Griechische Mythologie  . I. Seite 248( Theogonie). Bachofen  , Mutterrecht, Seite 315.

Bachofen  , Mutterrecht, Seite 208, Dans ce pays on n'entends jamais parler ni de vols, ni de rapines."( Jn diesem Lande hört man nichts von Raub und Diebstahl.)

Welder, Griechische Mythologie  . I. Seite 761, 3itat.

Aus Marigny, Three voyages to the coast of Circassia. London   1834, Seite 188. Zitiert nach Welder, fiehe oben.

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bis zur Zeit Alexanders des Großen, bei einzelnen Stämmen sogar in Spuren bis heute. Innerhalb der einzelnen Kasten änderten sich also Sitten, Gesetze und Anschauungen nur wenig."

Aus der Bewegung.

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Von der Agitation in Westfalen  . Die sozialdemokratische Partei ist überall eifrig an der Arbeit, auch unter den Frauen des Proletariats das Licht der Aufklärung zu verbreiten und sie poli­tisch zu organisieren. So wurden in den westfälischen Wahl­treisen Recklinghausen Gladbeck   und Bochum  - Gelsens tirchen 22 Versammlungen abgehalten, in denen die Unterzeichnete über das Thema sprach: Die Frau im Kampfe ums Dasein". In Horstenmart mußte die Versammlung in der Wohnung des Vertrauensmannes tagen. Dort hatten sich etwa 120 Frauen ein­gefunden. Ein recht guter Erfolg! Auch in allen übrigen Orten war der Besuch der Versammlungen ein starker. Fast überall lag ihre Leitung in den Händen der Genofsinnen, die Beteiligung an den Debatten war durchwegs eine recht lebhafte. Düstere Bilder aus dem Leben des westfälischen Grubenproletariats entwarjen die Diskussionsrednerinnen. Die Frauen der Bergarbeiter fronden dem Kapital nicht in Fabriken; das besagt aber nicht etwa, daß ihre Männer genug verdienen, damit sich die Mütter ihren Kindern widmen tönnten. Auch die Bergarbeiterfrauen müssen danac trachten, Geld ins Haus zu bringen. Wer von ihnen mit der Nadel umzugehen versteht, muß als Heimarbeiterin diese Geschick­lichkeit auf das äußerste ausnügen. Andere suchen durch Waschen und Scheuern ein paar Mark zu verdienen, manche wiederum tag­löhnern in der Landwirtschaft. Den ausgedehntesten Erwerbszweig bildet jedoch das Koftgängerwesen oder richtiger Unwesen

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mit all seinen traurigen Folgen für die Familie. An anderer Stelle werden wir die geradezu skandalösen Zustände fennzeichnen, die in dieser Beziehung unter dem westfälischen Grubenproletariat anzu­treffen sind.

In dem Wahlkreis Hamm- Soest fanden 10 Beriammlungen flatt, die der Aufklärung der Frauen dienten. Dort behandelte die Unterzeichnete das Thema:" Der Kaiser, der Reichstag   und das Volt". Die Versammlungen waren fast sämtlich überfüllt und standen noch ganz unter dem Eindruck der schrecklichen Katastrophe von Radbod. Tiefe Trauer sprach aus den Gesichtern der An­wesenden, aber auch der feste Entschluß, daß es so nicht weiter gehen dürfe. Schwere Anklagen wurden laut gegen die Mord­politik des Kapitalismus, die, faum daß sich das Grab über den Opfern der Borussia- Katastrophe gefchloffen hat, schon wieder nahezu 400 blühende Menschenleben forderte. Eine Reihe grober Mißstände auf den Gruben wurden scharf gerügt. Viele davon sind den Grubenbeamten wohl bekannt, aber diese wagen es nicht, für Abhilfe zu sorgen, weil auch auf ihren Rücken beständig die Hunger­peitsche niedersausen kann. In allen Versammlungen wurde ein­stimmig eine Resolution angenommen, die ein Reichsberggesetz und Grubenkontrolleure aus den Reihen der Arbeiter fordert; des weiteren stimmten alle Versammlungsteilnehmer einer zweiten Reso­lution zu, die die Forderungen enthält, welche die sozialdemo­diesen Versammlungen beteiligten sich die Frauen sehr zahlreich. kratische Fraktion bereits dem Reichstag vorgelegt hat. Auch an In Heeren trug eine Genossin das Bergmannslos" vor und erntete dafür reichen Beifall. Die Parteiorganisation und der Berg­arbeiterverband werden dafür zu sorgen haben, daß die durch die Agitation ausgestreute Saat wächst und reiche Früchte trägt. Die Genofsinnen werden dabei tüchtige tätige Mitarbeiterinnen sein. Marie Wack wit.

Magdeburg  . In fast allen Teilen des Regierungsbezirkes Magdeburg   versuchten es die Kreis- und Ortsleitungen, weib­liche Mitglieder für die Parteiorganisation zu gewinnen. In Olvenstadt, Neuhaldensleben, Barleben  , Elben­Wolmirstadt, Hornhausen  , Aschersleben  , Garde legen, Salzwebel, Schönebeck  , Frohse und Dttleben fanden zu diesem Zwecke öffentliche Frauenversammlungen statt, in denen die Unterzeichnete das Thema behandelte: Arbeiterfrauen und Sozialdemokratie". Mit Ausnahme von Neuhaldens leben und Barleben   waren in allen Orten die Versammlungen gut besucht, und es gelang, 180 Frauen und Mädchen der Partei zuzuführen. Auch eine Anzahl Abonnenten für die Gleichheit"

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Belege hierzu bei Bachofen  , Mutterrecht, Seite 204, 210, ferner in Kautsky, Karl Mary' ökonomische Lehren, Seite 10.

7 Letourneau, L'évolution de la propriété( Die Entwicklung des Eigentums), Seite 304,

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