Nr. 8
Die Gleichheit
die Einführung des Zweistuhlsystems angekämpft. In Aachen wurde 1906 diefer Kampf sogar als Anlaß der chriftlichen Organis fationsgründung bezeichnet. Aber gerade dort hat der christliche Verband seinen Widerstand längst aufgegeben. Verräterisch hat er das Zweistuhlsystem afzeptiert und scheint jetzt in ähnlicher Weise auch in M. Gladbach die Interessen der Arbeiter opfern zu wollen. Tausende Arbeiter haben ihm deshalb den Rücken gekehrt, und er macht verzweifelte Anstrengungen, der weiteren Mitglieder flucht Einhalt zu tun. Auch die„ Christliche Arbeiterin", das Organ der katholischen Arbeiterinnenvereine, muß mithelfen, die Ausgebeuteten zu täuschen. Das Blatt sucht in einem Artikel den Anschein zu erwecken, als ob es sich lediglich um einen technischen Fortschritt handle, und behauptet, daß der christliche" Verband sich bei der Zweiftuhlbewegung große Verdienste um das Wohl der Arbeiter erworben habe. In Wahrheit hat er durch seine Vers rätereien die Arbeiter recht geschädigt und die Abwehr der Neue rung in anderen Bezirken beträchtlich erschwert. Hoffen wir, daß die Einführung des Zweistuhlsystems in größerem Umfang doch noch an den technischen Schwierigkeiten scheitert, wie an dem Widers stand, den ihr der Deutsche Textilarbeiterverband im Interesse der Arbeiterschaft entgegenstellt. W. K.
Geno enschaftliche Rundschau.
Die deutschen Genossenschaften haben sich, wie aus ihrer Presse, aus Jahresberichten und Äußerungen anderer Art zu konstatieren ift, im verflossenen Jahre im allgemeinen weiter vorwärts entwickelt. In einem ruhigeren Tempo allerdings, denn die Zeit starter wirt schaftlicher Depression ist selbstverständlich auch an den Genossenschaften nicht spurlos vorübergegangen. Besonders die Konsumenten organisationen hatten naturgemäß mehr oder weniger
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unter dem schlechten Geschäftsgang zu leiden. Vielfach kommt das darin zum Ausdruck, daß der Mehrumsay nicht recht in Einklarg steht mit der Zunahme an Mitgliedern. Viele Mitglieder waren gezwungen, weniger zu kaufen als sonst. Die deutschen Konsumvereine bestehen zum weitaus größten Teile aus Lohnarbeitern, die in sehr vielen Fällen von der Krise hart mitgenommen wurden. Außergewöhnlich große Arbeitslosigkeit, verkürzte Arbeitszeit( vielfach um mehrere Tage in der Woche) und der von diesen Umständen begünstigte Lohndruck der Unternehmer führten zu stark vers ringerten Einkommen der Arbeiter. Die unumgängliche Folge das von war eine Einschränkung des Konsums. Denn die Existenz und Konsummöglichkeit hängt beim Arbeiter ja allein vom Arbeitslohn ab.
Es scheint andererseits, als ob gerade die schlechte Zeit sehr häufig die Arbeiter und ihre Frauen die Vorteile erfennen läßt, einem Konsumverein anzugehören, der dem Druce wirtschaftlicher Stot einigermaßen zu begegnen hilft. Wenn die Wittelständler sich über die Betätigung dieser wachsenden Erkenntnis ereifern, so mögen fie nicht vergessen, daß der Widerjinn der kapitalistischen Wirtschaft diese Entwicklung mit sich bringt. Naturnotwendig drängt die Logik der Dinge zur politischen, gewerkschaftlichen und genossenschaftlichen Organisation der besiglosen und ausgebeuteten Klassen, die nur durch den Zusammenschluß die ihr aufgedrungenen Kämpfe mit Erfolg aus echten kann. Was die Wittelständler im Kleinhandel verlangen und was sie in so starken Gegenjaz auch zu den Konsum genossenschaften bringt, das ist die praktische Durchführung des Rechts auf Existenz, nämlich ihrer Existenz als Krämer. Dieses Hecht kann ihnen aber der fapitalistische Staat ebensowenig einräumen, als er dem Arbeiter ein Recht auf Arbeit gibt. Die Garantie auf eine gesicherte Existenz" haben in der kapitalistischen Gesellschaft nur die Angehörigen der bejizenden und ausbeutenden Klajje. Und wenn der Staat heute mittelständlerische Maßregeln ergreift, so tut er das lediglich, um in dem sogenannten Mittels stand ein Bollwert gegen das klassenbewußte Proletariat zu erhalten. Ajo politische Beweggründe leiten ihn. Das wissen die Wittel ständler sehr genau. Darum spielt der staatserhaltende" Wioment eine große Roue in ihrer Agitation für staatliche Begünstigung auf Kosten des Fortschritts.
Kein Wunder, daß unter solchen Umständen die deutschen Konjumvereine im Jahre 1908 vielfach im heftigen Kampfe mit ihren wirtschaftlichen Gegnern und deren Helfershelfern standen. Es erübrigt sich, einzelne Phasen dieses Kampjes an dieser Stelle zu schildern. Darüber könnte man dicke Bücher schreiben. In der Genossenschafts- und in der Tagespresse kann man sich jederzeit über diesen Kampf genügend informieren. Wer wüßte nicht, in welcher Weise die Rabattspar- und Kriegervereine, die lokalen Spießbürgervereine aller Art gegen die Konsumgenossenschaften mobil gemacht werden? Wie man die Landes- und Gemeinde
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gesetzgebung für Erdrosselungssteuern und andere Maßregeln ( Konsumvereinsverbot an die Beamten usw.) scharf zu machen versucht? Daneben gehen auch Bestrebungen der Fabrikanten, durch eine besonders geartete Preispolitik den Krämern beizuspringen. An dem ersten Versuch dieser Art, im Kampf um die sogenannten Markenartikel, haben sich die Fabrikanten allerdings die Finger so verbrannt, daß vorderhand die Konsumvereine vor Experimenten dieser Art Ruhe haben werden. Jm allgemeinen ist aber mit einer Verschärfung des Kampfes zwischen dem Krämertum und den Konsumvereinen zu rechnen. Für die Arbeiter fann gar nicht zweifelhaft sein, auf welche Seite sie zu treten haben. Die Konsumvereine find wirtschaftlich fortschrittliche Gebilde, die den unbemittelten Schichten nüßen; das Krämertum ist ein egoistisches und reaktionäres Element. Die Parole der Arbeiter muß also sein: Förderung der Konsumgenossenschaften!
Wir sehen im Kampf gegen die Konsumvereine dieselbe Erscheinung, die wir in der Entwicklung der politischen und gewerkschaftlichen Arbeiterbewegung beobachten tönnen. In den Anfängen bleiben die Konsumvereine unbeachtet, sie werden gering geschäßt und verlacht. Sie werden nicht behelligt, weil sie unbedeutend, ohne Einfluß sind. Sobald sich ihre träftige Entwicklung zeigt, haßt man sie. Und im letzten Stadium: einflußreiche, unbezwingliche Stärte. Nun fürchtet man die Organisationen der Arbeiter und sucht sich mit Hilfe staatlicher Machtmittel und unter Preisgabe aller bürgerlichen Rechtsgrundfäße des traftvollen Gegners zu erwehren. Alle Symptome sprechen gegenwärtig dafür, daß es den Konsumvereinen so ergehen wird. Gerade den Konsumvereinen, die vornehmlich den Arbeitern dienen, während die Genossenschaften, die die Interessen bürgerlicher Kreise fördern, nicht nur unbehelligt bleiben, sondern sich häufig sogar noch direkter staatlicher Protektion erfreuen.
Der„ Genossenschafts- Pionier" ist nach zwölfjährigem Bestehen am Ende des Jahres 1908 eingegangen. Es war ein fleines Blatt, das früher wöchentlich, zulegt vierzehntägig in Berlin erschien und der dortigen lokalen Konsumvereinsbewegung diente. In der Vereinigung der Berliner Konsumvereine ist im letzten Jahre ein großer Schritt nach vorwärts geschehen.
Ein beliebter Agitationstrick der Genossenschaftsfeinde ist der Hinweis auf die Konkurse der Genossenschaften. Weil hier und da auch einmal eine Genossenschaft in Konturs. gerät, stellen es die Händler gern so dar, als sei bei den Genossenschaften die Gefahr besonders groß, Konkurs zu machen. Ganz im Gegensatz zu den mittelständlerischen Behauptungen zeigt die Statistit, daß die Genossenschaftskonkurse gering an Zahl und obendrein im Rückgang begriffen sind. Die Vierteljahreshefte zur Statistit des Deutschen Reiches veröffentlichen vorläufige Witteilungen über die Konkurse im dritten Vierteljahr 1908. Stellen wir ihnen die Konturse im britten Vierteljahr 1907 gegenüber, dann erhalten wir folgendes Bild: Konkurse famen vor bei natürlichen Personen im dritten Vierteljahr 1908 1848, im dritten Vierteljahr 1907 1662, bei Nach läisen 443( 1907 357), bei Handelsgesellschaften 129( 1907 107), bei Genossenschaften 19( 1907 24), bei anderen Gemeinschuldnern 76( 1907 55). Die Ziffern beziehen sich natürlich immer nur auf ein( das dritte) Vierteljahr. Das Jahr 1908 war ein Krisenjahr. Jn Krisenzeiten nehmen die Konturse immer zu. Die Statistik zeigt, daß sie sich von 2205 im dritten Quartal 1907 auf 2515 im britten Quartal 1908 vermehrten. Die Konkurse der Genossenschaften dagegen verminderten sich trotz der Krise. Ist schon die geringe Zahl der Genossenschaftskonkurse 19 bei rund 26000 Genossenschaften ein Beweis für deren solide Grundlage, so erst recht die Tatsache, daß in einer Zeit bedeutender Konkurssteigerung die Genossenschaftskonkurse zurückgingen. Damit ist das Geschwäh von der Häufigkeit der Konkurse bei Genossenschaften auf das bündigste widerlegt.
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Vor kurzem ist das Jahrbuch des Zentralverbandes österreichischer Konsumvereine für das Jahr 1908 er schienen. Das 262 Seiten starke Werk stellt im Bericht des Sefre tariats fest, daß auch im Jahre 1907 der Verband weiter erstarkt ist. Die Konsumvereinsbewegung Österreichs trägt den gleichen Charakter wie die Deutschlands . Hier wie dort seit einigen Jahren eine gesonderte moderne zentrale Konsumvereinsorganisation, in beiden Ländern dieselben treibenden Kräfte im Kampfe gegen die Arbeitergenossenschaften, die zielbewußt und unbeirrt ihre eigenen Wege gehen. Nur in einem Puntte unterscheiden sich die Osterreicher von den Reichsdeutschen. Es besteht bei ihnen ein viel innigeres Verhältnis der Genossenschaften zu Partei und Gewerfschaften, ohne daß man von einer direkt politischen oder sozialdemokratischen Konsumvereinsbewegung reden fönnte. Wir begnügen uns hier mit der Feststellung dieser Tatsache, ohne weitere