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Die Gleichheit

1027,59 M. Dagegen erreichte in demselben Jahre der Durch­schnittsverdienst eines Vollarbeiters in der Tabak- und Zigarren­industrie nur die Höhe von 574,75 Mt., das heißt, die Tabak­arbeiter sind um 44 Prozent ungünstiger gestellt als die übrigen Arbeiter Deutschlands  . Von dem Segen der letzten Hochkonjunktur haben die Tabatarbeiter wenig zu fosten bekommen für das Jahr 1900 betrug nämlich der Durchschnittsverdienst eines Boll arbeiters im allgemeinen 896,59 Mt., der Durchschnittsverdienst eines Tabatarbeiters 541,08 Mt.

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Während sich in der Periode der Hochkonjunktur der Industrie der Durchschnittsverdienst im allgemeinen um 131 Mt. pro Arbeiter steigerte, stieg er bei den Tabatarbeitern nur um 33,67 Mt.

Bei den so außerordentlich trüben Erwerbsverhältnissen der Tabatarbeiter, vor allem aber angesichts der in der Tabakindustrie so zahlreich beschäftigten Krüppel und schwächlichen Personen, die in feiner anderen Industrie Arbeit finden könnten, würde es geradezu eine grausame Härte sein, wenn der Reichstag durch Zustimmung zur Banderolensteuer oder irgend einer anderen Zoll­und Steuererhöhung andauernd große Arbeitslosigkeit für diese. armen Arbeiter bewirken und damit zu einer weiteren Verschlechte rung ihrer Erwerbsverhältnisse beitragen würde.

Der Tabatarbeiterkongreß erwartet aus den hier angeführten Gründen, daß der deutsche Reichstag nicht nur die Regierungs­vorlage, sondern jeglichen Vorschlag auf eine Mehrbelastung der Industrie durch erhöhte Zölle oder Steuern ablehnen wird.

Schließlich richtet der Tabatarbeiterkongreß an die deutsche Reichsregierung, an den Bundesrat und an den Reichstag   das dringende Ersuchen, im Interesse der in der Industrie tätigen zirka 200000 Arbeiter die Tabakindustrie vor den fortgesetzten Beuns ruhigungen durch immer neue Steuerprojekte zu bewahren.

Der Tabatarbeiterfongreß protestiert auf das entschiedenste bagegen, daß die in der Tabakindustrie beschäftigten Arbeiter, die, wie oben nachgewiesen, zu den mit am schlechtest entlohnten Ar­beitern gehören, noch neben den direkten und indirekten Steuern, durch welche sie verhältnismäßig in gleicher Weise zur Erhaltung bes Reiches beitragen wie alle übrigen Reichsangehörigen, auch noch darüber hinaus das Opfer der Existenz bringen sollen." W.K.

Aus der Bewegung.

Zur Beachtung!

Den Grundfäßen entsprechend, welche für die in Nürnberg   be­schlossene gemeinsame politische Organisation der Genossinnen und Genossen gelten, haben die Genofsinnen nicht mehr einen eigenen Agitationsfonds. Die Gelder, die sich am Schlusse des Jahres 1908 noch in den Händen der Unterzeichneten befanden, sind daher an den Kassierer der sozialdemokratischen Partei abgeliefert worden. Der Ablieferung ist eine genaue Prüfung aller Einnahmen und Ausgaben durch drei Revisorinnen vorangegangen, durch die Ge­nossinnen Wurm, zweiter Berliner   Wahlkreis, Dölt, vierter Wahl­freis, Lohse, sechster Wahlkreis. Dem Parteikassierer wurde der Raffenbestand im Betrage von 413 Mt. 24 Pf. übergeben. Die bei der Deutschen Bant deponierte Summe von 5413 Mt. 10 Pf., die für die Zwecke der proletarischen Frauenbewegung bestimmt ist, wurde ebenfalls auf den Parteikassierer übertragen.

Mit Parteigruß

Ottilie Baader  . Von der Agitation. Zu den am schwersten für die Organi­fationsidee zu gewinnenden Arbeiterkategorien gehören die An gestellten der Sanatorien und Irrenhäuser. Unter ihnen sind die Frauen in der Mehrzahl, die ja bekanntlich besonders zäh am Althergebrachten hängen und daher auch nur langsam für den Gedanken des Zusammenschlusses zugänglich werden. Daß jedoch auch hierin eine allmähliche Wandlung vor sich geht, haben die in dieser Hinsicht am niedrigsten eingeschätzten Dienstmädchen in den letzten Jahren durch ihre fortschreitende Organisierung bewiesen. Leider ist ein gleich erfreuliches Resultat von den Angestellten der städtischen Sanatorien und Irrenhäuser nicht zu verzeichnen, trog der regen Agitation, die seit zirka fünf Jahren in Hamburg  der Staats- und Gemeindearbeiterverband unter ihnen entfaltet. Gleich den Dienstmädchen sind diese Angestellten der Gesinde­ordnung unterworfen. Sie unterstehen außerdem einer Haus ordnung und einem Hausgericht" und sind einer täglichen, ja stündlichen drückenden Kontrolle ihrer Vorgesetzten und der von diesen Beeinflußten ausgesetzt. Die gänzliche Aussichtslosigkeit, ihre Tätigkeit in einen Beruf umzuwandeln, der ihnen Bes friedigung und eine Existenz gewährt, gibt die Erklärung für die Interesselosigkeit der Angestellten ihrer Lage gegenüber und

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für den Mangel an Solidarität und Klassenbewußtsein. Um die Angestellten aus ihrer verderblichen Gleichgültigkeit wieder einmal aufzurütteln, um ihnen ihre Pflicht, sich selbst und der ge samten Arbeiterschaft gegenüber, vor Augen zu halten, und vor allem, um ihnen das Ziel wieder ins Gedächtnis zu rufen, das sie sich stecken müssen: ihre Arbeit zu einer wirklichen Berufstätigkeit zu gestalten durch die Erkämpfung von Reformen auf der Basis bundesrätlicher Erlasse und durch ihre Unterstellung unter die Reichsgewerbeordnung, hielt der Staats- und Gemeindearbeiter verband am 6. Januar d. J. für alle Angestellten der städtischen Kranken- und Irrenhäuser eine öffentliche Versammlung in Winter. hude ab, in der Genoffin Brandenburg über das Thema referierte: ,, Was ist Solidarität?" Der Vortrag wurde mit Verständnis auf­genommen, wie die Diskussion ergab. Leider waren wenige der internen Angestellten erschienen, an die in erster Linie der Ruf er­gangen war. Doch, kein Baum fällt auf einen Hieb. Die Früchte unermüdlicher Agitation werden nicht ausbleiben.

Helene Brandenburg.

Gmünd. Am 10. Januar fand hier eine öffentliche Frauen­versammlung statt, in der Genossin Selinger über das Thema referierte: Die Frau in Knechtschaft und Freiheit". An der wirt schaftlichen und sozialen Stellung der Proletarierinnen und der Frauen der besitzenden Klasse zeigte die Rednerin, daß das weib­liche Geschlecht nicht eine einheitliche geschlossene Masse bildet. Der Gegensatz zwischen der ausgebeuteten und der ausbeutenden Klasse tommt auch in den Emanzipationsbestrebungen des weiblichen Ges schlechts zum Ausdruck. Die Frauen der besitzenden und herrschen­den Klasse fordern wohl die Gleichstellung von Mann und Weib, aber sie wollen die Ausbeutungs- und Herrschaftsmacht ihrer Klasse erhalten. Solange aber diese Macht besteht, wird die große Mehr­zahl der Frauen sozial gefnechtet und elend bleiben. Die Proles tarierinnen wissen, daß die Befreiung des gesamten weiblichen Ge schlechts nur möglich ist durch die Befreiung ihrer Klasse von Aus­beutung und Unterdrückung. Gegen die kapitalistische Gesellschaft als Trägerin dieser Ausbeutung richtet sich daher der erbitterte Kampf, den sie Seite an Seite mit ihren Klassengenossen führen. Die Waffen in diesem Kampfe sind gewerkschaftliche und politische Organisation. Mit ihrer Hilfe werden sich die Frauen des Prole tariats die Rechte erringen, die ihnen als Arbeiterinnen und Staats­bürgerinnen, als Frauen und Mütter zustehen. Mit der Aufforderung an die Anwesenden, an Stelle der bürgerlichen Schundliteratur die ,, Gleichheit" und die sozialistische Tagespresse zu lesen, wurde die gut besuchte Versammlung geschlossen.

Am 20. Januar tagte in Horstermark eine Frauenversammlung des sozialdemokratischen Vereins, die von vierzig Proletarierinnen besucht war. Genossin Endmann hielt ein Referat über das Thema Die Frau und die Politik". Sie verstand es, die Auf­merksamkeit der anwesenden Genossinnen auf ihre Ausführungen zu lenken, die mit großem Beifall aufgenommen wurden. Man sah es den Zuhörerinnen an, daß sie ihrer Ausbeutung satt sind. Sie versprachen ihrer Vertrauensperson, fräftig mitzuarbeiten an der Befreiung des Proletariats. Nach der Versammlung ließen sich mehrere Frauen in den sozialdemokratischen Verein aufnehmen. Maria Hohn.

Weimar  . Die weiblichen Mitglieder der Ortsgruppe des sozial demokratischen Vereins werden ersucht, am 8. Februar im Volks hause zwecks wichtiger Besprechung zu erscheinen. Ferner sei schon jezt darauf hingewiesen, daß es die Pflicht jeder Genossin ist, für einen starken Besuch der am 14. Februar stattfindenden Versamm­lung zu sorgen, in der Genossin Ziez- Berlin über die Frauen und die politische Lage sprechen wird.

Bericht der Kinderschuhkommission für Altona  - Ottensen  . Das Kinderschußgejezz dämmt bekanntlich die kapitalistische Aus­beutung der findlichen Arbeitskraft nur sehr wenig ein. Aber auch der gewährte minimale Schuß bleibt fast vollständig toter Buch stabe, weil so bitter wenig getan ist zur Überwachung des gelten. den Rechts. Deshalb sind die proletarischen Frauen auch in Altona  Ottensen   zu einer Kinderschutzkommission zusammengetreten, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, an der überwachung des Kinder­schuzes mitzuarbeiten. Wenn die Kommission erfährt, daß Kinder vorschriftswidrig beschäftigt werden, so macht sie die Eltern oder Arbeitgeber auf das Gesezwidrige ihres Tuns aufmerksam und sucht sie zu veranlassen, davon abzustehen. Die Eltern werden darauf hingewiesen, daß sie ihren Kindern durch die frühe Er werbstätigkeit die Jugend rauben, ihnen in ihrer törperlichen, geistigen und oft genug auch in ihrer Charakterentwicklung schaden, und daß sie sich obendrein in ihrem eigenen Fleisch und Blut Konkurrenten schaffen, die vom Unternehmertum als Lohndrücker ausgespielt werden. Nüzen diese Mahnungen nichts, so melden