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Die Gleichheit
verfolgende Macht, bis sie erschöpft und entkräftet zusammens brechen. Stoßweise lagen die Schwarzen Listen, dieses Denkmal unserer Zeiten Schande, auf den Tischen des Kongreßlokales aus. Schon vor Monaten hatte ein günstiger Wind die so sorgsam geheimgehaltenen Uriasbriefe dem Bergarbeiterverband auf den Schreibtisch geweht. Siedendheiß jagte die Empörung uns das Blut durch die Adern, als wir die Listen in die Finger nahmen, als wir Namen um Namen braver Bergleute lajen und uns sagten, so werden falten Blutes Tausende von Existenzen vernichtet, Tausende Familien zerstört, Tausende von Familien väter rubelos und existenzlos von Ort zu Ort gehezt, lediglich um den nimmersatten Profithunger der Grubenbarone zu stillen, ihrem Machtfizzel Genüge zu tun. Und auf den Schrei der Bergleute nach Gesezesschutz gegen diese Brutalität antwortet der preußische Minister des Innern mit einer Drohung, kündet er ein Ausnahmegesetz gegen die Arbeiterorganisationen.
Daß die Arbeiterschaft von der Regierung und den herrschen den Klassen auf fein Entgegenkommen zu rechnen hat, daß sie lediglich ihrer wachsenden Macht und Stärke, lediglich ihrem selbstgeführten Kampf wird zu danken haben, was sie an Nechten, was sie an Schutz für Leben und Gesundheit erreicht, hat zur Genüge gleichfalls der Kongreß gezeigt. Kein Vertreter der Regierung, fein Zentrumsmann, fein Konservativer war ers schienen, neben den sozialdemokratischen Land- und Reichstagsabgeordneten nur noch je ein freifinniger und ein nationalliberaler Abgeordneter. Und dabei fordern die Bergs leute nur das Notwendigste: ein Reichsberggese, felbft gewählte Arbeiterfontrolleure, die dem geltenden Recht Achtung verschaffen, und einen gesetzlichen Schutz gegen die Schwarzen Listen. Möchten doch alle Bergarbeiter, die ihrer Bergarbeiterorganisation und der sozialdemokratischen Partei noch ferne stehen, daraus lernen. Möchten doch vor allem auch alle Bergarbeiterfrauen daraus lernen, nämlich, baß alles, was Arbeiterkittel und jade trägt, zusammen zustehen hat, daß sie sich scharen müssen um die Fahne der freien Gewerkschaften und der sozialdemokratischen Partei, daß sie gemeinsam den Kampf zu führen haben gegen Ausbeutung und Knechtung und für die Befreiung der Arbeit. Unsere Bergarbeiterfrauen, sie durch leben im Geifte alle die Gefahren mit, die täglich ihren Gatten umlauern, sie bangen um seine Heimkehr, wenn er eingefahren, fte sehen im Geiste, wie er vielleicht verfrüppelt, verkohlt, ers fchlagen ins Haus gebracht wird. Sie bangen desgleichen darum, baß er abgelegt werden könnte, ruhelos von Ort zu Ort ges bezt und der Hunger seine Einkehr in die Familie hält; fie benten schaudernò der vielen Strafgelder, derentwegen sie und die Ihrigen darben und entbehren müssen, sie sind alle auf das tiefste empört ob dieser Zustände, sie haben alle den heißen Wunsch, daß es anders, besser werden möge. Nun wohlan, da sollen sie Hand anlegen und arbeiten, kämpfen helfen in den Reihen der organisierten Arbeiterschaft. Wir sind stark und mächtig auf Grund der Zahl unserer Köpfe, wenn wir einig sind. Darum lasset uns einig sein; der Kongreß, alle die bargelegten Leiden, die Behandlung der Bergknappen durch die Regierung und bürgerlichen Parteien, sie rufen es uns mit Donnerstimmen zu. Hören wir diese Stimmen und handeln banach. Luise Ziez.
Die Prometheussage.
Bon G. G.
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( Fortfegung.)
Wie die Gestalt der Themis , finden wir auch die der Jo im Prometheus des Aeschylos zum erstenmal in den Mythus aufgenommen. Jo, die schöne Priesterin der Hera in Argos, die Tochter des Königs Jnachos von Argos, wurde von Zeus ' Liebe bestürmt. Die eifersüchtige Hera verwandelte sie in eine Kuh, und in dieser Gestalt mußte fie, von einer Bremse vers folgt, auf der ganzen Erde herumirren. Sie wird von Aeschylos geschildert als die
Tochter Jnachos, die Zeus' Gemüt In Lieb' entflammt und die nun Heras Zorn Gewaltsam treibt in rubelose Flucht.""
Nr. 10
Jo erscheint hier, wie die Pandora im alten Mythus, als Personifikation der neuen Form der Ehe, und in ihren Leiden und Klagen sind die Leiden, Kämpfe und Widersprüche nicht zu verkennen, die den Übergang aus der altheiligen Form der fommunistischen Ehe unter Blutsverwandten in die Form der Einzelehe begleiteten, also den Übergang vom Mutterrecht zum Vaterrecht. Auch Bachofen weist auf diesen Zusammenhang hin, indem er betont, daß„ Aeschylos die liebeerregte Jo wohl durch Kilifien und Pamphylien, nicht aber nach Lytien gelangen läßt", wo das Mutterrecht sich bis in späte Zeiten erhalten hatte, wo diese Kämpfe und Widersprüche faum existierten.
Wie Prometheus flagt auch Jo das Regiment des neuen Gottes an, fie findet den Gefesselten als Schicksalsgenossen. Prometheus sagt ihr die Leiden voraus, die sie noch zu erdulden haben wird, und erklärt ihre und seine eigenen Dualen aus derselben Ursache:
„ Wie nun? Ist's ein Tyrann nicht, dieser Götterfönig? In allem gleich! Dies ird'sche Weib zu küssen, Das war sein Götterwillen! Nun verstößt er In solche Irren sie! Ein böser Freier,
D Jungfrau, ward zur Hochzeit dir zuteil!" Prometheus prophezeit, daß einer von Jo's Nachkommen seinen Retter hervorbringen werde, der ihn mit dem Willen des Zeus erlösen wird, also dann erst, wenn dessen Herrschaft befestigt ist, die Menschheit sich in die neue Ordnung gefunden hat.
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In dem Schauder und Entsetzen, die Jo vor der Ehe mit dem Gotte empfindet, und die sie zum Wahnsinn geführt haben, spüren wir den Abscheu der in die neue Gesellschaftsordnung Hineinwachsenden vor der neuen Form der Ehe, die sich mit ihr entwickelt. Hera , die in Eifersucht gegen Jo entbrennt, erscheint schon ganz als Vertreterin der Einzelehe in der Geschwisterehe hat es wohl kaum Eifersucht gegeben. Ebenso ist Zeus schon der Typus des bevorrechteten Mannes, dem diese Einzelehe nicht genügt und der noch außer der Ehe Genuß sucht. Die Ehe unter Blutsverwandten, die in den ältesten Zeiten des urwüchsigen Kommunismus selbstverständlich war, gilt hier schon als Frevel; in der Prometheus- Prophezeiung über die Leiden der Jo heißt es:
„ Das fünfte, fünfzigsprossige Geschlecht Kehrt wider Willen erst nach Argos heim, Ein Mädchenschwarm, die blutsverwandte Che Der Vettern fliehend." 5
Vor einer anderen Gefahr, die erst auf dem Boden der Klassenherrschaft erwachsen fonnte, fürchten sich die Okeaniden und warnen vor ihr, nämlich vor der Erfahrung, daß eine Ehe zwischen Hohen und Niederen nicht zum Glücke führt, sondern nur die niedrigstehende Frau ins Unglück stürzt. Wie ein Say der Herrenmoral des Kapitalismus, der heute noch Gültigkeit beanspruchen darf, flingt ein Ausspruch der ersten Okeanide: Allein das gleiche Bündnis führt zum Glücke,
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Drum nicht dem Brahler mit des Reichtums Schätzen, Dem Stolzen nicht auf abliges Geschlecht Sich zu vermählen trachte der Geringe!"
Nach ihrem langen qualvollen Umherirren im Wahnsinn soll Jo doch endlich in der Ehe mit Zeus , vor der sie sich so lange gescheut hat, ihre Erlösung finden. Die des Prometheus ist eng damit verknüpft, da einer von Jos Nachkommen ja sein Retter werden soll. In diesem Ehebund wird endlich die alte Ordnung ganz von der neuen besiegt, er fann aber auch zugleich als das Zeichen der Versöhnung der Gegensätze gelten. Prome theus meint, daß von ihm der Sturz des Zeus abhängig ist,