Nr." Die Gleichheit 165 was man tut und treibt, welcher offiziellen Veranstaltung zum Beispiel Frau Zt. beigewohnt, welche Bewunderung die bei dieser Gelegenheit getragene kostbare Toilette erregt hat usw. Die bürgerliche Journalistik kommt auf das bereitwilligste diesem Reklamebedürfnis entgegen, das meist der Eitelkeit, nicht selten aber auch dem Verlangen nach Steigerung des— Kredits ent- springt. Kennt sie doch ihr Publikum und weifi, was sie ihm bieten kann. Die bürgerliche Presse münzt es ans, daß sie ihren weiblichen Leserkreis in schwindelndes Entzücken zu ver« setzen vermag, wenn sie ihm die sogenannten„Großen" dieser Erde menschlich— wie der hübsche Ausdruck lautet— näher zu bringen versucht. Auf dieselben Kreise, die gedankenlos ihrer Sensationslust frönen, spekuliert auch die geschäftskundige Leitung jenes Bcr« liner Knnstgewerbehauses, zu dem jetzt die Damen der Bourgeoisie in hellen Scharen wallfahrten. Geschickt ist man hier dem in der Geschäftswelt wie in der feinen Gesellschaft vorhandenen Reklamebedürsnis entgegengekommen, und der Rücksicht darauf verdankt die vielgenannte Ausstellung„Die Dame in Kunst und Mode" ihre Entstehung. In fast sinnverwirrender Fülle und Mannigfaltigkeit sind in dieser Ausstellung all die zahllosen Luxusgegenstände zu sehen, die für die elegante und reiche Dame zu den selbstverständlichen Er- fordernissen eines standesgeniäßen Lebens gehören. Nicht nur die ersten Firnien Berlins haben diese Ausstellung beschickt, sondern auch eine große Zahl von Damen der Gesellschaft bis in ihre höchsten und allerhöchsten Spitzen hinauf haben Toi- lettcngegenstände aus ihrem persönlichen Gebrauch zur Schau ausgelegt. Neu und sensationell ist auch die Art, wie die Aus- stellungsgegenstände zu einem Gesamtbilde vereinigt sind. Auf prächtigen orientalischen Teppichen schreitet man durch eine Reihe von parfümierten Prunkgemächern, von kostbar aus- gestatteten Schlaf- und Toilettenzimmern, in denen alle die luxuriösen Bedarfsartikel der Weltdame zwanglos verteilt sind. Es soll der Eindruck erweckt werden, als befände man sich in ihrem Heim. Geöffnete Schränke zeigen Berge von spinnweb- feiner, spitzenbesetzter Wäsche; ans Wachsfiguren präsentieren sich die tief dekolletierten Gesellschaftskleider, die duftigen Ne- gligees, die Mäntel, Hüte und Pelzgarnituren, Dinge, die durchaus nicht immer schön sind, die aber stets das Teuerste und Seltenste vorstellen, was die Mode zurzeit kennt. Die Toi- lettentische zeigen alle die zahllosen zur Pflege des Haares, des Teints usw. bestimmten Gegenstände. Allein zur Nagelpflege der Weltdame gehören zirka zwanzig verschiedene Utensilien. ... Dazu denke man sich eine Unzahl von Fächern, Schuhen, Schirmen, Spazierstöcken, Spitzen von Kissen, Pompadours, Gürteln usw., viele der Gegenstände mit echten Brillanten ein- gelegt und besetzt. Was nur je miißige Laune zur Erhöhung des Schmuckes, zur Steigerung der Annehmlichkeiten des Müßig« ganges ersonnen, ist in der Ausstellung in erlesenem Material und apartesten Formen z» sehen. Alles ist vemeten, sogar Automobiltoiletten für— Hunde fehlen nicht. Millionenwerte repräsentieren die Schmucksachen allein. Eine Bankiersfrau hat aus ihren Schmuckbeständen ein Diadem und eine Halskette ausgestellt, die' einen Gesamtwert von 600000 Mk. haben. Wertvolle Damenporträts, von ersten Künstlern gemalt, schmücken die Wände der Gemächer, in denen sich die gaffende, staunende Menge vor all dem gleißenden Firlefanz schiebt und drängt. Soweit die Kunst hier vertreten ist, erscheint sie nur zu häufig zu einem Mittel degradiert, welches das Raffinement bis zur äußersten Möglichkeit steigern soll. So bietet diese in ihrer Zusammenstellung einzige Schau ein Bild von dem verschwenderischen Luxus, mit dem die dezenten Damen der oberen Zehntausend ihren Leib pflegen und her- richten, um schön zu erscheinen, das heißt so, wie die oft der ärgsten Unnatur huldigenden Gesetze der Mode es vor- schreiben. Was wir längst wußten, das bestätigt diese Schau- stellung mit zwingender Deutlichkeit: hinter all dem blendenden Glänze und Reichtum gähnt in dem Leben der Königinnen der Gesellschaft entsetzliche Leere und Hohlheit. Wie muß es in den Köpfen und Herzen derer aussehen, die einen solchen Kultus mit ihrer äußeren Erscheinung treiben! Hier erhält man ein Bild davon, wie eine dünne Oberschicht der Gesellschaft, Unsummen vergeudend und verprassend, mit tausend Nichtigkeiten die Zeit totschlägt. Was leisten diese so anspruchsvoll auttretenden Damen außer dem, daß sie sich elegant anziehen, repräsentieren, kokettieren, in einigen Künsten dilettieren? Nichts. Sie sind, um ein Wort Schopenhauers anzuwenden, die überflüssigsten Luxustierchen der Welt. Sie sind in Reinkultur gezüchtete Typen des„Weibchens". Was weiß man in den exklusiven Kreisen dieser gesellschaft- lichcn Drohnen von dem licht- und freudearmen Leben der großen Masse? Haben sie ein Ohr für den Schrei der Qual, der aus der Tiefe gellt? In dieser Welt, die sich hochtrabend die„große" nennt, und die doch so eng und kleinlich ist, glaubt man seinen sozialen Pflichten zu genügen, indem man sich an Wohltätig- keitsbasaren und-festen beteiligt und sich damit bewußt und unbewußt auf das Gebiet des höheren Humbugs begibt. Auch die Ausstellung„Die Dame in Kunst und Mode' drapiert sich mit dem fadenscheinigen Mäntelchen des wohl- tätigen Zweckes. Sie will durchaus nicht nur ein„Jahrmarkt der Eitelkeit" sein, sondern ihr„Ertrag" soll— man denke! — den Erholungshäusern für Heimarbeiterinnen zu- gute kommen.„Wie edel!" sagt die bürgerliche Presse.„Dieser Luxus hat doch auch sein Gutes; denn seine Befriedigung bringt den Heimarbeiterinnen Arbeit und bald bessere Löhne, und schließlich winkt ihnen auch Erholung nach der Arbeit!" So findet Schmock sich in linksliberalen Blättern mit den pein- lichcn Gegensätzen ab, welche die äußerliche Zusammenstellung der Worte„Dame" und„Heimarbeiterin" unweigerlich herauf- beschwört. Das„Interieur" und der„Trousseau" einer Heimarbeiterin neben den Wohnräumen und Ausstattungsgegenständen der eleganten Dame öffentlich zur Schau gestellt: schreiendere Kon- traste von aufreizenderer Wirkung ließen sich nicht denken. Hier die im schwelgerischen Überfluß dahinlebende Drohne, dort die emsigste aller Arbeitsbienen in einer Welt deS Jammers und Elends! Doch nicht lange mehr wird die Gesellschaft so unüber- brückbare Gegensätze in sich vereinigen. Unablässig kämpfen die arbeitenden, ausgebeuteten Massen, um sie zu überwinden. Und wenn die Dame einst zu den Kuriositäten einer längst ver- gangenen Zeit gehören wird, dann wird auch die dirnenhafte über- und Scheinkultur einer kleinen Zahl von reichen Nichts- tuem einer wahren Kultur Platz gemacht haben, die Gemeingut aller ist._____ M. Kt. Die Prometheussage. Von G. G.(Tchluß.l Welcker(Griechische Mythologie , I, S. 760 bis 763) sagt am Anfang seines„Prometheus ":„Um den Charakter des Prometheus im Drama(des Aeschylos, der Verf.) zu fassen, ist es nötig, das Verhältnis oder die Regierung des Zeus zu würdigen. Die Regierung, durch einen Sieg im Kampfe er- worden, ist eine Tyrannis, wie Kratos sie nennt.... Der von den Göttern besuchte Hof des Zeus und manches in der Art, wie Hephästos und Hermes ihre Aufträge ausrichten, sind feine Züge zu dem Bilde eines unverantwortlichen Selbstherrschers der Wirklichkeit." Hier hat Welcker den Zusammenhang ge- ahnt und angedeutet, der zwischen der erdichteten Götterwelt und der Wirklichkeit besteht. Aber seine weiteren Ausführungen zeigen, daß er weit entfernt davon ist, den Mythus als ein Spiegelbild des Lebens aufzufassen und aus den konkreten Tatsachen heraus die Idee zu entwickeln. Umgekehrt nimmt er wie auch Bachofen die Ideenwelt des Menschen als selbständigen, alleinbewegenden Faktor an, der bestimmend auf die Entwicklung des gesellschaftlichen Lebens, der Gebräuche und Sitten einwirkt. Welcker führt an, daß diese Mythen einen üblen Einfluß gehabt hätten auf das Be- tragen der Kinder gegen die Eltern(Platon ), auf die religiöse Denkart und die neueren philosophischen Schriften; daß bei
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20 (1.3.1909) 11
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