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Die Gleichheit
machern 36,0, bei den Knopfarbeitern 33,9 und bei den Spielwarenarbeitern 32,8 Arbeiterinnen. Diese Zahlen zeigen, daß in den genannten Berufen die gesamten Arbeitsverhältnisse durch die Frauenarbeit beeinflußt werden. Und zwar sicher nicht im günstigen Sinne. Sehr richtig wird dar über von dem Bearbeiter der Statistik gesagt:„ Die Frau ist naturgemäß ein willfährigeres Ausbeutungsobjeft als der Mann; da ihr Verdienst meist nur einen Zuschuß zu dem des Mannes oder zu den elterlichen Haushaltungskosten darstellt, begnügt sie sich auch leichter mit einem niederen Lohn. Wenn auch ihre Arbeitskraft den männlichen Berufsgenossen nicht ganz zu verdrängen vermag, beherrscht sie doch bald einzelne Zweige der Produktion; diejenigen, die mehr Geschicklichkeit und Fingerfertigkeit wie förperliche Kraft beanspruchen."
In einzelnen Berufszweigen sind diese Vorbedingungen in besonders hohem Maße gegeben. Go ermöglicht es beispiels weise in der Nürnberger Bleistiftindustrie eine bis ins fleinste durchgeführte Arbeitsteilung in fast allen Abteilungen, weibliche Arbeitskräfte zum Teil vorzugsweise und sogar aus schließlich zu beschäftigen. Von 1820 durch die Statistik erfaßten beschäftigten Personen waren mehr als die Hälfte Arbeiterinnen. Auf 100 erwachsene männliche Arbeitskräfte entfielen 119,4 weibliche Personen. In der Bleistiftindustrie hat ber Holzarbeiterverband seit Jahren schon Eingang gefunden. Ein erheblicher Teil der in ihr beschäftigten Arbeiter sind or ganisiert. Und obwohl gerade hier der Verband wiederholt für die Verbesserung der Arbeitsverhältnisse Sorge getragen hat, müssen sich die männlichen Arbeiter doch mit einem durch schnittlichen Wochenverdienst von 19,37 Mt., die weiblichen mit einem solchen von 11,27 Mt. begnügen.
Nicht anders liegen die Verhältnisse in der Bürsten- und Pinselindustrie, die ebenfalls in Nürnberg einen ihrer
Hauptsize hat. In dieser Stadt entfielen auf 473 erwachsene
männliche Pinselmacher 675 Arbeiterinnen, das heißt auf je 100 männliche Arbeiter kommen 142,7 Arbeiterinnen. In den Betrieben der Nürnberger Pinselindustrie ist die Frauenarbeit in ständiger Zunahme begriffen; nach und nach beherrscht sie hier auch Arbeitszweige, die früher ausschließlich von Männern besetzt waren. Wohl nicht mit Unrecht wird darüber geflagt, daß dieses Eindringen der billigeren Arbeitskräfte die Verbesses rung der Arbeitsverhältnisse unendlich erschwere. Sind doch bie Lohnverhältnisse der Bürstenmacher recht unbefriedigende. In Nürnberg ist immerhin der Durchschnittsverdienst der Pinselmacher von 20,21 Mt. im Jahre 1902 auf 22,20 Mt. in 1906, also in vier Jahren um 1,99 Mt. gestiegen. Hier hat sich die gute Organisation für die Arbeiter gelohnt. Der Gesamtdurch schnitt des Lohnes für die Arbeiterinnen erreichte in den be teiligten Betrieben die Höhe von 10,92 Mt. Auch in anderen Branchen wird der Verdienst der männlichen Arbeiter durch die Frauenarbeit ungünstig beeinflußt, so daß die Löhne unter dem Gesamtdurchschnitt bleiben.
Bon besonderem Interesse ist die Feststellung, daß die große Mehrzahl der Arbeiterinnen Affordarbeit verrichten müssen. Die Erklärung hierfür ist sehr einfach. Der größte Teil der Arbeiterinnen wird gerade von den Berufszweigen beschäftigt, in denen die Arbeitsteilung bis ins kleinste durchgeführt ist, und die in der Folge die Affordarbeit bevorzugen. Fast durch weg ist der Verdienst im Afford größer wie bei Zeitlohn, für die Gesamtheit der Beteiligten übertrifft er den letzteren um 1,59 Mt. wöchentlich.
Im ganzen hat sich die Lage der Arbeiterinnen in den letzten Jahren verbessert. Ihr Durchschnittsverdienst betrug im Jahre
1897
1902
1906
8,38 Mr. 9,03 Mr. 10,39 Mr. Prozentual ist die Lohnsteigerung um ein Geringes hinter der für die männlichen Arbeiter zurückgeblieben; für diese beträgt fie feit 1902 15,6 Prozent und feit 1897 26,2 Prozent, für die Arbeiterinnen aber nur 15,1 resp. 24 Prozent. Immerhin verdienen die erzielten Verbesserungen, die nur der Organisation zu danken sind, ernste Beachtung. Sind sie doch unter den denkbar ungünstigsten Verhältnissen errungen worden.
Nr. 11
Wie ungünstig im übrigen die Lohnverhältnisse der Arbeite rinnen noch sind, ersehen wir, wenn wir das umfangreiche Tabellenwerk der Statistik einer näheren Durchsicht unterziehen. Gs betrugen die höchften und niedrigsten Durchschnittsverdienste der Arbeiterinnen in der Tischlerei in München 19,00 Mt., Lübbenau 6,71; Musikinstrumentenbranche in Berlin 14,21, Eilenburg 7,98; Stuhlbranche in Dresden 16,42, Gerings walde 7,67; Uhrgehäusebranche in Schramberg 11,62, Frei burg i. Schl. 7,54; Nähmaschinenbranche in Berlin 17,00, Kaiserslautern 9,68; den Holzwarenfabriken in Warne münde 11,97, Spiegelau 5,43; Sägewerken in Dachau 9,00, Gelb 5,28; der Drechslerbranche in Hannover 12,50, Suh! 5,83; Stockbranche in Hamburg 12,75, Driesen 6,83; Knopfbranche in Berlin 12,27, Frankenhausen 5,98; Kammbranche in Berlin 13,98, Bensheim 7,82; bei den Bürstenmachern in Lauf 12,55, Jauer 4,31; Korbmachern in Hamburg 16,92, Corbetha 6,33; Kortschneidern in Hamburg 10,93, Biele feld 6,60; Vergoldern in Berlin 17,14, Amberg 8,00; Kistenmachern in Bünde 15,12, Frankenberg 7,50; Spielwarenarbeitern in Saalfeld 10,60, Grünhainichen 8,25; Diversen in Bremen 12,92, Wurzbach 6,64 Mr.
Alles in allem genommen ist es fein erfreuliches Bild, das diese Angaben über die Lage der Arbeiterinnen in der Holzindustrie entrollen. Der Organisation bleibt noch viele viele Arbeit, will sie einigermaßen erträgliche Verhältnisse für die Arbeiterinnen schaffen. Und sie wird sich dieser Aufgabe mit dem größten Eifer widmen müssen, soll sich der schädliche Einfluß der Frauenarbeit oder richtiger gesagt der niedrigen Löhne der Arbeiterinnen auf das Gewerbe nicht noch mehr bemerkbar machen. E. D.
Aufzeichnungen eines Dienstmädchens.*
Ostern werden es sechs Jahve, daß meine Eltern mir eine Stel
lung bei fremden Leuten suchten, um endlich einen Koftgänger los zu werden. Eine Ausstattung an Kleidern und Wäsche, wie sie sogenannte feine Herrschaften verlangen, konnten sie mir nicht geben. Mein Vater, ein Möbeltischler, war zwar tüchtig in seinem Fach, aber er litt seit Jahren an der Proletarierfrankheit, und fünf jüngere Geschwister wollten daheim versorgt sein! Da ging es natürlich fnapp her.
Ich hatte in der Schule viel Talent zu Handarbeiten gezeigt und war dafür in meinem Abgangszeugnis, das in allen Fächern ,, recht gut" aufwies, mit der Note 1 bedacht worden. Das ver anlaßte wohl den Schneidermeister X., mich troß meines noch recht findlichen wie auch dürftigen Aussehens für häusliche Dienste zu mieten. Ich bekam 30 Taler pro Jahr und hatte dafür bald so ziemlich alle häuslichen Obliegenheiten wie auch die Pflege der ein, dreis und vierjährigen Kinder allein zu übernehmen. Die Frau des Hauses mußte ihrem Manne einen Gesellen ersetzen. Nicht lange dauerte es, so hatte man entdeckt, daß ich eine sehr geschickte Hand" hatte, und diese wiederholte, wohlberechnete Bes teuerung schmeichelte meiner findlichen Eitelkeit. Ich setzte meinen Stola darin, hin und wieder ein solches Lob zu ernten, und strengte deshalb meine unentwickelten, schwachen Kräfte aufs äußerste an. War schon bei uns im Hause Schmalhans stets Küchenmeister gewesen, so brauchte ich jetzt nicht aus der Gewohnheit zu kommen, nach seinem Speisezettel zu leben. Die Ernährung in der Familie war eine sehr ungenügende, zeitweilig aus wirklichem Mangel das Los aller kleinen, unbemittelten Meister-, dann wieder, weil Teine Zeit zum regelmäßigen ordentlichen Essentochen verblieb. Da die Herrschaft jedoch gut zu mir war, ließ ich gern meine Kräfte bis aufs äußerste ausnutzen. Unter steter Arbeit kam das liebe Weihnachtsfest immer näher. Da wurde mir eines Tages unter großem Bedauern erflärt, die Familie könne sich fein Mädchen mehr halten. Armseliger, als da ich den Dienst angetreten hatte, stand ich neun Tage vor Weihnachten auf der Straße. Ich hatte mich zu sehr auf das schöne Weihnachtsgeschent" gefreut, das mir
"
* Diese schlichte und doch eindringliche Schilderung ist uns aus den Kreisen der organisierten Dienstmädchen zugegangen. Sie zeichnet nicht Fällen wiederholt, fie ift gleichzeitig auch ein trefflicher Gegenbeweis gegen bloß ein Stüd Lebensschicksal, das sich ähnlich in vielen Tausenden von das Gerede gewiffer bürgerlicher Dienstbotenfreunde" von dem niedrigen Niveau der Mädchen.