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Die Gleichheit

öffentliche Frauenversammlung stattfindet, die möglichst schon um 10 Uhr beendet sein soll, damit viele Frauen imstande sind, sie zu besuchen. Auch auf die in Aussicht genommene Agitation für die ,, Gleichheit" ward aufmerksam gemacht, und die Genosfinnen wurden aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, daß bald die Zahl der Gleichheit"-Leserinnen wenigstens mit der Zahl der weiblichen Mitglieder des sozialdemokratischen Vereins harmoniert, die schon das fünfte Hundert erreicht hat. Zum Schlusse erfolgte noch ein Hinweis auf die jetzt stattfindenden unentgeltlichen Fisch­tochkurse, zu denen der Magistrat die sieben Breslauer Koch­schulen sowie die dazu nötigen Materialien kostenfrei zur Ver­fügung stellt. Auch ist es den an den Kursen teilnehmenden Frauen gestattet, die Gerichte nach sachgemäßer Zubereitung mit nach Hause zu nehmen. Zu den Kursen, die am 3. Februar ihren An­fang genommen haben, waren bis zum Tage der Versammlung bereits über 1200 Anmeldungen eingegangen, die der Reihenfolge des Eingangs nach Berücksichtigung finden. In einem Kursus fönnen gleichzeitig 220 Frauen praktische Anleitung erhalten. Jede Frau erhält unentgeltlich ein kleines Kochbuch, in dem die Zu­sammenstellung von Fisch- und Gemüsespeisen angegeben ist. Rfls.

Am 11. Februar fand in Stettin eine öffentliche Frauenversamm­lung statt, die den Zweck hatte, den proletarischen Frauen die Nots wendigkeit ihrer politischen Organisierung flar zu machen und sie dem Wahlverein zuzuführen. Genossin Ziez- Berlin referierte über das Thema: Die Frau im politischen Kampfe". In überzeugender Weise bewies sie, daß die Frauen großes Interesse am politischen Leben haben müssen. Sie machte darauf aufmerksam, daß die Proletarierinnen heute meist gezwungen sind, für den Lebensunter­halt der Familie mitzuarbeiten und weit mehr noch als der Mann fapitalistisch ausgebeutet werden. Um gegen diese Ausnutzung an­zufämpfen, die nicht vor der Gesundheit und dem Leben des Arbei­tenden Halt macht, wie die Unfallstatistik am treffendsten beweist, um Brot und Freiheit für die Hungernden und Rechtlosen zu erobern, wäre der Zusammenschluß der Ausgebeuteten unbedingt erforderlich. Mit stürmischem Beifall dankten die Anwesenden der Referentin für ihre vortrefflichen Ausführungen. Nach dem Referat fand eine Pause statt, in der viele Genossen und Genossinnen unter den Zu­hörern Mitglieder für die Partei warben. Das Resultat war übers raschend: 100 Frauen traten ihr bei. Als die Versammlungsleiterin, Genoffin Horn, vor der Eröffnung der Diskussion das Ergebnis bekannt gab, erschallte ein allgemeines Bravo. Nachdem Genossin Horn in der Debatte gesprochen hatte, ermahnte Genoffin Ziez die Neuaufgenommenen in ihrem Schlußwort, treue und werbende Mitglieder der Partei zu werden und zu bleiben. Mit einem brausenden Hoch auf das freie Wahlrecht wurde die prächtige Ver fammlung geschlossen. Berta Horn. Jahresbericht über die Tätigkeit der politisch organisierten Frauen in Stuttgart . Über die Mittel und Wege, die Frauen­bewegung in Fluß zu bringen, berieten im März vorigen Jahres die weiblichen Mitglieder des sozialdemokratischen Vereins in einer besonderen Sigung, welche dessen Vorsitzender einberufen hatte.. Nach einem furzen einleitenden Referat von Genossin Dunder und eingehenden Erörterungen wurde beschlossen, Flugblätter zu verteilen und öffentliche Versammlungen zu veranstalten. In drei solchen gut besuchten Versammlungen referierten die Genossinnen Dunder, Grünberg und Fahrenwald und führten der Partei durch ihre wirksamen Ausführungen weibliche Mitglieder

Eine geschlossene Versammlung der politisch organisierten Frauen nahm Stellung zur Nürnberger Konferenz der Genossinnen und delegierte Genossin Müller zu ihr, die später in einer zweiten folchen Zusammentunft Bericht von der Konferenz erstattete.- Unter Genossin Dunckers Leitung wurden für die Genossinnen besondere Diskussionsabende abgehalten, die im Sommer alle vier Wochen, im Winter alle vierzehn Tage stattfanden. An den ersten Abenden wurden die grundsätzlichen und taktischen Unterschiede zwischen der proletarischen und der bürgerlichen Frauen­bewegung erörtert. Später wurde die Tagesordnung der Nürn berger Frauenkonferenz sehr lebhaft debattiert. Dann kamen die Aufgaben der Gewerkschaftsbewegung zur Erörterung. Seither ist das sozialdemokratische Programm Gegenstand der Besprechung und wird uns jedenfalls den ganzen Winter beschäftigen. Die Ge­nofsinnen arbeiteten fleißig, um auch in Stuttgart mit Unterstützung der Arbeiterorganisationen eine Dienstbotenbewegung ins Leben zu rufen. Durch Versammlungen, Flugblattverteilungen und Haus­agitation wurden die Dienenden aufgerüttelt. Eine Dienstboten­organisation fonnte konstituiert werden, die durch Genossin Vor hölzer auf der Berliner Konferenz zur Gründung des Ben tralverbandes der Hausangestellten vertreten war. In einem Bir­fular forderte die Vertrauensperson die Frauen der in der Partei

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und Gewerkschaft tätigen Genossen auf, soweit sie noch nicht poli­tisch organisiert seien, der Sozialdemokratie als Mitglieder beizu­treten. Der Erfolg war jedoch leider ein äußerst geringer, und die Außerungen, welche die Genossinnen beim Abholen der Beitritts­formulare zu hören bekamen, waren charakteristisch für die spieß­bürgerlichen Anschauungen, welche noch in manchen Frauenköpfen herrschen. Der greifbare Erfolg, den die Genossinnen mit ihrer Arbeit des ganzen Jahres erzielten, besteht in 53 neu gewonnenen weiblichen Parteimitgliedern. Die Zahl der politisch organisierten Frauen ist von 77 auf 130 gestiegen. Die letzte Generalversamm­lung des sozialdemokratischen Vereins Stuttgart , die Anfang Fe bruar stattgefunden hat, beschloß, daß eine Genoffin zu den internen Beratungen der Vereinsleitung hinzuzuziehen sei. Dadurch wird ein besseres, systematischeres Arbeiten Hand in Hand mit den Ge­nossen möglich werden. Ein Antrag, den Beitrag der weiblichen Mitglieder von 30 Pf. auf 20 Pf. herabzusehen und dafür die ,, Gleichheit" nicht mehr obligatorisch zu liefern, wurde abgelehnt. Die Stuttgarter Genossinnen haben bei ihrer Werbearbeit unter den Frauen des werktätigen Volkes mancherlei Hindernisse zu über­winden, an deren Vorhandensein man in einer Großstadt kaum denken sollte. Die industrielle Entwicklung Württembergs hat ver­hältnismäßig spät eingefeßt, und ein großer Teil des Proletariats kommt aus bäuerlichen oder kleinbürgerlichen Verhältnissen. Die Folge davon ist, daß bürgerliche, rückständige Anschauungen, zumal in dem Fühlen und Denken der Frauen, festgewurzelt sind. Die Volksschulverhältnisse sind traurig, und gerade in Stuttgart stehen viele Frauen im Banne eines mächtigen protestantischen Mucker­tums. So liegt ein großes Brachfeld vor den Genossinnen und fordert intensive Arbeit von ihnen. Mit neuen Hoffnungen und frischem Mute nehmen sie diese Arbeit auf. Vorwärts! L. M.

Schützet die Kinder vor Ausbeutung.

Genossinnen, wir erinnern euch an die Beschlüsse der Frauen­konferenzen in Bremen und Mannheim , sowie an den Beschluß des Mannheimer Parteitags, die euch die Pflicht auferlegten, über die Beachtung und Durchführung des Kinderschutzgesetzes nach besten Kräften zu wachen. Wo von den bestehenden Partei- und Gewerkschaftsorganisationen Kinderschußkommissionen ge­gründet sind und gegründet werden, ist deren Wirksam keit auf das nachdrücklichste von euch zu unterstüßen, ins dem ihren Mitgliedern Mitteilung zu machen ist, wo die gesetz­widrige Beschäftigung von Kindern beobachtet wurde. Um feststellen zu können, wann und wo solche Gesezesübertretungen erfolgen, ist es notwendig, daß unsere Genossinnen sich die wichtigsten Be stimmungen des Kinderschutzgesezes einprägen. Außerdem wäre es ratsam, wenn unsere Genossinnen im Einverständnis mit der örtlichen Parteileitung sich in ihren Diskussions- und Lefeabenden mit der Frage der Kinderarbeit und des gesetzlichen Kinderschutzes beschäftigen würden.

Die Broschüre von Genossin Käte Duncker : Die Kinder­erwerbsarbeit und ihre Bekämpfung", die in jeder Parteibuchhandlung zum Preise von 40 Pf. zu haben ist, eignet sich vorzüglich als Grundlage der Diskussion. Sie macht die Ge­nossinnen mit dem geltenden Recht in dieser Frage vertraut und gibt ihnen, vollständige Klarheit über die schädlichen Folgen, welche die Erwerbsarbeit der Kinder sowohl in bezug auf die körperliche und geistige als auch in bezug auf die Charakterentwicklung der Jugend zeitigt. Dazu kommt noch, daß die ausgebeutete Kinder­arbeit, die Innigkeit des Familienlebens zerstört und den Er­wachsenen Schmutzkonkurrenz macht; die Kinder werden zu Lohns drückern der Eltern.

Haben unsere Genossinnen selbst all diese Schäden flar erkannt, so sind sie auch befähigt, die gewonnene Erkenntnis weiteren Kreisen zu vermitteln, und zwar sowohl durch die öffentliche als auch durch die persönliche Agitation. Damit aber lösen sie eine uns obliegende Aufgabe: die öffentliche Meinung in steigendem Maße gegen die Kinderarbeit aufzustacheln.

Wir fassen zum Schlusse nochmals zusammen, was Pflicht unserer Genossinnen in dieser wichtigen Sache ist.

1. Dort wo von den örtlichen Organisationen des Proletariats Kinderschutzkommissionen gegründet werden, denen Frauen als Mit­glieder angehören sollen, diesen Vertrauensposten anzunehmen und mit Eifer und Gewissenhaftigkeit des übertragenen Amtes zu walten. 2. Allerorts die bestehenden Kinderschußkommissionen in der oben angegebenen Weise energisch zu unterstützen.

3. Sich selbst zu informieren über das Wesen und die Folgen der Kindererwerbsarbeit, sowie über das Kinderschutzgesetz und die so gesammelten Kenntnisse immer größeren Kreisen zu vermitteln. Arbeiten die Genossinnen überall in dieser Weise, unterstüßen sie