Nr. 18
19. Jahrgang
Die Gleichheit
Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen
Mit den Beilagen: Für unsere Mütter und Hausfrauen und Für unsere Kinder
Die Gleichheit erscheint alle vierzehn Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Poft vierteljährlich ohne Bestellgeld 55 Pfennig; unter Kreuzband 85 Pfennig.
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Jahres- Abonnement 2,60 Mart.
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Inhaltsverzeichnis.
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7. Juni 1909
Der Mutterschutz in der Krankenversicherung der Reichsversicherungsordnung. Von Luise Zietz . Der Schutz der Heimarbeiter in der Reichstagstommission. II. Bon gh. Der Londoner Kongreß des Weltbundes für Frauenstimmrecht. Steigerung der Frauenarbeit in Bayern . Von ad. br. Theaterelend. Von Hermann Wendel . Der fünfte Kongreß der Krankenkassen Deutschlands . Von Luise Zietz . Aus der Bewegung: Dem Kämpfer gegen den Militarismus zum Gruß. Von der Agitation. Gewerk Politische Rundschau. Von H., B. schaftliche Rundschau. Genossenschaftliche Rundschau. Von H. Fl. Notizenteil: Dienstbotenfrage.- Frauenarbeit auf dem Gebiet der Industrie, des Handels- und Verkehrswesens.- Frauenbewegung.
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Der Mutterschuß
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Zuschriften an die Redaktion der Gleichheit find zu richten an Frau Klara Zetkin ( 3undel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bei Stuttgart . Die Expedition befindet sich in Stuttgart , Furtbach- Straße 12.
auf sein Menschen- und Muttertum, vielmehr nur Bedacht hat auf die Erzielung eines möglichst hohen Profites.
Die Statistiken der Krankenkassen reden eine furchtbare Sprache, die uns erzählt von quälenden Unterleibsleiden, wun den Füßen und Beinen, schmerzhaften Operationen, oft lebenslangem Siechtum, kurz von Krankheiten und Beschwerden, die eine Folge mangelnden Mutterschutzes sind. Und die Säug lingssterblichkeit, die in Deutschland nächst Rußland und Öster reich mit 20,7 Prozent die höchste ist in Europa , bildet das schauerliche Gegenstück zu der noch keineswegs vollkommenen Statistik der furchtbaren Frauenleiden. Die Erfüllung unserer Forderungen würde sehr vieles ändern und bessern, wenn auch feineswegs alles. Wir sind uns vielmehr voll bewußt, daß das, was wir fordern, nur das Minimum dessen ist, was not tut. Und sogar um die Durchführung dieses Minimums wird es
in der Krankenversicherung der Reichs- noch heiße Kämpfe sezen! Das Ideal einer Mutter- und
versicherungsordnung.
In Nr. 17 der„ Gleichheit" finden unsere Genossinnen bereits eine Gegenüberstellung unserer Mutterschutzforderungen und der Mutterschutzbestimmungen der jüngst veröffentlichten Reichsversicherungsordnung. Der Unterschied zwischen dem dort Gebotenen und dem von uns als Minimum Geforderten zeigt flärlich, wie wenig man in Regierungskreisen gesonnen ist, Durchgreifendes zum Schuhe von Leben und Gesundheit der proletarischen und kleinbürgerlichen Mütter und Säuglinge zu tun.
Dabei haben aber just in der Gegenwart die Frauen mehr denn je einen Anspruch auf durchgreifenden Mutterschutz. Immer stärker schwillt die Zahl jener Frauen und Mädchen an, die durch des Lebens Not getrieben werden, erwerbstätig zu sein. Die Ergebnisse der letzten Berufs- und Gewerbezählung bestätigen dies aufs neue. Immer größer wird die Zahl der Frauen und Mädchen, die durch ihrer Hände und ihres Kopfes Arbeit all jene Produkte hervorbringen, die zur Erhaltung und Fortentwicklung unserer Gesellschaft notwendig find. Im Wirtschafts- und Geistesleben der Völker bildet die Frauenarbeit in steigendem Maße einen wichtigen, unentbehrlichen Faktor. Jedoch nicht nur durch ihre Erwerbsarbeit, nicht nur durch ihre Betätigung auf dem Gebiete der Kunst und Wissenschaft, auch gleicher maßen durch die Erfüllung ihrer Mutterpflichten leisten die Frauen der Gesellschaft einen höchst zu bewertenden Dienst, denn diese Pflichten gelten der Fortpflanzung, der Erhal tung der Art, gelten der Reproduzierung des lebendigen Menschen und zukünftigen Arbeiters. Um so mehr liegt es daher nicht nur in ihrem persönlichen Interesse, sondern auch in dem der Gesellschaft, daß ihre Gesundheit erhalten bleibt als Grundlage ihrer Arbeitsfähigkeit wie der Fähigkeit, Mütter gesunder Kinder zu werden.
Aber gerade die Erwerbstätigkeit in Verbindung mit der Mutterschaft ist es, die in hohem Maße die Gefahren für Leben und Gesundheit des Weibes erhöht, weil das Kapital, in dessen Dienst es mit Hand oder Hirn frondet, nicht Rücksicht nimmt
Säuglingsfürsorge wird auch nimmer unter dem Kapitalismus erreicht werden, sondern erst im Sozialismus, wenn die Produktion von Menschen höher bewertet wird, denn die Produktion von Häuten und Stiefeln. Aber das von uns ge forderte Minimum könnte sogleich durchgeführt werden. Wir sehen heute davon ab, die Forderungen näher zu beleuch ten, die einen Ausbau des Arbeiterinnenschutzes heischen, sowie jene, deren Erfüllung den Gemeinden obliegt, wir wollen viel mehr nur die Gruppe von ihnen in den Vordergrund der Dis kussion rücken, die beim Ausbau der Krankenversiche rungsgesehgebung ihre Erfüllung finden müssen. Und was verlangen wir da, das nicht sofort erfüllt werden könnte?
Beginnen wir mit unserer Forderung, die die Ausdehnung der Krankenversicherungspflicht verlangt auf alle lohnarbeitenden Frauen, auf die landwirtschaftlichen Arbeiterinnen, Dienst boten, Heimarbeiterinnen sowie alle Frauen, deren Familien einkommen 3000 MF. nicht übersteigt. Die Reichsversiche rungsvorlage sieht die Einbeziehung der von uns besonders aufgeführten Arbeiterinnenkategorien in die Krankenversicherung vor; soweit sie in Betracht kommen, wird also unsere Forde rung erfüllt. Wir sehen in unserer heutigen Besprechung da von ab, daß die Versicherung dieser Schichten erfolgen soll in neuzugründenden Landkrankenkassen ohne Selbstverwal tung. Das fordert natürlich unseren schärfsten Protest heraus. Wir werden dazu wie zu anderen Einzelheiten demnächst Stellung nehmen.
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Betrachten wir aber heute noch weiter den Kreis der Personen, denen die Versicherung zugute kommen soll. Da fällt sofort ein großer Mangel der Regierungsvorlage ins Auge. Sie steht die Versicherungspflicht außer für Arbeiter und Arbeiterinnen im engeren Sinne nur vor für jene erwerbstätigen Personen, deren Einkommen 2000 m. nicht übersteigt. Die Schichten der erwerbstätigen Bevölkerung, die durch diese Ein schränkung von der Versicherung ausgeschlossen werden, rekru tieren sich aus den Reihen des Kleinbürgertums und der bürgerlichen Intelligenz, von denen sehr viele seit langem schon und ganz mit Recht die Versicherungspflicht fordern. Arbeiter mit mehr als 2000 Mt. Einkommen unterliegen der Versicherungs