Nr. 18

Die Gleichheit

sationen dem Weltbund" als Mitglieder angehören können. Es bestätigt, was wir weiter oben schrieben, daß die Aus­einandersetzung nicht durch einen Vorstoß der Radikalen" für das allgemeine Wahlrecht ausgelöst wurde, vielmehr durch einen Antrag von rechts her, welcher den Mitgliedern des Welt­bundes" das Eintreten für eine wirkliche, ernste Demokrati­sierung des politischen Lebens wehren sollte. Seine Urheberin war Mrs. Fawcett, eine der ältesten Führerinnen der eng­lischen Frauenrechtlerinnen, eine entschiedene Anhängerin des fonservativen Flügels des bürgerlichen Liberalismus. Sie be­antragte, daß dem Weltbund" in Zukunft nur solche nationalen Verbände angehören dürften, welche die Erringung des Frauen­wahlrechts als einziges Ziel verfolgen, und zwar des Frauen­wahlrechts zu den gleichen Bedingungen, wie es für die Männer besteht. Man weiß, was diese Fassung bedeutet. Eine Aus­nahme von der Regel sollte nur für die frauenrechtlerischen Organisationen in Ländern gemacht werden, wo das Frauen­wahlrecht bereits eingeführt ist und der Kampf für andere Reformen zugunsten des weiblichen Geschlechts in den Vorder­grund geschoben wird. Die Annahme von Frau Fawcetts Antrag mußte gleichbedeutend mit der Erklärung sein, daß dem Weltbund" kein Verband angegliedert sein kann, der das allgemeine Wahlrecht für alle großjährigen Männer und Frauen fordert. Konsequente Reaktionärinnen beeilten sich, ihn durch das Amendement zu vervollständigen, die Vorschrift sofort in Kraft treten zu lassen, mit anderen Worten: die wenigen nationalen Stimmrechtsverbände der Frauenrechtle­rinnen auszuschließen, die sich wie die deutsche Organisation in ihren Statuten zum allgemeinen Wahlrecht bekannt haben. Fräulein Augspurg erhob denn auch im Namen der deutschen Delegierten Widerspruch gegen dieses Amendement und hatte den Erfolg, daß es abgelehnt wurde. Der deutsche Frauen­stimmrechtsverband ist also zunächst noch gnädigst im Welt­bund" geduldet. Da jedoch der Hauptantrag Fawcett mit überwältigender Mehrheit angenommen wurde, darf für gleiches, volles politisches Recht für Mann und Weib fünftig teine Frauenstimmrechtsorganisation mehr eintreten, welche Mitglied des Weltbundes" werden will. Ein herzerfrischend offener Bei­trag dazu, wie die Freiheit der Meinung und Betätigung" aus­schaut, welche nach dem frauenrechtlerischen Kling- Klang- Gloria in dieser bösen Zeit einzig und allein im Lager einer bürger­lichen Nichts- als- Frauenbewegung zu finden sein soll, die über den Klassen und Parteien schwebt. Dem Hauptantrag von Mrs. Fawcett selbst wurde aus den Reihen der Delegierten nur ein beispiellos schwächlicher Widerstand entgegengestellt. Er gipfelte vielsagend genug nicht in einer wuchtigen Ver teidigung des allgemeinen Wahlrechts, sondern in dem be­scheidenen Gegenantrag, daß das Frauenstimmrecht das haupt­sächliche Ziel jedes Nationalverbandes sein müsse, der der Mitgliedschaft im Weltbund" gewürdigt werden solle. Nicht einmal dieses mehr als maßvolle" Begehren fand jedoch Gnade vor den Vorkämpferinnen unverfälschter bürgerlicher Interessen. Ihren blindbornierten Haß gegen das Recht der ausgebeuteten Massen versteckten die Damen hinter dem verlogenen Gerede, das allgemeine Männerwahlrecht habe sich als ein Hindernis für die Einführung des Frauenwahlrechts erwiesen. Dieser Haß wollte sich nicht belehren lassen und stieß als beweis­unfräftige Ausnahme" die geschichtliche Wahrheit beiseite, daß in Finnland   und Australien   wie Delegierte von dort nach drücklich bekundeten die politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts auf der Grundlage des allgemeinen Wahl­rechts erfolgt ist.

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Nur eine kleine Gruppe sogenannter fraternal delegates", eingeladener Gäste, sorgte dafür, daß die wichtige Bedeutung des Kongreßbeschlusses vor der Offentlichkeit gebührend unter­strichen wurde. Es waren dies die Vertreterinnen und Ver­treter der Adult Suffrage Society( Verein für das Wahlrecht aller Großjährigen) und des englischen Komitees für die Pflege internationaler Beziehungen zwischen den sozialistischen   Frauen aller Länder. Unsere Leserinnen wissen, unter welchen besonders schwierigen Umständen eine Minderheit tapferer englischer Ge­

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nossinnen und Genossen augenblicklich für eine durchgreifende Demokratisierung des politischen Rechts kämpft. Die ge nannten beiden Organisationen gedachten daher den frauen­rechtlerischen Kongreß der Sache des allgemeinen Wahlrechts nußbar zu machen. Unter Führung von Genossin Monte­fiore nahmen ihre Delegierten einzig zu dem bestimmten Zwecke an ihm teil, vor der breitesten Öffentlichkeit den Welt­bund" zu einer flipp und flaren Entscheidung in der Frage Frauenwahlrecht oder Damenwahlrecht zu drängen, und da diese Entscheidung von vornherein nicht zweifelhaft war, die allgemeine Aufmerksamkeit auf den reaktionären Charakter der frauenrecht­lerischen Organisation und das Gegenstück dazu: den Kampf­für das Wahlrecht aller großjährigen Männer und Frauen zu lenten. Als Gäste konnten die sozialistischen   Delegierten feine Anträge stellen. Genossin Montefiore mußte sich daher mit einer Anfrage an die Vorsitzende, Mrs. Chapman- Catt, be­gnügen. Sie verlangte Auskunft, ob der Verein für das Wahl­recht aller Großjährigen ohne Unterschied des Geschlechts" auf sein Ansuchen hin dem Weltbund" beitreten fönne. Die An­frage wurde in Übereinstimmung mit dem Beschluß des Kon­gresses verneint. Genossin Montefiore protestierte des wei­teren dagegen, daß in der wichtigsten Frage, über welche sich die Tagung schlüssig machen sollte, die Verhandlungen ge­schlossen wurden, ohne daß die praktisch wirkenden Verfechte­rinnen der konsequenten Forderung politischer Gleichberechti­gung gehört worden seien, ja ohne daß diese Forderung selbsi eine Begründung erfahren habe, die ihrer Bedeutung ent­spreche. In seinem eingefleischten bürgerlichen Wesen brachte der Kongreß weder die politische Würde und Klugheit auf, eine Sache zu hören, über die er entscheiden mußte, noch das biß­chen Anstand und Gerechtigkeit, ausdrücklich eingeladene Gäste zu Wort kommen zu lassen. Gegen den Einspruch weniger Delegierten darunter die deutschen und holländischen- be schloß er, Genossin Montefiore mundtot zu machen. Der Sinn dieses Beschlusses wird dadurch noch erhöht, daß Ge nossin Montefiore- wie den Führerinnen des Weltbundes" wohl bekannt sein dürfte- als erste in Australien   die Forde rung des Frauenwahlrechts erhoben und vertreten hat.

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Die Delegierten der Adult Suffrage Society und des Inter­nationalen Komitees gaben die einzig richtige Antwort auf die be­tätigte Art Gastfreundschaft": sie verließen demonstrativ den Kongreß. In der Hauptsache hatten sie erreicht, was sie erreichen wollten. Die reaktionären Ziele des frauenrechtlerischen Welt­bundes", fein feindseliger Gegensatz zu den politischen Interessen der ausgebeuteten Massen war schärfer gebrandmarkt als durch die schärfste Rede. Es verdient besondere Erwägung, daß neben den Engländerinnen die freien Töchter" der großen Republik  jenseits des Ozeans, daß die Delegierten der Vereinigten Staaten   sogar in der reaktionären Gesellschaft des Kongresses durch den Fanatismus auffielen, mit dem sie sich gegen das allgemeine Wahlrecht und die Redefreiheit der Genossin Monte fiore wendeten. Die Vorsitzende des Weltbundes", Mrs. Chapman- Catt, hatte in Berlin   furz vor dem Kongreß gar erbaulich und beschaulich davon geschwärmt, daß vor allem die arbeitenden Frauen ein Anrecht auf ihre politische Gleichberechtigung hätten. Nun aber tat sie das Thrige dazu, daß die Verteidigung des Rechts dieser Frauen in dem Welt­bund" feine Stätte haben darf, ja mehr noch, daß seine Vor­fämpferinnen von dem Kongreß nicht einmal gehört werden konnten. Noch widerlicher berührte das stockreaktionäre Ge­habe der Methodistenpredigerin Anna Shaw- dank ihrem Beruf der besondere Stolz der internationalen Frauen­rechtelei. War diese strupellose brutale Verweigerin des Rechtes der frondenden Massen, die auch nicht die Spur von Verständnis dafür zeigte, daß gerade die Frauen der Habe­nichtse des politischen Rechts am dringendsten bedürfen, aus der auch nicht ein Hauch von Mitgefühl für das Interesse, das Verlangen der ungezählten Millionen sprach, in deren borniertem, armseligem Geist der Begriff Frau zu dem des weiblichen Geldsacks zusammenschrumpfte, war sie wirklich ein und dieselbe mit der Priesterin, deren Lippen bei den sonn­