288 Die Gleichheit Nr. 13 dieses Gesudel noch begrüßt und erklärt, es werde invielen Herzen ein verständnisvolles Echo finden", ist sehr bezeichnend. Warum dieMädchenschar" dasHeim" desSängers" verließ, wird sich dieser nicht besonders zu erklären gesucht haben. Ihm genügte, daß diegnädige Frau" die Zensur erteilte und alle Fehler der einzelnen Mädchen boshaft verzerrt ihremgläubigen" Blinne- sänger berichtete. Sollte es aber in Wirklichkeit nicht das eigene Spiegelbild der Herrschaften selbst sein, welches diePerlenschnur" uns zeigt? Heißt nicht manche Hausfrau auch Frida, die heut den Fritz und morgen den Franz umhalst? Sollte nicht Madame Olga den ganzen Tag über auf dem faulen Lager pikante französische  Romane gelesen und der edle Hausherr der dummen Lili selbst diezartpoetischen" Briefchen geschrieben haben? Sicher hat Madame auch der finnigen Else am Tage des Austritts jede zerbrochene Tasse am Lohne abgerechnet und war dann in der Lage, immer neues Geschirr auf den Tisch stellen zu können. Die saufende Senta scheint von derHerrschaft" viel abgeguckt zu haben, und Klärchen, die ländliche Unschuld, hat im feinen Hause wohl vergeblich die nötige Bildung und Erziehung gesucht. Wer solcheVerse" wie die Perlenschnur" reimen kann, ist kein Erzieherunerzogener" Dienst- mädcheu. Möglich ist auch, daß Lottchen als Vater ihrer Zwillinge den Hausherrn reklamieren wird, der jetzt die Ärmste verlacht. Der Schlußseufzer ist vielsagend. Wer eine solche Reihe von Mädchen in kurzer Zeit verbraucht hat, wie der edle Barde der Dienstboten- Verhöhnung, kann keinbanges Herz" haben.Neue Reize" sollte aber auch der ödeste Zusammenstopplerelegischer Oden" nicht bei feinen Dienstboten suchen, sondern diese menschenwürdig behandeln und ihnen etwaige Fehler abzugewöhnen streben, statt durch faule Witze einen ganzen Stand herabzuwürdigen, der kräftig nach Emanzipation strebt. E. G. Frauenarbeit auf dem Gebiet der Industrie, des Handels- und Verkehrswesens. Frauenarbeit in der Schuhmacherei. Die handwerksmäßige Schuhmacherei, die früher ausschließlich herrschende Betriebsform in der Fußbekleidungsindustrie war, zeichnete sich durch fast voll- kommene Abwesenheit der Frauenarbeit aus. Die zum Siege ge- langte Fabrikindustrie in der Schuhmacherei dagegen hat ganz ähn- lich wie im Textilgewerbe nach dem Siege der Werkzeugmaschine in großer Anzahl Frauen an sich gezogen und der Frauenbetätigung ein großes Feld eröffnet. Nun schwankt in Deutschland   die Zahl der in den Schuhfabriken beschäftigten Frauen und Mädchen zwischen 21 und 39 Prozent der Gesamtarbeiterzahl, wobei zu be- merken ist, daß in den Städten mit größeren Schuhfabriken, die eine weitergehende Arbeitsteilung haben, die Zahl der weiblichen Arbeiter größer ist als in Städten mit kleinen Betrieben und mit viel Hausindustrie. Auf Grund einer privaten Umfrage hat der preußische Gewerbeinspektionsbeamte Dr. Karl Rehe für sein Buch Die deutsche Schuhgroßindustrie"(Jena   1903, Verlag von Gustav Fischer  ) die nachstehende Tabelle zusammenstellen können: ' Männliche und weibliche HauSindustrielle zusammen. Die Notwendigkeit gewerkschaftlicher Organisation geht aus diesen Zahlen mit aller Deutlichkeit hervor, ebenso die ausgedehnten gesetz- lichen Schutzes und voller politischer Rechte für die Frauen, u. br. Frauenbewegung. Neue Geguerinne«. Nun kann es nimmer fehlen! Die Sozialdemokratie, diesevorübergehende Erscheinung", wie Wil  » Helm II. sie einst genannt hat, ist unrettbar verloren. Wer könnte diesen ihren sicheren Untergang noch bezweifeln, nachdem die hoch- und wohlgeborenen agrarischen Damen unter gütiger Mitwirkung des Generals v. Liebert zu diesem Zwecke eigens einen Verein ge- gründet haben? Unter der LosungUnser Volkstum ist in Ge» fahr" haben dieErhalterinnen der Familie", die zarten Stützen der Ordnung, einen Aufruf analle lebendigen Kräfte der Gesell- schaft" erlassen. Sie blasen zum Kampfe gegen dieFeinde unserer Staats- und Gesellschaftsordnung, die die idealen Güter unseres Volkslumes bedrohen". Dielebendigen Kräfte", die sich da regen, wollen sich beileibe nicht am Kampfe der Männer beteiligen, sie wollen sich nichtin den Zank des Marktes und der Volksversamm- lungen mischen", sie wollenkeine politischen Frauen werden". So wenigstens heißt es in ihrem Aufruf, einem Heringssalat der sich widersprechendsten Gedanken.Sie(das sind nämlich wir Sozial- demokraten) kämpfen für politische Rechte, wir kämpfen für Er- Haltung christlicher Sitte in Familie und Haus." Man denke, ivelch rührende, echt weibliche Bescheidenheit! Unangenehm ist es freilich, daß der Kampf für die gefährdete christliche Sitte manche Kenntnisse erfordert, die bisher nicht mitzur guten Erziehung" gehört haben. Die Damen wissen zum Beispiel sehr gut aus hohem Munde, daß die Sozialdemokraten schlimme und vaterlandslose Ge- sollen sind. Aber über das Warum, über die wirklichen Ziele dieses Gesindels hat sich wahrhaftig bisher wohl keine von ihnen den 5topf zerbrochen. Nun soll es anders werde»! Die Nichtpolitike- rinnen werden sich überdie Grundsätze staatserhaltender Politik und über deren gefährliche Gegenströmungen ein Urteil bilden müssen". ZurBeruhigungderhochverehrtenGesinnungsgenossinnen" erklärt jedoch der Aufruf, daß es durchaus nicht gelte, etwas von denwertvollen altererbten Anschauungen" auszugeben, von denen sichgerade die Frauen mit Recht so schwer trennen". Zu Führern auf den vielverschlungenen Pfaden der hohen Politik wurden die Vollblutagrarier Malkewitz, v. Oldenburg, Henning und andere berufen und haben ihr junkerliches Licht über Wahl- rechtsreform, Nachlaßsteuer und Finanzreform leuchten lassen. An- statt wie bisher zum Besten der Armen auf Wohltätigkeitsbasaren zu tanzen, zu flirten und Sekt zu trinken, haben die Damen sich diesmal als politische Hörerinnen für das Vaterland geopfert: ob mit oder ohne Sekt darüber schweigt die Geschichte. Einen positiven Nutzen hatte die neue Art von Unterhaltung. Der Ertrag des Abends wurde den Notleidenden im Überschwemmungsgebiet über- wiesen. Wäre dies Ergebnis nicht weit einfacher und vielleicht reicher zu erzielen gewesen, wenn die Damen die Ausgaben für stilgerechte patriotische Toiletten usw. den Notleidenden zugewendet hätten? Schutzpatron des agrarischen Damenverbandes ist Bülow. Es ist das Schicksal dieses Mannes, sich bei jedem Anlaß lächerlich zu machen. Er ergriff die Gelegenheit auch diesmal am Schöpfe und beantwortete das Schreiben desDeutschen Frauenbundes" wie folgt:Ew. Exzellenz liebenswürdiges Schreiben vom 1«. vorigen Monats habe ich zu erhalten die Ehre gehabt. Die mir darin übermittelte Nachricht, daß eine große Anzahl deutscher Frauen aus allen Kreisen sich zusammengesunden hat, um an der Krästi- gung des nationalen Bewußtseins unseres Volkes und an der Be- kämpfung der Umsturzbewegung mitzuarbeiten, hat mich mit leb- hafter Genugtuung erfüllt. Ich wünsche diesem Unternehme», dessen Ziele ich nur billigen kann, den besten Erfolg. Mit der Versicherung meiner besonderen Hochachtung gez. Bülow." Über der täppischen-läppischen Außenseite der neuen Erscheinung dürfen wir ihren ernsten Kern nicht übersehen. Der besteht aber wahrlich nicht in derGefahr", die der Sozialdemokratie von den Damen derer mit Ar und Halm droht. Er ist in der Tatsache zu suchen, daß das alte Dogma, die Frau dürfe sich nicht um poli- tische Dinge bekümmern, bis in die konservativsten Kreise hinein ins Wanken gerät. Der sich verschärfende Kampf der Klassen gibt ihm den Todesstoß, denn er ruft in allen Bevölkerungsschichlen auch die Frauen auf die Schanzen. Daß der Klassenkampf seine Kreise erweitert, daß er seine Wellen in die früher so stille, fried- liche Welt der Frauen wirft, kündet uns die neueste Frauen- organisation. In frisch-fröhlicher Weise widerlegt sie das frauen  - rechtlerische Geseire, daß die Frauen über den Klassen und Parteien stehen. Hinc illae iacrimae! Daher diese Tränen, welche die Frauen- rechtlerinnen über die neue Gründung vergießen. Statt sich über den Fortschritt zu freuen, den sie zum Ausdruck bringt, entrüsten sie sich sittlich fraubasig über die Form, in der das geschieht, und über die plumpe Anrempelung der Sozialdemokratie. Die Damen sind ja sonst nicht so zimperlich, wenn es sich um die Begeiferung derUmstürzler" handelt, die aber werden mit ihren Feinden den offenen und den maskierten schon selbst fertig werden, eck. BeranUvorUtch für dt« Redattton: Frau Klara ZeMn<Zundel), WUHebnShöhe, Post Degerloch bei Stuttgart  . Druck imb B erlag von Paul Elnger in Stuttgart  .