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Die Gleichheit
wären, wenn sie höhere Löhne fordern würden. Die Unters nehmer aber können aus ihr das tröstliche Bewußtsein schöpfen, daß auch die anderen Arbeiterinnen zu sparen vermöchten, menn fie nur wollten. Unbeschwert durch irgendwelche Skrupel werden sie weiter ihre Millionen mehren, indem sie weibliche Arbeitskraft besonders niedrig entlohnen und damit reicheren Mehrwert, unbezahlte Arbeitsleistung einsäckeln.
Lebensfreude, die das graue Einerlei des Dafeins einer Arbeiterin erträglicher machen könnte, gehört nach der Ansicht der frommen Schwestern auch zu den Gefahren, vor denen junge Mädchen geschützt werden müssen. Daher haben die beiden erwähnten Hospize in den Karnevaltagen heilige Exer zitien abgehalten. Dem Marienhospiz gelang es, in der Stille seiner Mauern 40 jungen Mädchen die gefahrdrohenden Tage so angenehm als möglich zu machen, wofür die Schüßlinge 80 Pf. täglich zu bezahlen hatten. Das Arbeiterinnenhofpiz Das Arbeiterinnenhospiz entzog fogar 250 Mädchen von nah und fern während der drei Karnevalstage dem sündhaften Treiben der Welt. Die 290 jungen Mädchen konnten, wie es wörtlich heißt,„ am Aschers mittwoch, wo so viele körperlich und geistig gebrochen infolge der Ausschweifungen an die Arbeit gehen, frisch und rüstig und ganz besonders frohen Herzens die Arbeit wieder auf nehmen". Fast will es scheinen, als wollten sich die Anstalten mit dieser Bemerkung den Herren Unternehmern in besondere empfehlende Erinnerung bringen. Heime, die so vorzüglich verstehen, fröhliche Arbeitsstimmung zu wecken und zu erhalten, die verdienen sicherlich, daß die Lohnsklavinnen ihnen zugeführt werden. Und so mäßig die Preise für Unterkunft und Beföstigung aussehen: bei den„ wohltätigen" Spenden, welche den Hospizen zufließen, und der großen Anzahl der Arbeiterinnen, die sie aufsuchen, rentiert die Sache doch. So schlagen auch jedenfalls die frommen Leiterinnen der Anstalten mit den Exerzitien während des Karnevals zwei Fliegen mit einer Klappe. Sie sorgen für das Seelenheil junger Mädchen und fördern das Geschäft.
In Aachen gibt es noch zahlreiche Anstalten ähnlicher Art wie die genannten Hospize. Unter mehr oder minder heiligen Namen verbergen sie ihre eigentliche Bestimmung: die Arbeiterinnen im Interesse des Klerikalismus und des Unternehmertums zu gängeln, sie von allen aufklärenden Einflüssen fernzuhalten, insbesondere aber sie von der Sozialdemokratie und den freien Gewerkschaften abzusperren. Die Intereffenvertretung der Ausgebeuteten durch zielklare Dr. ganisationen verträgt sich nicht mit der Respektierung des kapita listischen Profits. Recht vielsagend ist es, daß es unter den Anstalten, welche den Arbeiterinnen das Heim ersetzen sollen, auch Aktiengesellschaften gibt. Wer vermutet wohl hinter dem Namen „ Schwestern vom armen Kinde Jesu " eine Aktiengesellschaft? Und doch steht eine solche hinter den Schwestern. Aachener Aftiengesellschaft für Arbeiterwohl nennt sich das Unternehmen, dem jenes Arbeiterinnenhospiz gehört, wo die jungen Mädchen bas Sparen lernen fönnen. Im Vorstand dieser Gesellschaft figen Textilindustrielle. Man wird sich fragen müssen, ob nicht auch die Dividenden des genannten Unternehmens mit dazu beigetragen haben, daß Aachen so viele Millionäre zählt. Wie die anderen Institutionen verwandter Art, so unterhalten auch die Wohltätigkeitsanstalten auf Attien alle möglichen Unterrichtskurse, ferner Knaben und Mädchenhorte, wo für die Behütung der Kinder bezahlt wird, und in ihren Küchen haben fie einen ziemlich großen Umsatz. Für die Inhaber der Aktien trifft daher das Wort zu: Wohltun trägt Zinsen.
Daß vor Gott alle Menschen gleich sind, wird den Mädchen, die diese Anstalten besuchen, wohl oft genug erklärt werden. Vor der Küche der Heime scheinen jedoch nicht alle Besucherinnen gleich zu sein. Der Bericht des Frauenheims spricht zum Beispiel von Mittag und Abendessen für Damen und Fabrikmädchen". Von Frauen oder von Arbeiterinnen zu sprechen, verstößt jeden falls gegen die„ gute Sitte". Wohin sollte es auch führen, wenn fein Unterschied gemacht würde in der Benennung befferer" jungen Mädchen und jener armen Geschöpfe, die, halbe Kinder noch, dem Kapitalismus Frondienste leisten müssen!( Fortsetzung folgt.)
Nr. 19
Die Steuerreform der Junker und der Kirche.
Wenn diese Zeilen ins Land gehen, so wird der Reichstag schon eifrig dabei sein, das große nationale Werk", die Reichsfinanzreform, unter Dach und Fach zu bringen. Wenn es nach den Wünschen der neuen Mehrheit der Konservativen, des Zentrums und der Antisemiten geht, so wird zu Ende Juni die Sache erledigt. Die Last der neuen Steuern wird zum allergrößten Teil der Masse des arbeitenden Volkes auferlegt, zu einem kleineren dem Börsen-, Industrie- und Handelskapital sowie dem städtischen Grundbesitz und zu einem winzigen Teile dem ländlichen Großgrundbesitz. Es steht noch im ungewissen, ob die Pläne dieser Mehrheit gelingen oder ob nicht doch noch zuguterlegt die Liberalen sich mit den Junfern„ verständigen", das heißt den Junkern in der Hauptsache nachgeben und dann unter der Patronanz der Regierung eine andere„ Reform" machen, die dem beweglichen Kapital etwas günstiger, aber in der Hauptsache ebenso volksfeindlich ist wie das konservativflerifale nationale Werk". Aber da alle bürgerlichen Parteien einig sind in dem Entschluß, mindestens vier Fünftel der neuen Steuern der Masse des Volles aufzuerlegen, da sie alle übereinstimmen in dem Willen, die Belastung des Besitzes nicht über ein Fünftel der neuen Bürde zu steigern: so gewinnt die Arbeiterklasse auch in dem Falle nichts von Belang, daß die konservativ- klerikale Koalition nicht zum Ziel gelangt. Jedenfalls verdient das Steuerprojekt, das Junker und Zentrum in der Rumpffinanzkommission des Reichstags ausgeheckt haben, eine Betrachtung, bevor noch feststeht, ob es verwirklicht werden wird. Es enthüllt nämlich mit einer Deutlichkeit, die auch dem blödesten Auge zweifelsfrei ist, die Volksfeindlichkeit der Konservativen und des Zentrums, das so gern mit dem Schein der Demokratie prunft.
Die Rumpffommission bietet der Regierung die folgenden Steuern an:
Bransteuer.
Spiritussteuer und zoll Tabatsteuer( ohne Zigaretten) Kaffee und Teezoll.
Zündholzsteuer. Glühförper.
Mühlenumfahsteuer
Kohlenausfuhrzoll
Fahrkartensteuer. Seltsteuer
100 Millionen Mark
83
44
37
25
20
12
25
20
8
10
30
.
30
80
•
Parfüm, Seifen- und Zahnwassersteuer Wertzuwachssteuer auf Grundstücke. Umsatzstempel.
Kotierungssteuer( Wertpapiersteuer).
Summa 524 Millionen Mark.
Von diesen Steuern fallen 350 Millionen ohne weiteres in der Hauptsache den Minderbemittelten zur Last, der großen Masse der Arbeiterklasse und des kleinen Mittelstandes. Die Brausteuer verteuert ihnen das Bier, die Spiritussteuer den. Branntwein, die Tabakstener die Zigarre und die Pfeife, der erhöhte Kaffee und Teezoll zwei wesentliche Getränke, die Zündholzsteuer einen unentbehrlichen Bedarfsartikel, die Mühlenumsatzsteuer das Brot, der Kohlenausfuhrzoll die Feuerung und die Fahrkartensteuer das Reisen. Die Glühkörpersteuer trifft zwar die Arbeiterklasse noch wenig, den Mittelstand aber recht fräftig. Allerdings werden auch die Wohlhabenden und Reichen von den präsentierten Steuern mitbetroffen. Aber ihr Anteil daran ist gering, den weitaus größten Ertrag muß der Konsum der Massen bringen. Außerdem haben diese Steuern für die Be sigenden das Angenehme, daß sie für sie dank ihrem großen Einkommen faum fühlbar sind, während die Nichtbesitzenden wegen ihres geringen Einkommens den Druck sehr deutlich spüren müssen. Dazu kommt noch, daß die Arbeiter auch den ganzen Schaden zu tragen haben, der vor allem in der Tabatindustrie und ihren Hilfsgewerben( Kisten- und Etikettenfabrikation usw.) sowie in den übrigen betroffenen Erwerbs gebieten infolge einer Konsumverminderung eintritt. Nament