Nr. 19Die Gleichheit299redigierten GewerkschaitsblKtter entwickelt. Wir haben in GenossenDeinhardt einen Btitarbeiler verloren, dessen wertvolle Beiträgeuns stets willkommen waren. Und wir empfingen sie um so dank-barer, als wir wußten, daß ein vom Tode gezeichneter Mann fieder höchsten Ungunst der Umstände abtrotzte. Deinhardt wurdevon einem tuberkulösen Leiden verzehrt, das ihm schon vor Jahrenein Bein geraubt halte. Vom Fieber geschüttelt, von unerträg-liehen Schmerzen gequält, sich gegen das Versagen der körperlichenKräfte verzweifelt wehrend, hat er gearbeitet, konnte er arbeiten,weil die Kraft seines Willens wieder und wieder über den siechenLeib triumvdierle. So ist er wirkend, kämpfend bis zu Ende ge-gangen, einer jener Helden, wie sie der sozialistische Gedanke ausdem Proletariat erschafft, und vor derem stillen Heroismus jedesTages der Ruhm mancher vielbesungenen Fürsten und Feldherrenverbleicht. Wir halten das Andenken dieses Tapferen und Treuenin Ehren!Bon der Agitation in Ostrlbien. Im Dorado der junker-lichen Schnapphähne haben die Vorkämpfer der iozialistischen Welt-oronung einen schweren Stand. Versammlungsverbote, Saal-abtreibereien, Polizeischikanen aller Art: das sind die Blüten ausden Rtistbeelen unieres Klassen staates, die den Genossinnen undGenossen zum Strauße gewunden werden. So ist's auf dem Lande,so ist's in den Städten. Die gesetzlich gewährleisteten Rechte werdenfür die Arbeilerllasje unter den lächerlichsten Vorwänden außerKraft gesetzt. Der in Preußen doch so übel beleumundete„Terror"erhält anstandslos die obrigkeitliche Sanktion, wenn er gegen diebösen Umstürzler gerichtet ist. So wurde in Jastrow dem Wirt,der sein Lokal de» Genossen zur Verfügung stellt, die Polizeistundeaufs äußerste beschränkt. In Fla low wurde die Versammlung,die für den 23. Mai unter freiem Himmel einberufen wordenwar, vom Bürgermeister aus baupolizeilichen Gründen ver-boten. Ter gute Mann fürchtete wohl, daß der Himmel eingestürztwäre? Die Versammlung sollte nunmehr an einem anderen, völligsicheren Orte abgehalten werden. Sie wurde jedoch sofort nachihrer Eröffnung ausgelöst, da der famose Herr Bürgermeister derPolizei die zweite Anmeldung zu spät mitgeteilt halte.(Ob diesohne Absicht geschehen ist, lasse ich vollkommen dahingestellt.) Sowurden die Flatower Arbeiter und Arbeiterinnen davor bewahrt,sich über den geplanten Millionenraub und über die neuestenRoßtäuscherkniffe unserer„Edelsten und Besten" aufklären zu lassen.In S ch l o ch a u haben die wenigen Genossen und Genossinnenunter doppelt schweren Bedingungen zu kämpfen. Es stehen ihnennicht nur die Behörden mit allem, was drum und dran hängt,feindselig gegenüber, sondern die ganze Masse der dortigen Be-völkerung. Trotzdem herrscht ein guter Geist in der kleinen,erst kürzlich gegründeten Organisation. Es fehlt in Ost- und West-preußen noch vielfach die wichtigste Vorbedingung für unsere Bewe-gung— das von allen Überbleibseln aller Besitzverhältnisse los-gerissene Proletariat. Darum ist es doppelt zu bedauern, daß inOrten, wo diese Vorbedingung reichlich gegeben ist, wie in der reinindustriellen Stadt Elb in g, es noch nicht möglich war, größereMassen für die Organisation zu gewinnen. Die Partei zählt dortfeit neuester Zeit etwas über 200 Mitglieder, darunter 7 weibliche.Die Ortsgruppe des Tabakarbeiterverbandes umfaßt insgesamtnicht einmal 20 Personen. Dabei beschäftigt allein die FirmaLoeser&. Wolf mehrere tausend Arbeiterinnen. Aber sie so-wie die vielen Taufende ihrer männlichen Klassengenossen sind nochvollkommen indifferent. Die für Elbing vorgesehene Versammlungmußte wegen des schlechten Besuchs aussallen. Besser fand ich dieVerhältnisse in D a n z i g, O h r a und Graudenz. Die Versamm«lungen waren gut besucht und brachten uns eine Reihe neuerKämpfer und Kämpferinnen. In Marienwerder, wo bisherSö Genossen organisiert waren, erhöhte sich die Mitgliederzahl durchdie Versamnilung auf 12ö. Gegen 45 Frauen traten der Organi-fation bei. Für den kleinen Ort ein recht erfreulicher Anfang.In Ostpreuffe« war es die Stadt Tilsit, in der nunmehrebenfalls der Grundstein zu einer zielbewußten Bewegung derProletarierinnen gelegt wurde. 26 Frauen wurden dort für unserenKampf gewonnen. Auch rn M e m e l wurden dem allen tapferenHäuilein der Klassenkämpferinnen neue Etreiterinnen zugeführt.In der dortigen Versammlung kam es durch das Eingreifen eineralten Genossin zu einer erfreulichen Diskussion. Königsberg,die Stadt der durch den Jammerfreisinn bis auf die Knochen kom-promitlierten Vernunft, zählt schon seit geraumer Zeil einen tüch-ligen Stamm arbeitsfreudiger Genossinnen, die sich mit Hingebungder Sache des Proletariats widmen. Die Genossen und Genossinnenin Ost- und Wesipreußen tonnen mit freudiger Genugtuung auf ihre bis-herige Tätigkeit zurückblicken. Der Boden ist bestellt, der Same aus-gestreut. So wird auch die Ernte nicht ausbleiben. B. S e l i n g e r.Bericht der Dresdener Kinderschutzkommission. Wie bisherhat die Kinderschutzkommission der Dresdener Genossinnen auch imvergangenen Jahre dem Erziehungs- und Ziehkinderwesen, derKindersürsorge und der gewerblichen Kinderarbeit ihre vollste Auf-merksamkeit und Tätigkeit gewidmet. Welche Fülle von Elendlernte sie da kennen! In 30 Fällen sah sie sich genötigt, wegenMißhandlung von Kindern durch Eltern und Pflegeeltern ein-zugreifen. In 23 Fällen mußte die Fürsorgetätigkeit der Kom-Mission eintreten. An den meisten Mißhandlungen und Vernach-lässigungen der Kinder sind die sozialen Verhältnisse schuld, unteranderem die traurigen Wohnungsverhältniffe und die große Arbeits-losigkeit. Nur einige Beweise dafür sollen herausgegriffen werden.Ter Kommission wurde ein V/t Jahre altes Mädchen gebracht,das Hände und Füße erfroren hatte. Der Vater des Kindes wararbeitslos, dazu ein Trinker, die Mutter den ganzen Tag auf derArbeit und die Kinder bei grimmiger Kälte nur notdürftig ge-kleidet in der ungeheizten Wohnung allein. Der größte Knabe,5 Jahre alt, mußte die zwei kleineren Geschwister beaufsichtigen.Die Mitglieder der Kinderschutzkommission gingen mit dem kranke»Kinde zur Wohlfahrt und zum Arzt. Dieser stellte ein Zeugnisaus, in dem er betonte, daß das Kind dringend der Aufnahme ineiner Anstalt bedürfe. Im Besitz dieses Zeugnisses brachten dieGenossinnen das Kind in das Findelhaus und glaubten es nungut versorgt. Aber weit gefehlt! Nach langem Hin und Hermußten sie es wieder mitnehmen und leider in die elterliche Woh-nung zurückbringen. Genossin Lewinsohn schilderte diesen Fallin einer Lehrerversammlung, worauf sie auf das Waisenamt be-stellt und ihr Abhilfe zugesichert wurde, aber heute noch ist dasKind bei den Eltern. In einem anderen Falle hatte eine Mutterihre vier Kinder verlassen, da ihr Mann sie sehr schlecht behandelte.Auch die Kinder, besonders der größte Knabe, der zehn Jahre altwar, hatten viel unter den Roheiten des Vaters zu leiden. DerKnabe war in der Schule schon mehrmals umgefallen und hattelängere Zeil bewußtlos gelegen. Die Genossinnen erkundigten sichin der Schule und erfuhren, daß der Junge als kleines Rind ge-hirnkrank gewesen war. Als er mit sechs Jahren in die Schule kam,hatte ihn der Schularzt untersucht, dann nicht wieder. Auch dasbrachte Genossi» Lewinsohn in einer Lehrerversammlung vor. Siewurde darauf auf daS Schulamt bestellt und über den Sachverhaltbefragt. Der Erfolg davon ist, daß von nun an sämtliche Bezirks-schullinder vor Beginn deS Turnunterrichts noch einmal vom Schul-arzt untersucht werden sollen.— Eine Familie besaß eine großeWohnung, hatte aber an Grafen und Barone vermietet. DieFamilie, die aus sechs Personen bestand, bewohnte ein einzigesZimmer. Zwei der Kinder mußten nachts auf der Treppe schlafen.Außerdem wurden die Kinder unreinlich gehalten und oft geschlagen.Auf eine Anzeige bei der Wohnungsinspektion hin erfolgte die so-sortige Räumung der Wohnung. Das Vormundschaftsgericht weigertesich, helfend einzugreisen, und so konnten die Genossinnen in dieserSache nichts weiter für die Kinder tun.— In elf Fällen, in denendie Kommission eingriff, handelte es sich um die Beschäftigung vonKindern mit Zeitungsaustragen, in 53 Fällen mit Milch- undFrühstückaustragen, mit Heimarbeit usw. So ließ im PlauenschenGrunde ein Lehrer seinen Sohn frühmorgens Milch austragen.Ein lungenkranker Knabe und ein nervenkranles Mädchen warenwegen ihrer Krankheit vom Schulbesuch dispensiert. Zu Hause be-schäftigte die Stiefmutter sie mit Kartonnagenarbeit. Ein Buch-binder hielt von nachmittags 2 bis abends 9 Uhr im Geschäfteinen Knaben. Nach 9 Uhr mußte dieser für den Mann nochKohlen auS dem Keller schleppen. So kam er erst nach 10 Uhrnach Hause und halte dann noch seine Schularbeilen zu machen.Resolutes Eingreifen erforderten mehrere Übertretungen des Kinder-schutzgesetzes in Bäckereien in Löbtau und Cotta, in denen Schul-linder im Alter von 10. bis 13 Jahren nachts 1 Uhr bei der Arbeitangetroffen wurden. Die sämtlichen gemeldeten Fälle wurden teilsdurch die Gewerbe-Assistentin, teils durch die Mitglieder der Kom-Mission selbst mit Hilfe der Wohlfahrt erledigt. Eine Hauptaufgabeder Kommission war es, die Kinder auf sittlichem Gebiet in Schutzzu nehmen. In einem Falle kamen Mädchen im Alter von 7 bis14 Jahren in Betracht. Der Inhaber eines Barbiergeschäjls hallesich an allen im Hause wohnenden Schulkindern unsittlich ver-gangen. Die Genossinnen brachten die Angelegenheit mit Hilfe desArbeitersekretärs zur Anzeige; der Mann wurde zu mehreren JahrenGefängnis verurteilt. Im Lause des Jahres erging an die Kinder-schutzkommission von verschiedenen Gewerkschaften die Aufforde-rung, bei Sommerfesten die Kinderspiele zu übernehmen. Die Ge-nossinnen sind ihr nachgekommen und haben sich die Zufriedenheitaller Teilnehmer erworben. In einem Kinderkonzert, das die Koni-Mission im Dezember v. I. veranstaltete, erfreuten mehrere Künstle-