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Die Gleichheit
demokratische Antrag fordert, nicht nur in einigen wenigen Regierungsbezirken, sondern in jeder der zirka 160 Gewerbeinspektionen mindestens eine Beamtin tätig wäre, dann erst könnte eine ernsthafte Kontrolle in der Hausindustrie durchgeführt werden. Und an Arbeit würde es den Beamtinnen wahrlich nicht fehlen. Trotzdem trat fein einziger bürgerlicher Abgeordneter für den Antrag der Sozialdemokraten ein. Von den Sozialdemokraten aber gehörte keiner der Kommission an.
Der Tiroler Aufstand im Jahre 1809.
III. Der Aufstand.
Der Tiroler Baron Hormayr, der bei der Organisierung der Erhebung als österreichischer Oberintendant für Tirol eine bedeutende Rolle spielte, stellt-freilich in fatter Eitelkeit einiger maßen übertreibend die Sache so dar, als ob der Sandwirt rein gar nichts gewesen sei als seine Kreatur. Hormayr macht einmal die witzige und im Wesen treffende Bemerkung: Hofer sei der Bundeslade vergleichbar, die das Volk Israel an dächtig mit sich führte und von deren schützender, fiegfördernder Kraft es abergläubisch überzeugt war. Es wäre völlig verfehrt, so, wie es in patriotischen Lesebüchern aus irgend einer Befangenheit geschieht, Hofer als die wichtigste Persönlichkeit des Tiroler Aufstandes zu behandeln. Ebenso falsch wäre es, so, wie es unentwegte Kulturkämpfer" noch heute tun, den Tiroler Aufstand als das Werk einer kleinen Minderheit rach füchtiger Dunkelmänner aus der Geistlichkeit darzustellen, die den Bauer mißbrauchten, um der bayerischen Regierung ihre Kirchenpolitik heimzuzahlen und im Trüben Vorteile zu finden. Derartige Betrachtung wäre der ganze Jammer liberaler Geschichtsklitterung, die immer nach Geschichte machenden" Bersönlichkeiten und Persönlichkeitchen schnuppert und das Weltgeschichtliche mit der neugierigen Seelengröße betrachtet, mit der der Bürger Familienhistörchen aus dem Bekanntenkreise betratscht. Wir kennen die großen weltgeschichtlichen Bewegungen, zu denen sich die bayerische Politit in Tirol verhielt wie das Echo zur Stimme und wir werden die Tiroler Insurrektion nur als eine zweite Brechung jenes großen Schalles betrachten dürfen. Der Tiroler Aufstand war eine notgedrungene Massenbewegung, die nicht durch die Privatmotive einzelner angestoßen und nicht durch die persönliche Kraft einzelner zu Ende getrieben wurde. Er war eine Massenbewegung, die sich aus der Not der Gesamtheit, aus einem breiten politischen Unbehagen. organisierte und sich geradezu führerlos behauptete: denn dort war jeder und keiner Führer, wie es nur in einer demokratischen Gesellschaft sein mag, und jeder hatte dort das Recht, kommandierend anzu feuern: Mander, seid's tapfer!"
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Die Tiroler Jnfurrektion ist in ihrer Form, in ihrer Gefinnung, in ihrer Technik, in allem dem, was man zusammen faffend Stoßkraft, Dynamit nennen könnte, durch und durch demokratisch gewesen. Zehnmal mag man versichern, daß diese Bewegung reaktionären Zwecken oder Erfolgen diente: daß sie die Herrschaft des Klerus, die Herrschaft eines ziemlich engen Lokalpatriotismus, die Herrschaft tausend beschränkender Vorurteile sicherte daß sie die Geschäfte eines bornierten Autofraten besorgen half, wie Franz II. es gewesen ist. Man kommt trotz allem nicht darüber hinweg, daß sich in jenem Krieg von 1809 die Kraft demokratischen Gemeinschaftslebens bewährte, allerdings eines Gemeinschaftslebens, das kleinbäuerlich nach rückwärts gewandt war und alle Züge eines kleinbäuerlich beschränkten Wesens trug. Wenn man sagt, daß die Tiroler Bauern von den Pfaffen und der Hofburg düpiert wurden, so sagt man damit über den demokratischen Charakter dieser Volkserhebung nichts aus. Man könnte ebensowohl dem Bergstrom einen Vorwurf daraus machen, daß er eine kapitalistische Turbine dreht. Die Tiroler Infurrektion war ein elementarer Bauernprotest gegen die Störung des Tiroler Eigenlebens und wir haben ge sehen, daß dieses Eigenleben wesentliche Merkmale der alten
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bäuerlichen Demokratie besaß. Trotz allem Klerifalismus, trot aller schwarzgelben Sentimentalität und allem föniglich- kaiserlichen Patriotismus war dieser Kampf doch ein Kampf gegen den liberalisierenden Polizeistaat, gegen die zentralistische Bureaufratie, die Bayern importierte fratie, die Bayern importierte ein Kampf um die politische Selbstbestimmung Tirols! Und dieser Kampf- wir wiederholen es- war Selbstbewegung, war ein automatisches Wuchten der Volksmasse.
Wenn wir die Reihe der Personen passieren lassen, die im Aufstand eine besondere Rolle spielten, so trifft man nirgends einen Diktator, nirgends eine imperialistische Natur, aber eine Menge demokratischer Intelligenzen.
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Hofer, der dem Aufstand die Etikette gab, war so ziemlich der unbedeutendste unter den Hauptleuten. Eben darum wurde seine Macht" ertragen, weil sie nur Symbol, nur Formel, nur Schaustück war. Daß Hofer sehr dürftige Kenntnisse besaß, entscheidet wahrlich nicht über seine Bedeutung. Aber er besaß auch nicht jene natürliche Urteilsbestimmtheit, jene zeugende Sicherheit der politischen und strategischen Instinkte, die genial ohne lange zu überlegen immer das rechte Wort findet. Hofer war ein Mann von Gesinnung, aber nach Verstand und persönlicher Entwicklung war er höchst beschränkt. Seine letzte Zuversicht war nicht etwa eine verlässige Geistesgegenwart die er nicht besaß, sondern sein schöner Rosenkranz , die heilige Mutter Gottes und das„ kläpernde Glast" mit dem Tiroler Spezial. Der Nimbus, den eine patriotische Legendenbildung um den Sandwirt wob, der Nimbus, von dem im Grunde eigentlich niemand weiß, was er ist er hat tatsäch lich keine Rechte. Mitten in den Kriegsläufen fand der biedere Hofer ganz naiv die Zeit, mit Pferden und Sattelzeug zu handeln. Als man nach der Vertreibung der Bayern und nach dem Rückzug der österreichischen Hilfsarmee eine provisorische Verwaltung einzurichten hatte, begnügte er sich damit, die Vers waltungsmaßregeln zu kopieren, die der wohlgeschulte österreichische Intendant Hormayr getroffen hatte, die„ Freßzettel" seiner Schreiber" mit seinem Andere Hofer" zu zeichnen, gegen die Bäter unehelicher Kinder ins Zeug zu gehen und die Sitten durch eine Verordnung gegen die Entblößung der Frauen zu reinigen, in der es heißt: Die Weiberleute sollen fürohin nicht mehr ihre Herzer und Arme unter so hudriges Zeug stecken, daß man das nackende Fleisch sehen kann, ansonsten man es ihnen mit Kot verwirft." Der Zug ist echt: die Beschränktheit ist immer, sittlich". Seit dem Abzug der österreichischen Hilfsforps die Tirol dem Waffenstillstand von Znaim vom 12. Juli zufolge räumen mußten nannte sich Hofer „ Oberkommedant von Diroll". Der Titel entsprach aber mehr seiner harmlosen Eitelkeit als seiner Tätigkeit, die sich doch wesentlich auf eine kindliche Mimit beschränkte, die der Bayer auch„ G'schaftlhuberei" neunt. Hofer reagierte auf plumpe Schmeicheleien; wer ihn zuletzt beriet, behielt Recht. Mit unbewußter Demagogie gab er den Forderungen seiner Leute nach Leute nach selbst wenn er unbilliges Verlangen hörte. Obwohl es ihm an persönlicher Tapferkeit nicht gebrach, hielt er sich während der großen Kämpfe von 1809 mit drolliger Prätension hinter der Front in seinen Hauptquartieren", die immer durch Flaschenbatterien markiert waren. Das Geheimnis seiner Popularität war einfach. Er war seit dem Landtag von 1790 bekannt, er war ein vielbesuchter Wirt, ein lieber, guter Kerl mit anständigen Grundbegriffen und sehr wesentlich- eine repräsentative Erscheinung: er hatte den prachtvollen Vollbart, um dessentwillen es sich lohnen würde, eine allgemeine sozialpsychologische Untersuchung über das Verhältnis zwischen Bart und Popularität zu schreiben. Ganz gewiß hat dieser Vollbart auch an Hofers traurigem Ausgang Anteil gehabt. Der Sandwirt fonnte sich aus einem höchst charakteristischen Eigenfinn nicht entschließen, sich rasieren zu lassen, als man seine Spuren suchte. Hofers Geist war unkritisch; aber sein Willensleben war nicht bloß lenkbare Gutmütigkeit, sondern auch beharrliche Laune.
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Ungleich bedeutender als Hofer war Speckbacher. Er hatte die vollsaftige Genialität des Naturjohnes: Leidenschaft,