Nr. 25
Die Gleichheit
lernen; daß sie ihnen beitreten und Besseres noch: die Treue halten auch in den harten Zeiten der Krise und der Lebensmittelverteues rung. So verkünden die Tatsachen, daß die Gewerkschaften an den Arbeiterinnen nicht nur ihre Werbekraft, sondern auch ihre Schulung mit Erfolg erprobt haben.
Im Jahre 1907 waren in 34 Verbänden 136 929 Arbeiterinnen organisiert, 1908 zählten 35 Verbände 138 443 weibliche Mitglieder. Freilich haben nicht alle Gewerkschaften ihren Stamm organisierter Arbeiterinnen gehalten. 15 Organisationen hatten einen Verlust von insgesamt 5079 weiblichen Mitgliedern zu verzeichnen, dafür gewannen 20 Verbände insgesamt 6593 Arbeiterinnen. Wie sich seit 1892 die Anteilnahme der Frauen an der Gewerkschaftsorganis sation überhaupt entwickelt hat und ihr Verhältnis zur Gesamtmitgliederzahl, zeigt folgende Tabelle. Die Gewerkschaften zählten:
1892
237 094
1893
223530
Gesamte Weibliche In Mitglieder Mitglieder Proz. 4355 1,8 5384 2,4
1901 1902
Gesamte Weibliche In Mitglieder Mitglieder Proz. 677 510 3,4
23 699
723 206
28218
3,8
1894
246 494
5251
2,1
1903
887 698
40 666
1895
259175
6697
2,5
1904
1052108
1896
329 230
15265
4,6
1905
1344803
1897
412359
14644 3,5
1906
1898 493 742
13481
2,7
1907
1899 580 473 1900
19 280
3,3
1908
680427
22844 3,3
4,5 48604 4,6 74411 5,7 1689 709 118908 7,1 1865506 136929 7,3 1831731 138443 7,6
138443 gewerkschaftlich organisierte Proletarierinnen sind leider feine so große Zahl, wenn man sie an den Millionen der weiblichen Arbeitskräfte mißt, die in Handel und Industrie beschäftigt sind.. Aber diese Zahl gewinnt an Bedeutung, wenn man die Hindernisse er wägt, mit denen die organisatorische Arbeit unter den Frauen rechnen muß. Und ihre Wichtigkeit tritt erst recht hervor, wenn man den Charakter der freien Gewerkschaften bedenkt, die diese mehr als 138 000 Arbeiterinnen zusammengeschlossen haben. Im Gegensatz zu den HirschDunckerschen und christlichen Organisationen sind sie ausgesprochene Kampfesvereinigungen. Ihnen wird nicht die Unterstützung und Begönnerung zuteil, die jene erfahren. Die Christlichen aber haben troh ihrer Förderung durch Geschorene und Gescheitelte nur 22087 Arbeiterinnen organisiert, die Harmoniegesänge der HirschDunckerschen hatten gar nur 7060 Frauen angelockt. Die 138443 weiblichen Mitglieder der freien Gewerkschaften verteilen sich auf die verschiedenen Verbände folgendermaßen: Textilarbeiter 42655, Metallarbeiter 15167, Fabritarbeiter 14829, Tabatarbeiter 12910, Buchdruckereihilfsarbeiter 7466, Schneider 7419, Schuhmacher 5563, Handlungsgehilfen 4892, Transportarbeiter 3979, Holzarbeiter 3163, Hutmacher 2231, Porzellanarbeiter 1563, Bäcker und Konditoren 1388, Bigarrenfortierer 785, Brauereiarbeiter 776, Kürschner 601, Gastwirtsgehilfen 594, Gemeindearbeiter 556, Portefeuiller 528, Glasarbeiter 474, Handschuhmacher 466, Sattler 250, Blumenarbeiter 183, Hafenarbeiter 150, Schirmmacher 113, Bureaus angestellte 111, Lederarbeiter 99, Lagerhalter 86, Tapezierer 85, Maler 52, Gärtner 42, Fleischer 10, Photographen 5, Glaser und Steinsetzer je 1.
Den größten Zuwachs an weiblichen Mitgliedern hat von 1907 auf 1908 der Verband der Fabrikarbeiter zu verzeichnen, und zwar gewann er 2708 Arbeiterinnen, der Transportarbeiterverband erfreute sich in demselben Zeitraum eines Zuwachses von 821 weiblichen Mitgliedern, der Verband der Handlungsgehilfen eines solchen von 725, die Metallarbeiter gewannen 474 Arbeiterinnen für ihre Gewerkschaft, die Buchbinder 415, die Kürschner 275, die Schuhmacher 199, ihnen folgen die Konditoren mit 189, die Hutmacher mit 172, die Gemeindearbeiter und Masseure mit 168, die Wäschearbeiter mit 159, die Portefeuiller mit 60, die Bureauangestellten mit 54, die Hafenarbeiter mit 50 weiblichen Mitgliedern mehr. Die Brauereiarbeiter hatten eine Zunahme von 41, die Blumenarbeiter von 40, die Sattler von 22, die Lagerhalter von 14, die Gärtner von 6 und die Glaser von einem einzigen weiblichen Mit glied. Den größten Verlust an weiblichen Mitgliedern erfuhr 1908 der Textilarbeiterverband. Er verzeichnete 1622 fahnenflüchtige Arbeiterinnen, der Tabakarbeiterverband deren 1272, die Buchs bruckereihilfsarbeiter 873, die Porzellanarbeiter verloren 375, die Handschuhmacher 299, Holzarbeiter und Vergolder 294, die Schirmmacher 115, die Gastwirtsgehilfen 77, Glasarbeiter 74, Lederarbeiter 36, die Tapezierer 15, die Zigarrenfortierer 13, die Maler 7, die Photographen 6 und die Fleischer 1.
Der stärkste Rückgang weiblicher Mitglieder entfällt auf die Gewerkschaften solcher Gewerbe, die besonders heftig unter der Krise zu leiden hatten. Wir werden später noch in einem besonderen Artikel ausführlicher auf die Bewegung der weiblichen Mitglieder
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in den Gewerkschaften zurückkommen. Dieser Artikel soll sich auch mit den Leistungen der Arbeiterinnen an die Verbände beschäf tigen, mit ihrer Beteiligung an den Kämpfen und den recht schäbenswerten Errungenschaften und Vorteilen, die sie der Organis sation verdanken. Wir begnügen uns heute damit, kräftigst die Mahnung zu unterstreichen, die den Arbeiterinnen aus dem sehr lehrreichen und wichtigen Bericht der Generalfommission entgegenklingt: Hinein in eure Gewerkschaft! Und ergänzend fügen wir ihr die Losung an die Genossinnen zu: Weiter ans Werk für die gewerkschaftliche Organisierung der Arbeiterinnen!
Aus der Bewegung.
Von der Agitation. Ende Auguft wurden von den sozialdemokratischen Vereinen der Gruppen Löbtau und Cotta zwei Frauenversammlungen einberufen. Die Tagesordnung lautete:" Die Preissteigerung der Lebensmittel und ihre Wirkungen auf die Familie." Die Versammlungen waren überfüllt und zahlreiche Aufnahmen in die sozialdemokratische Partei lohnten den Fleiß der Genossinnen, welche die mühevollen Vorarbeiten geleistet hatten. Zu jeder der Versammlungen hatten fie 4000 Handzettel von Haus zu Haus getragen.
In Wesenstein und Ebersbach fanden zwei vom Holzarbeiterverbande einberufene Versammlungen statt, die jedoch nur mäßig besucht waren.
In Neugersdorf hatte das Gewerkschaftskartell Versammlungen veranstaltet. Referiert wurde über„ Die Heimindustrie und ihre Schäden für die Arbeiterinnen" und über„ Die gewerkschaftliche Organisation und die Lebensmittelverteuerung". Der schwache Besuch der Versammlungen ist um so bedauerlicher, als gerade in Neugersdorf die Arbeitsbedingungen außerordentlich schlecht sind. Niedrige Löhne und schlechte Behandlung der Ausgebeuteten sind an der Tagesordnung. Der Boden für die Bestellung durch Partei und Gewerkschaften ist also vorhanden, es muß unverdrossen gearbeitet werden.
Außer den Versammlungen wurden im sechsten sächsischen Kreise Diskussionsabende für die Genossinnen abgehalten. Arbeit zur Aufrüttelung der Frauenmassen und zur Schulung der Erweckten gibt es die Hülle und Fülle, und wenn ihr Ertrag nicht in jedem einzelnen Falle sofort den Hoffnungen entspricht, so ist das Ergebnis der agitatorischen und organisatorischen Bemühungen im allgemeinen doch ein befriedigendes. Das beweisen die Ziffern über die Zahl der Frauen, die Mitglieder der sozialdemokratischen Partei sind. Marie Wackwig.
über„ Die Folgen der Finanzwirtschaft und die neuen Steuern" sprach die Unterzeichnete in gut besuchten Versammlungen in Bremerhaven und Segeberg . Die Erregung über die ungeheure Schröpfung der Massen ist sehr groß. Selbst die Frauen, die sonst schwer in politische Versammlungen zu bekommen sind, waren jett zahlreich erschienen und folgten der Aufforderung, Mitglied unserer Organisationen zu werden. So ließen sich in Bremerhaven 20, in Segeberg 14 Personen in die Partei aufnehmen. In einer gut besuchten Frauenversammlung in Altona behandelte die Unterzeichnete das Thema:„ Steuern zahlen und Maul halten." Es waren in ihr über 400 Frauen anwesend, obgleich in der vorhergegangenen Woche eine Volksversammlung gegen die neue Steuerlast demonstriert hatte, der mehrere Tausend beiwohnten. Die nachträgliche besondere Veranstaltung für die Frauen sollte denjenigen von ihnen Gelegenheit zur Aufflärung geben, die Voltsversammlungen nicht zu besuchen pflegen, da sie nicht gleichzeitig mit ihren Männern das Haus verlassen können. Die Genossinnen hatten die Agitation für diese Frauenversammlung selbst betrieben und wurden für ihre mühevolle Arbeit durch den Erfolg belohnt. Es traten eine Anzahl neuer Mitglieder der Partei bei und die ,, Gleichheit" dehnte ihren Leserinnenkreis aus. Linchen Baumann.
Agitation in einem Zentrumswinkel. Es ist eine Lust zu agi tieren! Die preußisch- deutsche Regierung und der gebenedeite Schnapsblock haben sich mit der letzten Brandschahung der unbemittelten Volksschichten so recht als ein Teil jener Kraft erwiesen, die stets das Böse will und doch das Gute schafft". Bumal die frommen Volksverräter vom Zentrum haben das Ihrige getan, um den ausge powerten Massen über die gewissenlose Interessenwirtschaft der Be sitzenden in unserem Klassenstaat die Augen zu öffnen. So findet denn das aufklärende Wort einen kräftigen Widerhall auch in den Gegenden, die uns bisher äußerst schwer zugänglich waren. Wird die günstige Situation von uns jetzt in der richtigen Weise ausgenügt, so werden wir bald eine sehr erfreuliche Ausbreitung unserer Ideen in den noch indifferenten Massen des Proletariats