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Die Gleichheit

Weise entgegengehandelt, ohne daß dagegen eingeschritten wer­den könnte. Es ist wohl anzunehmen, daß manche mittellose, von der Fabrik ausgestoßene ledige Wöchnerin sich überhaupt nicht wieder zur Arbeit aufrafft und weiter sinkt. Als dem Vertreter der Firma die schlimmen sozialen Wirkungen der Maßregelung lediger Wöchnerinnen vor Augen gehalten wur den, berief er sich auf den Beschluß seines Krankenkassen­ausschusses als Willenskundgebung seiner Arbeiterschaft. Als bezeichnend hebt die Berichterstatterin hervor, daß in dem Aus­schuß die Frauen nicht vertreten sind. Wir müssen überdies noch daran erinnern, daß derartige Ausschüsse nur zu oft ganz unter dem Einfluß der Betriebsleiter stehen.- Hoffentlich werden diese Beobachtungen der Gewerbeaufsichtsbeamtin bei der bevorstehenden Reform der Arbeiterversicherung eine ent­sprechende Verbesserung der Bestimmungen für die Kranken­versicherung zur Folge haben.

Die Arbeiterinnen

im Deutschen Holzarbeiterverband.

Immer mehr gehen die Gewerkschaften dazu über, die jähr liche Berichterstattung über ihre Tätigkeit nicht wie früher in einzelnen Zeitungsnummern, Verbandstagsprotokollen und der gleichen zu geben, sondern in Form handlicher und übersichts licher Jahrbücher zu veröffentlichen. Damit wird die Mögs lichkeit geboten, das Wirken einer Gewerkschaft leicht und sicher mit ihrer Betätigung in den Vorjahren vergleichen zu können. Der Organisation selbst aber bleibt wertvolles geschichtliches Material erhalten.

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Das soeben erschienene Jahrbuch 1908 des Deutschen Holzarbeiterverbandes"*, das dritte dieser Art, würdigt in eingehender Weise auch die Stellung der weiblichen Mit­glieder innerhalb dieser Gewerkschaft. Es handelt sich für den Verband insbesondere um die Organisierung der Arbeiterinnen in der Bürsten- und Pinselindustrie, den Bleistiftfabriken, den Knopffabriken, den Kammachereien, Korbmachereien, den Stuhl fabriken, Stuhlrohrfabriken, Harmonikafabriken, Pianomechanit fabriken, hrgehäusefabriken sowie der Poliererinnen in der Möbel- und Pianoforteindustrie. Er hat also ein weites Feld zu beackern.

Die im November 1906 aufgenommene Lohnstatistik des Verbandes erfaßte neben 182304 männlichen Arbeitern 10686 weibliche. Diese Zahlen lassen ungefähr den Umfang er­kennen, in welchem der Verband Einfluß auf die Arbeiterschaft der Holzindustrie gewonnen hat. Die Zahl der in dieser Bes schäftigten ist natürlich ganz bedeutend höher. Weisen doch die vorläufigen Ergebnisse der Berufszählung von 1907 für die Industrie der Holz- und Schnitzstoffe allein 63458 weibliche Beschäftigte auf. Allerdings umfaßt diese Gruppe einen etwas weiteren Kreis von Berufen als der Holzarbeiterverband.

Dem Deutschen Holzarbeiterverband gehörten 1908 am Jahresschluß 141235 männliche, 2973 weibliche und 52 jugendliche( unter 17 Jahre alte) Mitglieder an. Das bedeutet gegen das Vorjahr mit 144090 männlichen, 3353 weiblichen und 49 jugendlichen Mitgliedern eine Abnahme von 2855 Arbeitern und 381 Arbeiterinnen. Die Tatsache des Rückganges selbst darf nicht verwundern. Unter dem Einfluß der Wirt schaftskrise haben die meisten Gewerkschaften ein Sinfen ihres Mitgliederstandes zu verzeichnen. Mehr als die Abnahme muß uns bei den weiblichen Mitgliedern die starke Fluktuation auffallen. Im Laufe des Jahres 1908 find 1251 Arbeiterinnen in den Verband eingetreten, außerdem traten aus anderen Ge­werkschaften 30 zu ihm über, denen die bisherigen Beitrags­leistungen angerechnet wurden. Mithin haben 1662 weibliche Mitglieder der Organisation den Rücken gekehrt. Maßgebend dafür dürfte wohl der Umstand sein, daß insbesondere unter den verheirateten Arbeiterinnen viele sind, die nur zeitweise einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Daneben kommt noch der häufige

* Berlin 1909. Verlag des Deutschen Holzarbeiterverbandes.

Nr.26

Berufswechsel seitens der Arbeiterinnen als Grund in Betracht. Die Frauen find meist ungelernte Arbeitskräfte, die heute in der Holz-, morgen in der Metall- oder Textilindustrie schaffen. Trotz dieser Sachlage hat der Verband unter seiner weiblichen Mitgliedschaft auch langjährige Getreue. Das beweist eine Statistik, die gelegentlich der Erneuerung der vollgeklebten Mit­gliedsbücher vorgenommen wurde. Danach gehörten dem Ver­band am Jahresschluß 1908 noch 43 von den 589 weiblichen Mitgliedern an, die er Ende 1901 umschlossen hatte. Von diesen 43 aber waren 15 seit 10 bis 15 Jahren und 2 seit mehr als 15 Jahren ununterbrochen Verbandsmitglieder. In dem Maße als die technische Entwicklung die Frauenarbeit im Haus­halt einschränkt und dafür in der Industrie ausdehnt, in dem Maße als die Profitsucht der Unternehmer und die Not der Arbeiter die Proletarierinnen in das Erwerbsleben drängen, werden die Arbeiterinnen bestrebt sein müssen, ihre Arbeits­bedingungen durch die dauernde Zugehörigkeit zu ihrer Gewerk­schaft zu verbessern. Denn ihre Arbeitsbedingungen verbessern, heißt ihre Lebenslage verbessern.

Der Holzarbeiterverband nimmt sich in treuester Weise der Interessen der weiblichen Berufsangehörigen an. Das beweisen Tatsachen. Unter den Tarifen, die am Jahresschluß 1908 galten und die unter seiner Mitwirkung zustande gekommen waren, befanden sich zwölf, die feste Normen über die Ents lohnung der Arbeiterinnen aufstellen. Als Mindest, zum Teil auch als Normalstundenlöhne sind dort folgende Sätze festgelegt: Knopffabrik in Breslau 15 Pf., fleißige Ar­beiterinnen 17 Pf.; Knopffabrik in Hannover 16 Pf., steigend nach halbjähriger Beschäftigung auf 17 Pf., dann mindestens jährlich um 1 Pf. bis zu 25 Pf.; Bürstenmachereien in München 25 Pf., in Dresden 30 Pf.; Kisten- und Karton nagenfabrik in Niederfedlig 15 Pf., in München 19 bezw. 21 Bf.; Goldleistenfabrik in München Hilfsarbeiterinnen über 16 Jahre 15 Bf., über 21 Jahre 18 Pf., geübte Arbeite rinnen 22 Pf.; Spulenfabrik in Nürnberg 18 Pf.; Stock­fabrik in Driesen 20 Pf. Eine Stockfabrik in Nürnberg . sichert den Arbeiterinnen 9 Mt., und eine große Bleistift­fabrik daselbst 10,50 Mt. pro Woche Anfangslohn-zu; eine Holzwarenfabrik in Tölz ihren Poliererinnen 2 bezw. 2,50 Mark pro Tag. Wer die ständige Unterbietung der Löhne seitens der weiblichen Arbeitsuchenden kennt, wird die Bedeutung dieser vertraglichen Löhne trotz ihrer bescheidenen Höhe zu schätzen wissen. Wenn der Verband bis jetzt noch nicht mehr gesicherte Löhne für die Arbeiterinnen erreichen konnte, so liegt dies daran, daß leider noch so viele von ihnen glauben, der Gewerkschaft entraten zu können. Wähnen sie doch in jungen Jahren, daß ihre Erwerbstätigkeit nur der Durchgangspunkt zur Ehe sei, und der Beitritt zur Gewerkschaft lohne sich daher nicht". Wenn sie dann als verheiratete Frauen zum Verdienst zurückkehren müssen, leiden sie am meisten unter der Niedrig­keit der Löhne, die sie selbst mit durch ihre Gleichgültigkeit ver­schuldet haben.

Die dem Holzarbeiterverband angehörenden Arbeiterinnen waren an den Lohnbewegungen der Organisation prozentual in gleichem Maße beteiligt wie die Arbeiter. Über diese Bes teiligung gibt die nachstehende Tabelle Auskunft. Die Lese­rinnen wissen, daß infolge der Wirtschaftskrise das Jahr 1908 für Lohnbewegungen besonders ungünstig war. Auf die einzelnen Bewegungen verteilten sich die Arbeiterinnen folgendermaßen:

Angriffstreifs.

71

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Von diesen waren Be- Stehen Streis Ber­in bands- anderen fchäftigte blieben tenbe mits Organi glieber fationen

nicht organis fiert

60

17

43

42

126

28

98

65

2

81

303

95

208

187

21

489

140

349

294

52

Insgesamt( 1907: 2036)

468 235 817

5

228

529

280

Abwehrstreiks Aussperrungen.

Zusammen Bewegung. ohne Streit Beteiligte.

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