416Die GleichheitNr. 26gekämpft werden kann. Die so oft in Thronreden und Regierung?»erklärungen angekündigte Alter?- und Jnvaliditätsversicherung ver-staubt aber seit vielen Monaten in einem Ausschuß. Die Parteien imösterreichischen Parlament haben keine Zeit, Gesetze zu beraten, diedem Volke notwendig sind. Sie sind mit der„Lösung" der„natio-»alen Frage" beschäftigt. Hie Deutsche! Hie Slawen! heißt dieLosung. Darüber lassen sie die dringendsten Forderungen des werk-täligen Volkes vermodern und schließlich auch das Parlament ver»sumpfen. Da ist es notwendig, daß der Parteitag Stellung nimmt,und daß die Arbeiter und Arbeiterinnen zeigen, daß sienicht gewillt sind, ihr Recht preiszugeben um der Liebhabereienund nationalen„Sorgen" der bürgerlichen Politiker willen. Dieproletarischen Frauen werden insbesondere eintreten für Schwan-geren- und Wöchnerinnenschutz und für die Witwen- undWaisenversorgung. Nach dem Parteitag wird eine kräftigeAgitation unter den Arbeiterinnen und Arbeiterfrauen einsetzen,um sie in großen Scharen der Organisation zuzuführen. Die Volks-feindlichkeit und VolkSverräterei der bürgerlichen Abgeordneten wirdauch den Proletarierinnen lehren, wo sie hingehören. a. p.Die Frau in öffentlichen Aemtern.Die Verwendung von Frauen bei der Armenpflege inBauern wird einen guten Schritt vorwärts tun. Am 7. Augustds. Js. hat das Staalsministerium des Landes einen Erlaß ver-öffentlicht, der sich aus die Mktwirkung der Frauen bei der Armen-pflege bezieht. Es heißt darin:„Die günstigen Erfahrungen, dieinsbesondere in außerbayerischen Gemeinden mit der Mitwirkungvon Frauen bei der öffentlichen Armenpflege gemacht worden sind,lassen es wünschenswert erscheinen, daß auch die Gemeindebehördenund Armenpflegschaslsräte in Bayern dieser Mitwirkung in weiter-gehendem Maße sich bedienen." Nachdem der Erlaß die gesetzlichenBestimmungen über die Armenpflege erläutert hat, betont er, daßauch jetzt schon die Möglichkeit besteht, für ganze Gemeinden odereinzelne Gemeindebezirke Hilfspflegerinnen mit einem näherzu bezeichnenden Wirkungskreis anzustellen. Allerdings zunächstohne daß ihnen amtliche Eigenschaften zuerkannt werden. DieseHilfspflegerinnen seien zu den Sitzungen der Armenpflegschaftsrätemit beratender Stimme zuzuziehen. Der Erlaß erklärt noch:„EineMitarbeit der Frauen wird insbesondere da zu veranlassen und er-solgreich sein, wo es sich um eine Unterstützung oder Verpflegungbedürftiger weiblicher Personen oder von Kindern handelt, oderwo ein Eingreifen durch Notstände veranlaßt wird, die auf einemangelhafte Haushaltsführung zurückzuführen sind, überhaupt inallen Fällen, in denen nach der Natur der Sache eine Frau eingrößeres Verständnis mitbringt und daher auch mehr Vertrauenund Erfolge zu erwarten hat als der Mann." Zum Schlüsse wirdden Armenpflegschaftsräten nahegelegt, von dieser Neuerung Ge-brauch zu machen und über die eventuell gemachten Ersahrungenan das Staatsministerium zu berichten.Die Frauen Erlangens wendeten sich, gestützt auf diesenErlaß sosort neuerlich in einer Eingabe an den Magistrat, umdie Aufstellung von Hilfspflegerinnen zu fordern. Der Armenpfleg-schaftsrat erwies sich diesmal als belehrt und bekehrt. Er aner-kannte die Berechtigung der Forderung, indem er sofort für zweiStadtbezirke je vier Frauen als Helferinnen wählte. Unter ihnenbefinden sich zwei Genossinnen. Mit dieser Entscheidung ist denFrauen Erlangens ein Tätigkeitsfeld in der Gemeinde eröffnet wor-den, das sie sicherlich mit besten Erfolgen bearbeiten werden, a.r.Verschiedenes.Bürgerliches Wohltun und Gesinnungssklaverei. DerKreuznacher Frauenverein veranstaltete in diesem Sommer einWohltätigkeitsfest. In Verkaufsbuden und an Schenktischen warden„besseren" Frauen und„höheren" Töchtern Gelegenheit ge-boten, als Verkäuferinnen und Wirtinnen in eleganten Toilettenzu glänzen und sich zum Besten der Armen— zu unterhalten. Dastaten denn auch die„opferbereiten" Damen nach Kräften, und derErfolg blieb nicht aus. Einige tausend Mark, die sie auf dieseebenso billige wie amüsante Weise zusammengefochten hatten, kamennach Abrechnung der nicht unbeträchtlichen Kosten dieser Veranstal-tung den Armen zugute./ Die edlen Wohltäterinnen aber lohnteder offizielle Dank des Herrn Bürgermeisters, wie dies schwarz aufweiß im„Öffentlichen Anzeiger" zu lesen stand. So kam anscheinendjeder auf seine Rechnung: die wohltätigen Frauen zu Vergnügenund öffentlichem Lob, die hilfsbedürftigen Armen zu Unterstützung.Allerdings war bei der Austeilung der Hilfe nicht daS schöne Bei-spiel des Herrn lebendig, der da seine Sonne scheinen läßt überGute und Böse und läßt regnen über Gerechte und Ungerechte.Die Damen, die dem Kreuznacher Frauenverein angehören, sindnämlich nicht bloß wohltätig, sondern auch— gesinnungstüchtig.So tanzen und flirten, so unterhalten und opfern sie sich, aber nurfür Notleidend«, die eine patriotische Gesinnung oder auch— gar keineGesinnung bekunden. Erst da? bürgerliche Interesse an geistigerStumpfheit, dann die christliche Barmherzigkeit! Wir beweisen das.In einer kinderreichen Proletarierfamili« war die Mutter erkranktund sollte zwecks Operation ins Spital. Damit die Kinder nichtjeder Aufsicht und Pflege bar verwahrlosten, hatte der Frauen-verein eine Unterstützung zugesagt, die es ermöglichen sollte, zurFührung der Hauswirtschaft und Pflege der Kinder eine Frau an-zustellen. Als es aber an den Tag kam, daß die Familie einesozialdemokratische Überzeugung bekundete und„sogar" die sozial-demokratische Presse las, wurde ihr von einer evangelischen Ge-meindeschwester bedeutet, sie könne nur dann auf die nötige Hilf«rechnen, wenn sie ihre Gesinnung aufgeben würde. Vor die Alter-native gestellt, ihre Kinder schütz- und hilflos verkommen zu lassenoder ihrer Überzeugung untreu zu werden, wählten die bedrängtenEltern das letztere. Sie traten au? der sozialdemokratischen Parteiaus und bestellten die sozialdemokratische Presse ab. Ob die armenProletarier aber dadurch zu Anhängern der bürgerlichen Ordnungund Wohltätigkeit wurden, lassen wir dahingestellt. Der Vorfallzeigt, wie wenig ernst es den bürgerlichen Damen in Kreuznachmit der Wohltätigkeit und der Achtung vor der Freiheit derMeinung ist. Sie halten nur mit dem Schein. Schein ist ihrechristliche Barmherzigkeit, Schein ihr Gerede von dem Geist derZeit. Echt ist nur ihr Haß gegen die Sozialdemokratie, die, wiesie richtig fühlen, der bürgerlichen Welt voll verlogener und käuf-licher Ideale ein Ende bereiten will. Den Proletarierinnen zeigtder Vorfall recht augenscheinlich, was hinter der bürgerlichen Wohl-tätigkeit steckt. Sie verteilt Almosen, die erniedrigen, die bindenund fesseln und sich dadurch bezahlt machen sollen. Deshalbmüssen auch die Frauen des werktätigen Volkes dem Aus-teilen von Almosen den Kampf für das Recht der Arbeit ent-gegenstellen. Eine Arbeiterfamilie, wie wir sie geschildert haben,müßte von Rechts wegen Anspruch auf die nötige Hauspflegerinhaben. Ein Reichsversicherungsgesetz, das sich über die Armen-pflege erheben und eine wirklich ernst« Sozialreform sein würde,müßte auch dieses Bedürfnis befriedigen. Es ist aber nur dieSozialdemokratie, die für einen Ausbau der Versicherungsgesetzekämpft, welche den proletarischen Interessen gerecht wird. Des-halb gilt für die Frauen des arbeitenden Volkes die Mahnung:Anschluß an die Sozialdemokratie, Festhalten an der Sozialdemo-kratie. A. D.Sparwut. Meine Freundin hat viel» vorzügliche Charakter-eigenschaften, sonst wäre sie nicht meine Freundin. Einen Fehleraber hat sie, und dieser Fehler hat ihr und ihres Mannes Lebenverwüstet. Es ist ihre unbesiegbare Sparwut.Geiz ist es nicht. Wie ließe sich sonst wohl erklären, daß meineFreundin ohne jede Entschädigung sich eines armen KindeS angenommen hat, das von seinem rohen Stiesvater mißhandelt wurde,und daß sie es mit der gleichen Liebe und Sorgfalt wie ihreeigenen Kinder erzog? Auch mir hat sie als echte Freundinzur Seite gestanden, als mein Mann seine Betätigung im Klassen-kämpf hinter schwedischen Gardinen büßen mußte. Nur für dieOrganisation konnte ich sie nie gewinnen. Die Organisation kostetja Geld! Und das konnte nach ihrer Ansicht besser verwendetwerden, wenn sie es aufs Sparbuch eintragen ließ. Bei eineräußerst geizigen Herrschaft hatte sie die„Tugend" des Sparen?gründlich erlernt. Sie begriff nicht und begreift heute noch nicht,daß die erbärmliche, minderwertige Kost, die sie tagaus tagein ausden Tisch brachte, um zu sparen, für den im Freien arbeitendenMann vollständig ungenügend war. Ein altes Sprichwort sagt:Was man sich vom Munde abspart, das holt der Teufel auf«ineandere Art! Das traf in diesem Falle zu. Was meine Freundinsparte, das hat der Schnapsteufel geholt. Ihr Mann, ein tüchtiger,fleißiger Arbeiter, ein liebevoller Gatte und zärtlicher Vater konntebei seinem schlecht versorgten Magen dem Bedürfnis nach Reiz-mittel» nicht widerstehen. Er verfiel dem Trunk. Bon Stufe zuStuft ist er gesunken, hat oftmals im Rausch seine Frau geprügeltund läßt sich jetzt von ihr erhalten, die schlecht genährt undschwächlich ist.Ihre Kinder sind trotz alledem prächtige Menschen geworden,und besonders an ihrem ältesten Sohne könnte sie die reinste Freudehaben. Die wird ihr jedoch dadurch vergällt, daß er— organisiertist. Das Geld könnte er doch lieber sparen! a. n.verantwortlich für die Revallion: Frau Klara Zetkin lZundel), witheimSdoii«,Post Degerloch bei Snuigart.Druck und«erlag von Paul Sing« tu«tuttgart.