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Die Gleichheit

eigentlichen Thema so gut wie gar nicht sprach, beweist, wie wenig die bürgerliche Frauenbewegung der Jugend zu geben hat. Die bürgerliche Jugend glänzte, bezeichnend genug, durch Abwesenheit, und als sich am Schlusse des Referats ein Jugend licher zum Worte meldete, versicherte die Vorsitzende, Frau Minna Cauer , eine Diskussion sei nicht vorgesehen. Eine Wort­meldung zur Geschäftsordnung tat die Dame mit der Erklärung ab, eine Geschäftsordnungsdebatte werde sie nicht zulassen. Keine der anwesenden bürgerlichen Damen wagte aber darauf hinzuweisen, daß auf allen Plakaten, auch auf den im Saale selbst angebrachten, stolz die Anzeige prangte: Offentliche Ver­sammlung, Diskussion steht jedermann offen." Einer unserer Genossen wies darauf hin. Frau Cauer setzte dem das Verlegenheitsgestammel entgegen, im Programm" stehe nur Ansprache", und damit schloß sie eiligst die Versamm­lung. Aus dem Hintergrund des Saales ward ihr und den bürgerlichen Frauenrechtlerinnen eine Entgegnung, die sie nicht erwartet hatten. Machtvoll schollen die Klänge der Inter­nationale" durch den Saal. Die anwesenden freien Jugend­lichen" gaben damit die beste Antwort auf die Wortverweige­rung wie auf den Appell, den Frau Schreiber zum Schlusse an die Jugend gerichtet hatte: Jugend muß temperamentvoll, Jugend muß radikal sein."

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über Hauswirtschaft und Frauenerwerbsarbeit in der neuen deutschen Bolkswirtschaft" referierte am nächsten Tage Dr. Hauns Dorn aus München . Auf Grund eines reichen statistischen Materials zeigte er, wie die Frau immer mehr und mehr in den Produktionsprozeß hineinbezogen wird, und stellte dabei fest, daß es hauptsächlich die sogenannten ungelernten, die schlecht bezahlten Berufe sind, denen die Frauen in ihrer Mehr zahl zuströmen, und daß diese Entwertung der Frauenarbeit ,, in Deutschland für die Zukunft volkswirtschaftliche und fulturelle Gefahren befürchten laffe".

Welche Heilmittel aber weiß Herr Dr. Dorn hiergegen zu empfehlen? 1. Höherwertige und allgemein verbreitete Be­rufsbildung des weiblichen Geschlechts. 2. Unbeschränkte Zu­laffung des weiblichen Geschlechts zu allen Erwerbsberufen, soweit sich nicht Schranken ergeben aus der heute geltenden Arbeiterinnenschutzgesetzgebung oder aus einer auf bisherigen Brinzipien aufgebauten Ausgestaltung dieser Gesetzgebung. 3. Entlastung erwerbstätiger Frauen von hauswirtschaftlicher Arbeit. 4. Beffere Berufsorganisation der weiblichen Erwerbs­tätigen. 5. Beseitigung aller heute für gewisse Kategorien er­werbstätiger Frauen bestehender Eheverbote. 6. Teilnahme der weiblichen Berufstätigen an allen mit der Zugehörigkeit zu be­stimmten Berufen verbundenen Berufsorganisationen und an den von den Angehörigen der betreffenden Berufe ausgeübten Rechten." Von diesen Forderungen läßt sich eigentlich nur sagen: soweit sie gut sind, stammen sie nicht von Herrn Dr. Dorn, sondern sind von der Sozialdemokratie übernommen, und so weit sie von Herrn Dr. Dorn stammen, sind sie nicht gut.

Innerhalb des fapitalistischen Produ tionssystems wird eine jahrelange Berufsausbildung immer mehr als Hemmschuh einer frühzeitigen Eriverbsmöglichkeit empfunden. Die Masse der durch materielle Not zur Berufsarbeit gezwungenen Frauen hat weder Zeit noch Geld, sich eine bessere Berufsbildung" an­zueignen. Für sie heißt es vom 14. Jahre ab, häufig sogar schon früher, verdienen sollst du, sollst verdienen". Das Problem der besseren Berufsbildung" existiert nur und kann nur existieren für eine kleine Schar mehr oder minder wohlhabender Frauen und Mädchen, die in der Lage find, die Kosten einer jahre langen Ausbildung oder Lehrzeit aufzubringen. Dazu noch eins! Die Entwicklung der Produktionsmittel und Produktions­verfahren macht gelernte Arbeit und langjährige Berufsbildung immer entbehrlicher. Der Konkurrenzkampf der Kapitalisten aller Länder untereinander und gegeneinander peitscht die Wissen­schaft auf zur Erfindung immer befferer Maschinen, Werkzeuge, Arbeitsmethoden, die die hochqualifizierte menschliche Arbeits­fraft mehr und mehr ausschalten, weil sie teuer ist. Die Kon­sequenz davon ist die Tendenz zur Verwendung ungelernter Arbeitskräfte, zum Sinken der Löhne, zur Verschlechterung

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der Arbeitsbedingungen. Diese Entwicklung trifft ebensosehr den Mann wie das Weib, aber das letztere vermag infolge seiner schlechten wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Lage, seines geringen Anteils am organisierten Klassenkampf des Proletariats der Macht des Kapitalismus zurzeit geringeren Widerstand entgegenzusehen wie der Mann. Die höherwertige und allgemein verbreitete Berufsbildung des weiblichen Ge­schlechts", die Herr Dr. Dorn und mit ihm die bürgerlichen Frauen verlangen, kommt höchstens für einige bis jetzt faulenzende höhere Töchter in Betracht. Die Entwicklung des maschinellen Großbetriebs und damit die Macht des kapitalistischen Unter­nehmertums wird sie nicht aufhalten, sie wird die Massen der im Joche des Kapitalismus frondenden Proletarierinnen nicht befreien.

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Der Frau die Stellung sichern, die ihr gebührt, das ver­mag nur eine neue Gesellschaftsordnung, die hervorgegangen ist aus der revolutionären Umgestaltung der wirtschaftlichen Verhältnisse von heute. Auch für diese Überzeugung dürfen wir uns wieder auf die Worte Engels' berufen, der in seinem Buche Der Ursprung der Familie" folgendes über die Gleich­berechtigung der Frau sagt: Erst die große Industrie unserer Zeit hat der Frau und auch nur der Proletarierin Weg zur gesellschaftlichen Produktion wieder eröffnet. Aber so, daß wenn sie ihre Pflichten im Privatdienst der Familie er füllt, sie von der öffentlichen Produktion ausgeschlossen bleibt und nichts erwerben kann; und daß, wenn sie sich an der öffentlichen Industrie beteiligen und selbständig erwerben will, sie außerstande ist, Familienpflichten zu erfüllen. Und wie in der Fabrik, so geht es der Frau in allen Geschäftszweigen bis in die Medizin und Advokatur hinein. Die moderne Einzel­familie ist gegründet auf die offene oder verhüllte Haussklaverei der Frau, und die moderne Gesellschaft ist eine Masse, die aus lauter Einzelfamilien als ihren Molekülen( fleinste Bestand­teile) sich zusammensetzt. teile) sich zusammenfeßt.... Es wird sich dann zeigen, daß die Befreiung der Frau zur ersten Vorbedingung hat die Wiedereinführung des ganzen weiblichen Geschlechts in die öffentliche Industrie."

Die bürgerliche Frauenbewegung erstrebt die Befreiung der Frau, mag das mehr oder minder klar in einem statistischen Referat von Dr. Dorn gesagt werden oder in dem seichten Ge­plätschter längst verbrauchter, ethisch gefärbter Redensarten von Frau Stritt, der Vorsißenden des Bundes deutscher Frauen­vereine", oder aber in einem geradezu banalen Vortrag von Dr. Käte Schirmacher. Aber diese bürgerlichen Vorkämpfer der Frauenemanzipation sind Angehörige einer Klasse, deren wirtschaftliche und politische Macht, deren Vorrechte auf der Ausbeutung und Unterdrückung einer anderen Klasse beruhen, der Klasse der Arbeiter. Und solange diese Ausbeutung und Unterdrückung besteht, kann die Masse der Frauen sozial nicht befreit werden, können aber auch alle Frauen ihre volle mensch­liche Emanzipation nicht erlangen. Die bürgerlichen Frauen­rechtlerinnen wollen der Klasse, der sie angehören, die politische und wirtschaftliche Macht erhalten und verlangen gleichzeitig von ihr, sich eines Teiles ihrer Vorrechte zu begeben. Als heute noch Minderberechtigte erwarten die Damen für sich selbst Vorteil davon. Die bürgerliche Gesellschaft kann zwar die Forderung auf die juristische Gleichstellung der Geschlechter er­füllen, aber damit ist die Frauenfrage nicht gelöst, sondern sie kommt erst recht in Fluß. Die alten Schwierigkeiten, der Frau eine menschlich voll befriedigende Stellung zu sichern, werden durch neue Hindernisse abgelöst. Richtet man den Blick über die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter hinweg und faßt die volle menschliche Emanzipation ins Auge, so muß man zu der Erkenntnis kommen, daß die bürgerliche Frauenbewegung -mag sie noch so ehrlich gemeint sein erfolglos bleiben muß. Wollten die bürgerlichen Frauenrechtlerinnen die Konsequenzen ihrer Forderungen ziehen, so müßten sie gegen ihre eigenen Männer, Söhne, Brüder kämpfen, welche die bestehende Klassen­herrschaft und damit die soziale Knechtschaft der erdrückenden Mehrzahl des weiblichen Geschlechts und die menschliche Ge­bundenheit der Frau überhaupt erhalten wollen.

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