Nr.3
20. Jahrgang
Die Gleichheit
Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen
Mit den Beilagen: Für unsere Mütter und Hausfrauen und Für unsere Kinder
Die Gleichheit erscheint alle vierzehn Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Post vierteljährlich obne Bestellgeld 55 Pfennig; unter Kreuzband 85 Pfennig. Jahres- Abonnement 2,60 Mart.
Inhaltsverzeichnis.
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Rote Oktobertage. Von H. B. Friedrich Schiller . Von Klara Zetkin. - Armenrecht oder Arbeiterrecht. Bongh.- Der deutsch - österreichische Parteitag und die Frauen. Von A. Popp. Das Berlöbnis, seine Wirkungen und die Folgen seiner Auflösung. Von Ernst Oberholzer. Die Ver suche einer Mutterschutz- Gesetzgebung in Italien . III. Bon Adolf Hepner . Aus der Bewegung: Von der Agitation. Die Beteiligung der Berliner Genossinnen an den Landtagswahlen. Die sächsischen Genoffinnen im Wahlkampf. Sozialdemokratische Frauenkonferenz für den Regierungsbezirk Magdeburg . Von der Berliner Jugendbewegung. Rundschau. Von H. B. Gewerkschaftliche Rundschau. Arbeits willige als Mörder. Bon fk. Ein neuer Verband. Von G. H. Genossenschaftliche Rundschau. Von H. Fl. Notizenteil: Dienstbotenfrage.- Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen.- Sozialistische Frauenbewegung im Ausland.- Frauenstimmrecht. Verschiedenes.
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Rote Oktobertage.
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Politische
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Sieg auf Sieg hat die Sozialdemokratie in den letzten Wochen an ihre Fahnen geheftet. Mit Bestürzung und Schrecken sehen die Gegner die vermeintlich Niedergerittenen von 1907 von Erfolg zu Erfolg schreiten selbst einem königlich sächsischen Regierungsorgan fam dieser Tage die Erleuchtung, daß der große Niederritt der„ nationalen" Wahlen eine böse Selbst täuschung derer war, die damals hoch zu Roß saßen und die sich heute im Sand betrübt die schmerzenden Glieder reiben. Auf allen vier Wahlstätten, wo in den letzten Wochen gekämpft wurde, ist die Sozialdemokratie die einzige Siegerin, die einzige Partei, die mit Stolz und Freude den Wahlausfall mustern fann. Ihren glänzenden Erfolgen entspricht der Rückgang aller bürgerlichen Parteien ohne Ausnahme.
Besonders bemerkenswert und bezeichnend für die allgemeine Zerrüttung der bürgerlichen Parteien ist der Ausfall der Landtagswahlen in Sachsen . Zunächst schon deshalb, weil sie unter dem Pluralwahlrecht vor sich gingen, einem niederträchtigen Unrecht, das die Arbeiter gemeinhin zu Viertelsbürgern ent rechtet, das den Besitzenden und den vermeintlich ordnungsfrommen Elementen unter den Nichtbesitzenden drei und vier Stimmen gibt. Nicht minder aber auch, weil die sächsische Wählerschaft im Jahre 1907 dem nationalen" Taumel am schlimmsten verfallen war, weil in Sachsen der Sozialdemokratie nicht nur Mandate, sondern auch nicht unerhebliche Scharen von Wählern abgenommen wurden. Die Landtagswahlen haben diese Scharte wieder ausgewegt. Bei starker Wahlbeteiligung, die da zeigt, daß die Gegner alle Kraft aufgeboten haben, eroberte die Sozialdemokratie trotz des Wahlsystems der vier Infamien im ersten Wahlgang 15 Mandate der 91, die zur Wahl standen. Und in nicht weniger als 54 Wahlkreisen sammelte sie noch so starke Wählermassen um ihre Fahne, daß sie in die Stichwahl gelangte, von denen bereits eine in Leipzig zu ihren Gunsten entschieden ist. Die Entrechtung der Arbeiter, die Privilegierung der Besitzenden mit den Mehr stimmen hat das Wahlresultat nicht so sehr fälschen können, daß die Sozialdemotratie vom ersten Platz unter den Parteien
Zufchriften an die Redaktion der Gleichheit find zu richten an Frau Klara Zetkin ( 3undel), Wilhelmshöhe, Poft Degerloch bet Stuttgart . Die Expedition befindet sich in Stuttgart , Furtbach- Straße 12.
Sachsens verdrängt worden wäre. Mit 488 420 Stimmen marschiert sie den bürgerlichen Gruppen voran, wovon die Nationalliberalen 338040, die Konservativen und Landbündler 315 150, die Freifinnigen 103 830 und die Antisemiten und Mittelständler 25 660 Stimmen erhielten. In Wirklichkeit ist das Verhältnis natürlich noch viel günstiger für die Sozial demokratie, da ihre Wahlgefolgschaft vornehmlich aus den Einstimmenwählern besteht, während die Stimmenzahl der bürgerlichen Parteien durch die Fälschung der Mehrstimmen künstlich aufgepufft ist. Wären die Bürgerlichen nicht hinter den Wällen der Privilegien verschanzt, ihre zerschmetternde Niederlage würde nicht bloß eine moralische, sondern obendrein eine direkt praktischpolitische geworden sein. Aber auch so genügt das Resultat der Wahl, um unzweifelhaft festzustellen, daß die Herrschaft der bürgerlichen Parteien in Sachsen nur noch auf den tönernen Füßen des Wahlunrechts ruht, daß Sachsen wieder das rote Königreich geworden ist, das es nach 1903 und vor 1907 war.
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Mit ihren 15 Abgeordneten, die im ersten Wahlgang gewählt wurden, steht übrigens die sächsische Sozialdemokratie auch mit der Zahl der aus eigener Kraft eroberten Size an erster Stelle unter allen Parteien. Die Konservativen, die jahr zehntelang den sächsischen Landtag beherrschten, die lange Zeit die Zweidrittelmehrheit und in den legten Sessionen noch immer eine starke absolute Mehrheit hatten, haben im ersten Gang nur 14 Size gehalten, und das fast ausschließlich in den landwirtschaftlichen Bezirken, wo schon der bloße Grundstücksbesitz ohne Rücksicht auf Einkommen und Steuerleistung den Landwirten die Mehrstimmen und damit die Mehrheit gibt. In den Städten haben die Konservativen gänzlich abgehaust. Der Versuch, unter veränderter Firma, unter dem Aushängeschild der Mittelstandsvereinigung, Stimmen für die äußerste Rechte zu fischen, ist trotz der Privilegierung des Mittelstandes durch das Wahlsystem schmählich mißlungen. Die städtischen Mandate werden soweit die Sozialdemokratie sie nicht erobert- vornehmlich den Nationalliberalen zufallen. Wahrscheinlich ziehen diese als die stärkste Gruppe in den Landtag ein, so daß die einst allmächtigen Konservativen an zweite Stelle gedrängt werden. Indes kann von einer Erstarkung des sächsischen Libe ralismus deswegen nicht die Rede sein. Die Nationalliberalen haben bei den Hauptwahlen nur vier Mandate zu erobern ver mocht, die Freisinnigen gar keines. Wenn der Liberalismus trotzdem in der Kammer die Konservativen überflügeln wird, so nur deshalb, weil er als das kleinere Übel in den Stichwahlen von den Rechtsreaktionären gegen die Sozialdemokratie Unterstützung erhält. Selbst unter dem Pluralsystem können die bürgerlichen Parteien Sachsens in der Mehrzahl der Wahlkreise der Sozial demokratie nur dann noch widerstehen, wenn sie alle Parteiunterscheidungen fallen lassen und sich zur einen reaktionären Masse vereinigen. Das werden sie denn aber auch gründlich tun, und daher wird die Sozialdemokratie bei den Stichwahlen nur dort Erfolge erzielen können, wo sie nahe an die absolute Mehrheit reicht und noch Reserven aufzubringen vermag. In zwei Kreisen haben die freisinnigen Parteileitungen zwar für die Stichwahl zur Bekämpfung der Konservativen aufgefordert,