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Die Gleichheit
( Die Entwürfe A und B schreiben nur vor, daß die Arbeiterinnen in einer Stärke von 25 Prozent in der Verwaltung vertreten sein sollten, eine Vertretung der Unternehmerschaft legten sie nicht fest.)
Artikel 9. Die Einziehung der Beiträge, die auf Grund dieses Gesetzes an die Mutterschaftskaffe zu leisten find, erfolgt durch die Verwaltung der Kasse unter den Formen, Privilegien und Normen, die für die Einziehung der direkten Steuern gelten.
Artikel 10. Das gegenwärtige Gesetz hat keine Gültigkeit für die vom Staate in seinen eigenen Betrieben beschäftigten Arbeiterinnen; für diese wird eine besondere Wöchnerinnenfür forge geschaffen, die nicht geringer sein soll als die in diesem Gesetz vorgesehene.
Artikel 11. Nach Anhörung des Oberarbeitsrats, des Fürsorge und sozialen Versicherungsrats sowie des Staatsrats werden durch Ausführungsverordnungen( die der Bestätigung durch königliches Defret bedürfen) die Normen für Funktionierung und Verwaltung der Mutterschaftskaffe festgesetzt, desgleichen die Strafen für Nichtbeachtung dieser Normen.
Artikel 12. Der Minister für Landwirtschaft, Industrie und Handel hat dem Parlament jedes Jahr einen Bericht über die Kaffe und einen Auszug aus den Verwaltungsaften vorzulegen.
Artikel 13. Die„ Nationale Kasse zur Fürsorge für invalide und alte Arbeiter" wird die Gelder vorstrecken, die im ersten Jahre erforderlich find, damit die Mutterschaftstaffe funktio nieren kann. Die Summe ist mit 4 Prozent Zinsen in fünf Jahresraten aus den Einkünften der Mutterschaftstasse in den fünf ersten Jahren zurückzuerstatten.
Artikel 14. Das vorstehende Gesetz tritt drei Monate nach Veröffentlichung der Ausführungsverordnung in Kraft.
Aus der Bewegung.
Von der Agitation. Auch aus dem Ruhrgebiet kann von einer lebhaften Entwicklung unserer Frauenbewegung berichtet werden. Nicht zuletzt kommt der Anstoß dazu von der verkehrten Steuerpolitit unserer herrschenden Klassen, die stets dem Armen nimmt und dem Besitzenden gibt, wie das wiederum der Fünfhundertmillionenraubzug auf die Habenichtse bewiesen hat. Er hatte sofort eine ungeheure Steigerung der Lebensmittelpreise im Gefolge, die ihre aufklärende Wirkung nicht verfehlt. Manche Proletarierin ist durch sie recht unsanft aus ihrer bisherigen Gleichgültigkeit gegen das öffentliche Leben aufgerüttelt worden. Sie beginnt sich der Erkenntnis zu erschließen, daß die Zeiten des „ Nurhausmütterchenseins" für die Frau durch die wirtschaftliche und soziale Entwicklung überholt sind, die uns die Frauenerwerbsarbeit gebracht hat. Es dämmert ihr das Verständnis dafür auf, daß unsere wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse den Proletarierinnen die Pflicht auferlegen, Partei zu ergreifen in dem Ringen der Klassen und den Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung mit ihren Klassengenossen zusammen aufzunehmen. In größerer Zahl als sonst nehmen die Frauen auch im Ruhr gebiet an unseren Versammlungen teil, und taum je ist Empörung, Kampfesluft und Begeisterung größer gewesen als jetzt. Das zeigten auch die sechs Versammlungen, die Mitte September im Kreise Essen stattfanden, und in denen Genossin Gewehr- Elberfeld referierte. Was das Zentrum versprach und was es tat", " 8entrum, neue Steuern und hohe Lebensmittelpreise", lauteten die Themata, die sie behandelte. Denn hier, in einer bedeutenden Zentrumsdomäne, galt es, das volfsverräterische Gebaren zu kennzeichnen, das bei der Beratung der Finanzreform gerade die Partei für Wahrheit, Freiheit und Recht" betätigt hat, die leider in den katholischen Arbeiterkreisen noch einen großen Anhang bes fitzt. Die Ausführungen der Referentin charakterisierten das Zen trum als eine Partei, die unter Mißbrauch der Religion sich eine Gefolgschaft unter den Massen und damit politische Macht zu verschaffen weiß, die sie im Interesse der Kapitalisten und Junker verwendet. Sie stellten dem arbeiterfeindlichen Verhalten dieser Partei die Treue und Energie gegenüber, mit der die Sozial demokratie alle Interessen, alle Rechte der Arbeitermassen verteidigt. Sie beleuchteten an der Hand von Tatsachen das Wesen der kapi
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talistischen Gesellschaft und der von ihr geschaffenen unüberbrückbaren Klassengegenfäße. So führten sie zu der logischen Schlußfolgerung, daß eine Partei, die die Interessen der Kapitalisten vertritt, unmöglich zugleich die der Arbeiter wahren kann, Nur zu der einen Versammlung in Rray war ein Zentrumsmann mit stören. Nachdem er aufgefordert worden war, seine Meinung in dem Vorsatze erschienen, die Veranstaltung durch Zwischenrufe zu der Diskussion zu vertreten, zog der Tapfere es vor, zu verduften. Zu den übrigen Versammlungen waren Gegner nicht angekommen. Sie scheuen eine Aussprache mit unseren Genossen vor der Maffe und sind gewiß der Ansicht, die in jenen Tagen in der flerifalen„ Essener Volkszeitung" zum Ausdruck tam, daß man doch endlich einmal aufhören solle, von der Reichsfinanzreform zu reden. Dabei machen sich die Wirkungen der Steuern auf die Lage der Arbeiter mit immer größerer Schärfe geltend.- In Alten essen war das Lokal schon vor der angesezten Zeit überfüllt. Nicht einmal die Zeppelinsensation, die an dem nämlichen Tage die Essener Bevölkerung in Atem hielt, vermochte unserer Agitation Abbruch zu tun. Alle Versammlungen nahmen einen schönen, erfolggekrönten Verlauf. Der Partei wurden in größerer Anzahl neue Mitglieder, der Arbeiterzeitung wie unserer„ Gleichheit" neue Leser zugeführt. E. G.
Im Auftrag der Bezirksleitung für den Bezirk Nordwest sprach die Unterzeichnete in den Orten Geestemünde , Verden , Vege sack , Blumenthal und Bremen über das Thema:„ Die Frau als politische Rämpferin". Der Partei wurden zirfa 250 neue Mitglieder, der örtlichen Parteipresse und der„ Gleichheit" Abonnenten gewonnen. Die sehr eifrige und erfolgreiche Arbeit unserer Genoffin Reize- Vegesack macht sich im ganzen Bezirk in zunehmendem Maße bemerkbar. Im Anschluß an diese Versammlungen fand gleichfalls eine start besuchte Volfsversammlung in Bant statt. In Bant ift die Zahl der organisierten Genofsinnen bereits eine recht große, und sie wird beträchtlich weiter steigen, wenn erst der dort noch bestehende Frauenverein zur Parteiorganisation übergetreten sein wird. Der Beschluß ist jüngst vom Vorstand des Vereins gefaßt worden, und als gut disziplinierte Genossinnen werden ihn natürlich die Mitglieder ausführen, da er ja nur in Konsequenz des Nürnberger Parteitagsbeschlusses gefaßt ward. Alle Aktionen der Partei und ihrer weiblichen Mitglieder sind selbstverständlich um so wirksamer, je einmütiger sie beschlossen und durchgeführt werden, das werden nach dem Zusammenschluß unsere Banter Genossinnen gleichfalls erfahren. 2. Zieh.
Im Auftrag des Fabritarbeiterverbandes, Bahlstelle München, hielt die Unterzeichnete acht Versammlungen in München , Dachau und Stockdorf ab. Das Thema war:„ Die Lebensmittel verteurung und ihre Wirkung auf die Arbeiterfamilie". Die Ver sammlungen, von denen die meisten überfüllt waren, legten Beug nis für das wachsende Verständnis der Arbeitermassen ab, daß nur der Zusammenschluß in großen, gut ausgebauten Organisationen die Gewähr bietet, mit Erfolg die Ausbeutung ihrer Arbeitskraft wie die Lebensmittelverteurung bekämpfen zu können. Besonders erfreulich war die rege Beteiligung der Arbeiterfrauen an den Versammlungen. In zwei Versammlungen in Gmund am Tegernsee und in Marienst ein, die glänzend besucht waren, lautete die Tagesordnung:„ Christliche und freie Gewerkschaften". Die christ lichen Kämpen, die den Mund recht voll nehmen, wenn sie feinen Widerspruch zu fürchten brauchen, schwiegen dort beharrlich trot der wiederholten Aufforderung, sich doch an der Diskussion zu bes teiligen. Die Versammlungen, welche die Verbände der Holz, Metalls und Tabatarbeiter in München einberufen hatten, waren ebenfalls, bis auf die lettere, recht zahlreich besucht. Es wird Aufgabe des Tabatarbeiterverbandes sein, auch in München alles zu tun, um mit den Zigarrenarbeiterinnen zusammen die Zigarettenarbeiterinnen ihrer Organisation zuzuführen. Daß es unter den gegebenen Umständen viel Mühe und Geduld erfordern wird, dieses Ziel zu erreichen, darf von der treuesten Organisationsarbeit nicht abschrecken. Umgekehrt muß es zum höchsten Eifer anspornen. Den Münchener Tabat- und Zigarettenfabrikanten muß der Unfug ausgetrieben werden, daß sie ihren Arbeiterinnen vers bieten, Versammlungen zu besuchen, in denen die Interessen des werktätigen Volfes erörtert werden. Alles in allem haben die Verfammlungen einen schönen Erfolg für die Gewerkschafts- und die Parteiorganisation gezeitigt. Der Parteipresse fonnte eine ansehnliche Zahl von Lesern und Leserinnen zugeführt werden. Nun gilt es, das Errungene festzuhalten und zur Grundlage neuer Arbeit, neuer Fortschritte zu machen. Marie Wack wit.
Die Beteiligung der Berliner Genoffinnen an den Landtagswahlen ist selbstverständlich rege gewesen. Galt es doch mit den bürgerlichen Parteien, ganz besonders aber mit den Frei