Nr. 5
Die Gleichheit
geschifft war, dem weltbürgerlichen Vernunftstaat" entgegen, still auf dem geretteten Kahn des philosophisch- ästhetischen Idealismus in den engen Hafen des ästhetischen Staats trieb. So fam es, daß der unsterbliche Sänger kraftvollen Rebellentums und revolutionärer Notwehr in der„ Glocke" und anderwärts die französische Revolution kleinlich schmähte, in der es doch um den großen Rechtshandel" ging, an dem er alle beteiligt wissen wollte, die sich Menschen nannten.
Die Resignation seines philosophischen Idealismus hat sicher Schiller, dem glutvollen Stürmer und Dränger, viele bittere. Stunden gebracht. Aus manchen seiner Verse ist herauszulesen, daß in seiner Seele des Zweifels finstre Wetter" mit dem " Sonnenbild" der errungenen Weltanschauung stritten. Jedoch Schiller war ein franker und bald ein sterbender Mann. Die Zweifel konnten nicht mehr zu neuen, zu fruchtbaren Erkennt nissen reifen. Es zeugt für Schillers Charaktergröße, daß ihm aus Resignation und Zweifel nicht müde Verzweiflung erwuchs, daß er nicht, den Romantikern gleich, zum Narkotikum des religiösen Myftizismus flüchtete. Er hat sich mutig mit der Tragit seines inneren Geschickes abgefunden. In rastloser Arbeit erschloß er sich die Quellen neuer Lebensstärke, die Kräfte zu weiterem Lebenswerk. In dem wundervollen Gedicht„ Die Ideale" tönt die Klage über den Zusammenbruch der Jugendträume in der erhebenden Verherrlichung der sittlich tragenden Kraft der Arbeit aus, einer
,, Beschäftigung, die nie ermattet,
Die langsam schafft, doch nie zerstört, Die zu dem Bau der Ewigkeiten Zwar Sandkorn nur für Sandkorn reicht, Doch von der großen Schuld der Zeiten, Minuten, Tage, Jahre streicht."
Schiller hat die Arbeit nicht bloß als die beglückende, aus innerem Schöpfungsdrang geborene freie Arbeit kennen gelernt. Er hat alle Bitternis der unfreien und unfrohen Notarbeit ers fahren, die nach Brot gehen muß. Seine Seelengröße hat über das„ Niedrige des Zustandes" triumphiert. An ihm selbst hat fich glänzend bewährt, was er in einem ästhetischen Briefe sagt: " Sflaverei ist niedrig, aber eine sflavische Gesinnung in der Freiheit ist verächtlich; eine sklavische Beschäftigung hingegen ohne eine solche Gesinnung ist es nicht, vielmehr kann das Niedrige des Zustandes, mit Hoheit der Gesinnung verbunden, ins Erhabene übergehen."
Schillers Schicksal, hungernd mit dem Hirn pflügen“ zu müssen, ist das typische Los aller großen deutschen Künstler gewesen, die der Zufall der Geburt nicht mit Reichtümern gesegnet hatte, und denen die Kunst„ die hohe, die himmlische Göttin" war, nicht aber die tüchtige Kuh, die mit Butter ver forgt". Albrecht Dürer , Sebastian Bach , Lessing, Beethoven , Hölderlin , Feuerbach, Böcklin , Richard Wagner und der einzige Komponist unserer Zeit, der ebenbürtig neben ihm steht, Hugo Wolf ,
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um nur diese zu nennen. Ihnen allen hat der Hunger ihre Kunst streitig gemacht, sie alle haben um des Lebens äußere Notdurft fronen müssen, statt vom schöpferischen Reichtum ihres inneren Lebens spenden zu können, es sei denn, daß verständnisvolle Freundschaft bot, was der Flügelschlag des Genius nicht brachte.
Jedoch nur einer von ihnen allen hat die sozialen Zu fammenhänge erkannt, welche die Kunst zur brotheischenden und dienenden Magd erniedrigen: Richard Wagner . Ihm war flar, daß die Kunst die soziale Unfreiheit nicht aufzuheben vermag, vielmehr selbst ihrem giftigen, mörderischen Bann unter liegt. Als Künstler rang er sich daher zu einer Auffassung durch, die dem Schillerschen Idealismus diametral entgegen steht. In seiner hochbedeutenden Abhandlung„ Die Kunst und die Revolution" bekennt er sich unumwunden zum Evangelium der Revolution. Das Ziel des geschichtlichen Werdeganges ist ihm der starke Mensch, der schöne Mensch. Aber erst nachdem die Revolution dem Menschen die Stärke gegeben, vermag ihn die Kunst mit Schönheit zu begnaden. Nur eine Revolution, welche alle sozialen Unterschiede aufhebt und alle Menschen zu Freien und Glücklichen macht, schafft die Vorbedingungen für eine großzügige, freie Nationalfunft, die nicht nach Brot geht,
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die nicht„ kriechende Lohnkunst" ist, um ein Wort Schillers zu gebrauchen. Wagner ruft mit leidenschaftlicher Inbrunst die Revolution, damit sich alle aus dem entehrenden Sklavenjoch des allgemeinen Handwerkertums mit seiner bleichen Geltseele* aufschwingen zum freien künstlerischen Menschentum mit seiner strahlenden Weltseele", damit alle aus mühselig beladenen Taglöhnern der Industrie... zu schönen starken Menschen werden, denen die Welt gehört als ein ewig unversiegbarer Quell höchsten künstlerischen Genusses".
Wagner stand mit dieser seiner Überzeugung auf dem gleichen Boden, auf dem dank der materialistischen Geschichtsauffaffung, dank Mary und Engels das klassenbewußte Proletariat steht. Wie der geniale Tonkünstler spannt es nicht, wie Schiller dies tat, den feurigen Renner hinter den Sonnenwagen der Zukunft, sondern vor ihn. Der politische Kampf und nicht die ästhetische Kultur muß die Menschen zur Freiheit führen, die soziale Revolution muß wie die Arbeit und zusammen mit ihr auch Wissen schaft und Kunst befreien. Die geschichtliche Entwicklung hat das deutsche Proletariat sowohl zum Erben der Klassischen Philo. sophie wie der hehren weltbürgerlichen Jdeale der klassischen Literatur gemacht. Aber wie die Arbeiterklasse das Erbe der klassischen Philosophie nur antreten konnte, indem sie diese, wie Engels sich ausdrückt, vom Kopf auf die Füße stellte, so muß sie auch die Hinterlassenschaft des Schillerschen Idealismus von dem Kopfe auf die Füße stellen.
Nur der proletarische Klassenkampf schafft mit der sozialen Revolution den Bau einer wahren politischen Freiheit", in welchem auch die ästhetische Erziehung des Menschengeschlechts in ihr Recht tritt, nicht um ihm ein Reich herrlichen Scheins vorzugaufeln, vielmehr um ihm die Welt zu erschließen, als reichsten Born gefunden, die Schöpferkraft beflügelnden Genusses. An die Proletarier richtet sich daher heute vor allem Schillers Mahnung:
„ Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben, Bewahret sie!"
„ Niedrigen des Zustandes" abzutrogen. In diesem Ringen Noch heißt es um diese Würde kämpfen, sie erobern, sie dem und Kämpfen kann Schiller dem Proletariat kein Pfadweisender und Richtunggebender sein. Wohl aber bleibt er ihm ein ge waltig Fördernder als Erzieher zu den höchsten Bürgertugenden, den erhabensten Menschheitsidealen, die in unserer Zeit unter dem Wettern und Flammen des proletarischen Emanzi pationskampjes auf dem Boden der sozialistischen Weltanschau ung erwachsen. Aus seinem Leben und seinen Schöpfungen liche Kräfte schöpfen, die zum rastlosen Einsatz der ganzen fönnen die Kämpfer wertvollste, unschäßbare geistige und sitt Persönlichkeit für unser hehres sozialistisches Ziel befeuern. Der proletarische Befreiungskampf verheißt allen das reichste,
blühendste Leben. Aber von ihm gilt für uns:
,, und setzet ihr nicht das Leben ein,
Nie wird euch das Leben gewonnen sein."
Das tämpfende Proletariat kann Schillers weltbürgerliches Ideal nur aus den Wolken auf die Erde niederzwingen, wenn ihm die Kraft zur sozialbefreienden, zur revolutionären Tat eignet. Seien wir darum start im Ringen mit uns selbst gegen das ewig Gestrige"; seien wir start im Kampfe gegen die drückende Enge der Lebensverhältnisse, seien wir start im An sturm gegen unsere Feinde, die Stüßen und Schüßer der kapi talistischen Ordnung. Denn:
„ Nur der Starke wird das Schicksal zwingen, Wenn der Schwächling untersinkt."
Der Vorentwurf
eines neuen Strafgesetzbuchs.
Die bürgerliche Gesellschaft führt einen verzweifelten Sisyphustampf gegen das Verbrechen. Es gelingt ihr nicht, es einzudämmen, da sie selbst es immer aufs neue mit Notwendig keit erzeugt. Die Statistik der Verbrechen und Vergehen zeigt