88
88
Die Gleichheit
die Zugehörigkeit zur politischen Frauenorganisation die Berufsarbeiterin nicht der Zugehörigkeit zu ihrer Gewerkschaft enthebt. Die auf die Organisation und die Beitragsleistung bezüglichen Be stimmungen lauten:
Solange Frauen nicht das Recht haben, politischen Vereinen anzugehören, ist für jeden Ort eine selbständige, freie" politische Frauenorganisation anzustreben. Wo eine solche wegen der geringen Zahl der Mitglieder noch nicht besteht, treten die Frauen den bestehenden allgemeinen Parteiorganisationen als Mitglieder bei, bilden aber eine selbständige Sektion.
Der Beitrag beträgt für die lediglich politisch organisierten Mitglieder 32 Heller monatlich. Sie erhalten die ArbeiterinnenZeitung" obligatorisch. Der Beitrag beträgt für die auch gewerk schaftlich organisierten Frauen, die von der politischen Organisation die Arbeiterinnen- Zeitung" beziehen, 20 Heller, für die, welche das Blatt nicht erhalten, 10 Heller.
"
Von obigen Beiträgen sind zu entrichten: 3 Heller Reichspartei beitrag, womit gleichzeitig der Beitrag an das Frauenreichstomitee getilgt ist; ferner 3 Heller Landesparteibeitrag, wovon 2 Heller an das Landesfrauenfomitee überwiesen werden.
Der Beitrag für die schon einer Gewerkschaft angehörenden Mitglieder wurde so niedrig bemessen, damit den hohe Wochenbeiträge leiftenden Arbeiterinnen die Zugehörigkeit zur politischen Organi fation leicht gemacht werde. Ein großer Teil gewerkschaftlich organisierter Arbeiterinnen erhält an Stelle des Fachblatts die Arbeiterinnen- Zeitung", so daß für sie nur der Beitrag von 10 Heller in Betracht kommt. Zwei Wochen vor der Frauenkonferenz fand der Landesparteitag für Niederösterreich statt. Um die politische Frauenorganisation materiell leistungsfähig zu machen, beschloß er, daß die Landesparteivertretung von den 3 Heller Parteibeitrag der Frauen 2 Heller den Genossinnen überweist, wovon diese die Kosten der Agitation im Lande zu bestreiten haben. Da in der Landesvertretung auch eine Genossin als Mitglied sißt, die dem Frauen landeskomitee angehört, so ist die Gewähr geboten, daß in der politischen Frauenbewegung kein separater Geist walten wird! An der Debatte über die Organisation haben sich auf dem Parteitag viele Genossinnen beteiligt.
Es sind dort auch alle die alten Wünsche wieder laut geworden auf Vergrößerung der Arbeiterinnenzeitung". Es wurde den Genofsinnen zugesagt, daß von Neujahr an eine zweite Beilage neben der Jugendbeilage eingeführt werden soll.
Zur Erledigung der Arbeiten unter den proletarischen Frauen in Niederösterreich wurde ein aus sechs Genofsinnen bestehendes Landeskomitee gewählt. Ein Antrag beauftragte das Landesfomitee, eine energische Agitation für die Reform des Vereinsgesetzes durchzuführen. Die sozialdemokratischen Abgeordneten wurden ersucht, bei jeder Gelegenheit mit allem Nachdruck für die politische Gleichberechtigung der Frauen einzutreten.
Augenblicklich sind Frauenkonferenzen für Salzburg , Ober österreich und Steiermark in Vorbereitung. Die Landespartei tage dieser Länder haben sich mit der Frauenorganisation beschäftigt und beschlossen, Frauenkonferenzen in die Wege zu leiten, Landesfrauentomitees einzusetzen und die politische Frauenorganisation durchzuführen. Bei den Landesparteitagen in Oberösterreich und Steiermark war Genossin Popp im Auftrag der Parteivertretung anwesend und referierte über die Frauenorganisation. In Salz burg hat der Landessekretär über die Frauenorganisation refe riert. An dem Willen, die politische Organisierung der Frauen zu fördern, sie aufzuklären und zu Parteigenofsinnen zu erziehen, fehlt es im allgemeinen nicht mehr. Wie weit die Frauen schon aufnahmsfähig und in ihrem eigenen Interesse zu gewinnen sind, werden wir bald sehen, wenn mit demselben Eifer wie bis jetzt weitergearbeitet wird. Adelheid Popp , Wien .
Aus der Bewegung.
Von der Agitation. In Oldenburg und Ostfriesland referierte die Unterzeichnete in folgenden Orten: Nordenham , Brate a. d. W., Osterburg , August feyn, Leer , Emden , Norden, Jever , Varel und Wilhelmshaven . Das Thema lautete in allen Versammlungen:„ Die Steuerpolitik und ihre Folgen für die Arbeiterschaft". Der Vortrag beleuchtete scharf das Wesen der indirekten Steuern, die durch künstliche Werteuerung des un entbehrlichsten Lebensbedarfs die Auspowerung der werktätigen Massen steigern. Das aber zu dem Zwecke, daß die Besitzenden nicht tief in den Beutel für einen Staat zu greifen brauchen, der doch in der Hauptsache ihre Interessen schützt. Die Rednerin ging insbesondere mit dem legten Steuerraubzug ins Gericht,
Nr. 6
dessen volksfeindliche, volksverderbende Folgen sie schilderte. Auch bie fulturwidrigen Zwecke- Militarismus, Marinismus und Kolonialpolitik, denen der größte Teil der Steuermillionen ge opfert wird, unterzog fie einer fräftigen Kritif. Ihre Ausführungen endeten mit dem Nachweis, daß die Frauen und Männer der ausgebeuteten Massen zur Sozialdemokratie gehören, der politischen und gewerkschaftlichen Organisation beitreten müssen. Sämtliche Versammlungen waren gut besucht und befundeten ihre Zustimmung zu den Ausführungen der Referentin. Eine recht beträchtliche Sahl neuer Mitglieder wurde in allen Versammlungen für die politische Organisation gewonnen. Genoffinnen und Genossen gelobten sich, noch eifriger wie bisher zu wirken, um sich selbst wie andere aufzuklären und der Sozialdemokratie neue Streitermassen zuzuführen. Berta Gotthusen, Hamburg .
Auf Veranlaffung der Parteileitung für die Provinz Schleswig Holstein unternahm die Unterzeichnete dort Ende Oktober eine Agitationstour, die sich auf neun Orte erstreckte. Die Tagesordnung lautete: Mehr Boltsrechte statt Voltsbedrückung!" Die Agitation begann in Sonderburg , dann folgten die Versammlungen in Flensburg , Apenrade und Hadersleben . Mit Ausnahme von Flensburg wird in diesen nahe der dänischen Grenze gelegenen Orten vorwiegend dänisch gesprochen. In der Schule wird jedoch nur in der deutschen Sprache unterrichtet, und die Kinder sollen weder auf dem Schulhof noch auf dem Schulweg Dänisch sprechen. Aber die dänische Sprache ist ihre Muttersprache, die ersten Worte, die ihr Ohr getroffen haben, waren dänische. Die Kinder denken in dänischen Worten, sie unterhalten sich dänisch . Die Schule aber versagt ihnen den nötigen dänischen Sprachunterricht. Die deutsche Sprache geht in ihre Gedankenwelt nicht voll über. So lernen sie weder richtig Deutsch noch Dänisch sprechen und schreiben. Die mit solchen Mitteln betriebene preußische Germanisierungspolitik gibt der dänischen Agitation immer neue Nahrung, so daß die sozialistische Aufklärungsarbeit große Schwierigkeiten zu überwinden hat. Die Versammlungen waren trotz dieser Schwierigkeiten gut besucht. Es fiel besonders auf, daß die Frauen zahlreich in ihnen erschienen waren. In Flensburg fand eine gut besuchte Frauenversammlung statt. Hier wurden außer Mitgliedern für die Partei noch 22 Leserinnen der„ Gleichheit" gewonnen. Unsere Flensburger Genoffinnen sind durch den guten Erfolg für ihre intensive Arbeit belohnt worden. Die Versammlung in Büdelsdorf war nicht gut besucht, wie der Unterzeichneten schien, weil es an der richtigen Borarbeit gefehlt hat. Die weiteren Versammlungen in Plön , Holtenau , Bredstedt und Husum waren sämtlich gut besucht. In Plön steht uns erst seit turzem ein Lokal zur Verfügung, und unsere Versammlungen werden dort von Angehörigen aller Bevölkerungsschichten besucht. Aber schon nach der ersten Versammlung im neugewonnenen Lokal wurde die Hungerpeitsche über einem Genossen geschwungen, der es gewagt hatte, seine Zugehörigkeit zu den verhaßten„ Roten " öffentlich zu bekennen. Die Praxis der„ Abschreckungsmittel" wird die Lohnfklaven des Kapitals nicht davon zu überzeugen vermögen, daß die kapitalistische Gesellschaft das Recht der freien Meinung verbirgt. Die Unduldsamkeit der Befizzenden pauft ihnen vielmehr unauslöschlichen Haß gegen die brutale Gewalt des Kapitals ein, und zeigt ihnen die Notwendigkeit, in der Organisation mit ihren Klassengenossen zusammen den Kampf gegen Ausbeutung und Bevormundung zu führen. Es gelang in fast allen Versammlungen, neue Mitglieder für die Partei
"
-
rund 100
-
zu gewinnen, ebenso Leser der Volkszeitung" und" Gleichheit". In einigen Orten sollte sich an die Versammlung noch eine Hausagitation anschließen. Aufgabe der Vereinsleitungen muß es sein, das Interesse der Neugewonnenen, besonders der Frauen, wach zuhalten, damit sie zu tlassenbewußten Mitstreitern werden.
Linchen Baumann.
In Braunschweig und Wolfenbüttel sprach die Unterzeichnete in Versammlungen, welche vom Vorstand des Fabrikarbeiterverbandes zur Gewinnung neuer Mitglieder einbe rufen waren. In Braunschweig erwies sich der Saal als viel zu klein, um allen Erschienenen Platz zu bieten. Aufmerksam solgten die Arbeiter und Arbeiterinnen der Konservenfabriken den Ausführungen der Referentin über das Thema:" Der Kampf der Arbeiterin ums Dasein". Sehr reiches Material wies aus, wie skrupellos die Herren Kapitalisten in der Konservenindustrie die proletarische Arbeitstraft ausnutzen, und zwar die der Frauen und Mädchen im besonderen. Wir lassen in nächster Nummer einige Proben folgen, die das beleuchten. Das Referat zeigte, wie trost= los düster sich das Leben der Arbeiterschaft gestalten muß, die für die Braunschweiger Konservenfabriken fronen. Auch der verderb lichen Rolle der Zölle und indirekten Steuern ward dabei gebührend gedacht. Ein guter Teil der Anwesenden beherzigte die