Nr. 6

Die Gleichheit

Aufforderung zum Eintritt in den Fabritarbeiterverband, so daß dieser einen schönen Zuwachs an Mitgliedern bekam. In Wolfen  = büttel war die Versammlung leider schwach besucht. Hier heißt es noch tüchtig durch unermüdliche Kleinarbeit, durch die Agitation von Person zu Person aufklären und werben. Die Lage der Ar­beiter und Arbeiterinnen ist auch in dieser Stadt so verbesserungs­bedürftig, daß auf die Dauer der Erfolg der Bestrebungen nicht ausbleiben kann, der Organisation treue Mitglieder zu gewinnen.

Agnes Fahrenwald.

Jm Wahlkreis Recklinghausen  - Borten referierte Ende November Genoffin Gewehr in sieben Versammlungen über das Thema: Die Frauen und die augenblickliche politische Situation". In Redlinghausen und Recklinghausen  - Süd fand je eine öffentliche Frauenversammlung statt, in Suderwich  , Horst, Buer  , Gladbeck   und Bocholt   mußte der aufklärende Vortrag in Mit gliederversammlungen gehalten werden, weil uns in diesen Orten fein Lokal für öffentliche Versammlungen zur Verfügung steht. In Bottrop   mußte die geplante achte Versammlung unterbleiben, da der Wirt uns das zugesagte Lokal verweigerte. Obgleich schlechte Witterung war, und die Leute von den umliegenden Ortschaften eine bis zwei Stunden zu Fuß gehen mußten, waren alle Ver­sammlungen überfüllt. Mit großer Ruhe und Aufmerksamkeit folgten die Anwesenden den überzeugenden Ausführungen der Re­ferentin. In scharfen Worten geißelte sie die Voltsausplünderung, deren sich die herrschenden Klassen im Wirtschaftsleben und mittels der Politik schuldig machen und durch politische Knechtung vervoll­ständigen. Die Berechtigung ihrer Kritik erwies sie durch ein reiches Zahlenmaterial. Eindringlich schilderte sie, wie diese Verhältnisse auf dem Leben der Frauen lasten, ihre Sorgen mehren und ihre Mühsal und Entbehrungen steigern. Der lehrreiche Vortrag endete mit einem begeisterten Appell an die Anwesenden, sich der sozial­demokratischen Partei anzuschließen, die Gleichheit" und das lofale Parteiorgan zu abonnieren und bewußt am Klassenkampf teilzu nehmen, um endlich die Befreiung vom Joche des Kapitalismus zu erringen. Der lebhafte Beifall, den die Rednerin überall erntete, bewies, daß die proletarischen Frauen auch in unserer Gegend zu der Erkenntnis kommen, daß sie den Befreiungskampf der Arbeiter­tlaffe mittämpfen müssen. Die Agitation führte eine gute Anzahl Frauen und Männer der sozialdemokratischen Partei zu und ge­wann der Gleichheit" Abonnenten. Trotz der schweren wirt­schaftlichen Depression hat die Organisation der proletarischen Frauen in unserem schwarzen Wahlkreis sehr erfreuliche Fortschritte ge­macht. Sie sind um so anerkennenswerter, als wir hier nur mit Hausfrauen zu rechnen haben, und uns erst seit start anderthalb Jahren Lokale zur Verfügung stehen. Auch unsere Frauenbewegung setzte erst vor anderthalb Jahren ein, heute zählen wir bereits 700 weibliche Mitglieder der Partei und 500 Abonnenten auf die Gleichheit". Die Gesamteinnahme der Genossinnen betrug im letzten Geschäftsjahr 775,90 Mt., der eine Ausgabe von 308,58 Mt. gegenüberstand, so daß der Kreiskasse ein überschuß von 467,82 Mt. übergeben werden konnte. In den meisten Orten betreiben die weiblichen Mitglieder der Parteiorganisation selbst die Agitation unter den Frauen. Unsere Fortschritte zeigen, daß auch hier im Finsterlande, wo Schwarz Trumpf ist und regiert, der stolze Zens trumsturm ins Wanken gerät. Genoffinnen! Der Rückblick auf unsere Erfolge muß uns ein Ansporn sein, noch viel intensiver und eifriger für die Aufklärung unserer Schwestern tätig zu sein. Keine von uns darf denken: Auf mich kommt es nicht an, es geht auch ohne mich vorwärts!" Jede muß es als Pflicht und Ehre be­trachten, in diesem Kampfe ihre ganzen Kräfte einzusehen. Es muß unsere Aufgabe sein, durch unermüdliche Kleinarbeit dafür zu sorgen, daß die uns noch fernstehenden Leidensgenossinnen aufgeklärt und zu Kampfesgenossinnen werden. Die Frau ist die Gefährtin des Mannes und die Erzieherin der Kinder. Durch ihren Einfluß wird mancher Mann dem Kampfe zugeführt und die Jugend für uns gewonnen. Wem aber die Jugend gehört, dem gehört die Zukunft. Lina Endmann.

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Bericht der Kinderschutzkommission für Altona   nnd Ottensen  . Die Genossinnen wissen, wie wenig das neue Kinderschutzgesetz die Ausbeutung der schulpflichtigen Kinder zügelt. Aber nicht einmal das wenige wird beachtet. Der Profithunger der Unternehmer und Geschäftsleute scheut vor übertretungen des Gesetzes nicht zurück, er zerstampft rücksichtslos das Jugendglück und die Gesundheit des proletarischen Nachwuchses. Die von den Genossinnen Altonas  und Ottensens eingesetzte Kinderschußkommission hatte somit in ihrem legten Tätigkeitsjahr sehr oft Gelegenheit, einzugreifen, um dem Gesetze Beachtung zu verschaffen. Die Mitglieder der Kom­mission verfuhren dabei wie folgt. Sobald sie ander antrafen, die gegen das Gesetz beschäftigt wurden, machten sie Eltern und

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Arbeitgeber auf das Vorschriftswidrige der Arbeit aufmerksam und warnten sie. Nutzten diese Ermahnungen nichts, so wurden die einzelnen Fälle der Polizeibehörde gemeldet. Erfreulicher­weise scheint, wenigstens in Altona  , bei dieser ein Umschwung in der Auffassung über Kinderausbeutung eingetreten zu sein. Während früher besonders die unteren Organe der Polizei der Betätigung der Kommission Schwierigkeiten in den Weg legten, erfährt diese jetzt etwas mehr Entgegenkommen. Es wäre jedoch dringend nötig, daß die Behörden überall der Kinderarbeit mehr Beachtung schenkten. Allem Anschein nach haben die Beamten keine weitere Verfügung erhalten, die Durchführung der gesetzlichen Vor­schriften mit aller Strenge zu überwachen. Andernfalls wäre es kaum möglich, daß Kinder des Morgens früh von 5 bis 8 Uhr ungehindert arbeiten dürfen, obgleich man auf den ersten Blick sieht, daß sie das vorschriftsmäßige Alter noch nicht erreicht haben. In Altona   wie in Ottensen   beobachteten die Mitglieder der Kom mission des Morgens, daß Scharen von Knaben und Mädchen Zeitungen, Brot und Milch austragen. Milchleute, die von der Kommission wiederholt wegen gefezwidriger Verwendung von Kindern verwarnt worden waren, wurden einige Tage darauf mit anderen Kindern angetroffen, die von dem Karren verschwanden, sobald sie uns erblickten. Das energische Eingreifen der Kommission war endlich von Nutzen. In der Zeitungsfolportage sieht es be­sonders schlimm aus. Die Kommission bemerkte an einem einzigen Sonntag früh 6 Uhr bei dieser Arbeit nicht weniger als 13 kleine Kinder, die alle schon wiederholt von ihr verwarnt worden waren. Diese Kinder trugen meist die Altonaer Nachrichten" aus. Die Eltern holen die Zeitungen von der Expedition und übergeben sie in irgend einer Hausflur den sie erwartenden Kindern. Dank dieser Praris hält sich der Arbeitgeber den Rücken frei, er beschäftigt eben nachweislich die Eltern. Die aber sind sehr oft der Meinung, daß sie ihre Kinder ohne weiteres des Morgens früh erwerbsmäßig beschäftigen dürfen. Die Kinder helfen ihnen bloß nach ihrer Mei­nung. Offenbar besteht also immer noch die Auffassung, daß eigene Kinder frühmorgens vor der Schulzeit, sogar um 5% Uhr, be: schäftigt werden dürfen. Selbst die Behörde scheint über diesen Bunft noch im unklaren zu sein. Wie oft haben wir frühmorgens vor der Schulzeit Brotleute getroffen, die ihre Kinder zum Brots austragen bei sich hatten. Sie wollten sich aber nicht bedeuten lassen, daß diese Beschäftigung verboten sei, sondern behaupteten in der schroffsten Weise, daß ihnen die Behörde diese Art der Mit­arbeit ihrer Kinder erlaubt habe. Die Kommission machte die Erfahrung, daß sogar Waisenkinder zum Zwecke solcher Ausbeutung gehalten werden. Solange die Arbeit dauert, werden die Waisen von den betreffenden Geschäftsleuten für eigene Kinder ausgegeben. Die Kinderschutzkommission hat sich mit vielen ähnlichen Fällen beschäftigen müssen. Was ihre Tätigkeit überhaupt anbelangt, so hat sie 34 Fälle durch Verwarnungen erledigt und zehn zur Anzeige gebracht. Leider ist aber das Resultat ihrer Anzeigen von der Behörde nicht bekannt gegeben worden. Der nachstehende Fall spricht für die Hoffnung, daß die Behörden fünftighin strenger gegen die gesetz­widrige Kinderausbeutung vorgehen werden. Der Milchhändler Bielt hatte einen dreizehn Jahre alten Knaben gegen das Gesetz vor 8 Uhr morgens mit Milchaustragen beschäftigt und war des­halb angeklagt worden. Der Amtsanwalt beantragte 150 Mt. Geldstrafe eventuell 30 Tage Gefängnis. Erkannt wurde zwar nur auf 70 Mt. Geldstrafe eventuell 14 Tage Gefängnis, doch wurde dem Angeklagten in Aussicht gestellt, daß er im Wiederholungsfall unbedingt ins Gefängnis wandern müsse. An Stelle der Kinder­schußkommission der Genofsinnen für Altona   und Ottensen   ist fürz­lich eine umfassendere Organisation getreten: die Zentralkom­mission für Kinderschutz für Hamburg  , Altona  , Ottensen  und Wandsbeck, deren Gründung das gemeinsame Wert von Partei und Gewerkschaften ist. Die Genossinnen werden mit Freude im Dienste dieser leistungsfähigen Körperschaft tätig sein. Interesse des heranwachsenden proletarischen Geschlechts und der gesamten Arbeiterklasse liegt es, daß die Kindererwerbsarbeit gänz lich beseitigt wird. Durch sie wird den Erwachsenen nur Konkurrenz gemacht, denn in der Hauptsache werden die Kinder ihrer Billigkeit wegen an Stelle von Erwachsenen beschäftigt. Die ausgebeutete Erwerbsarbeit der Kinder wirkt nicht erzieherisch, diese lernen die Arbeit nicht lieben und achten, sondern nur hassen. Pflicht der Genofsinnen ist es, die Bestrebungen der Kommission in jeder Be ziehung zu fördern. Anna Heutmann.

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Politische Rundschau.

Im

Der Reichstag   ist am letzten Tage des November zusammen­getreten. Was für eine Politik die Regierung des Reiches