Nr. 7

Die Gleichheit

vertreten. Soweit sie innerhalb dieses Wirkungskreises Rechts. geschäfte vornimmt, gelten diese als im Namen des Mannes vorgenommen; es wird mithin dem Dritten gegenüber nicht die Frau, sondern der Mann verpflichtet. Der Mann hat in dieser Beziehung die Verfügungen und Maßnahmen der Frau anzuerkennen und für die Auslagen aufzu­tommen. Als Rechtsgeschäfte, die in den häuslichen Wir­fungsfreis der Ehefrau fallen, sind zu betrachten alle Geschäfte, die regelmäßig für die Führung des gemeinschaftlichen Haus haltes notwendig sind. So zum Beispiel die Einkäufe für den Lebensunterhalt, die Anschaffung von Küchengeräten oder ein­zelner Hausratstücke, namentlich solcher, die als Ersatz für ab­genügte Gegenstände dienen, ferner die Anschaffung der Klei­dungsstücke für die Frau selbst und minderjährige Kinder, die Einstellung und Entlassung von Dienstboten. Nicht zum häus­lichen Wirkungsfreis der Frau werden dagegen zu rechnen sein bas Mieten einer Wohnung und die Anschaffung des Mobi­liars. Die Schlüsselgewalt steht der Ehefrau zu ohne Rück­sicht auf das unter den Ehegatten geltende Güterrecht. Auch die minderjährige oder sonst in der Geschäftsfähigkeit be­schränkte Ehefrau besitzt das Recht der Schlüsselgewalt, dieses ist nur der geschäftsunfähigen Ehefrau abgesprochen. Vielfach fommt es vor, daß Ehemänner in Zeitungen bekannt machen, sie würden für die Schulden der Frau nicht aufkommen. Solche Bekanntmachungen sind völlig wertlos. Dagegen gibt das Gesez dem Ehemann das Recht, die Schlüsselgewalt der Frau jederzeit zu beschränken oder auszuschließen. Gegen Mißbrauch wird die Frau dadurch geschützt, daß sie das Vormundschaftsgericht um Aufhebung der Ent­scheidung des Ehemannes anrufen kann. Die Frau, die ohnehin in der Ehe die schwächere Position hat, wird mit dieser Bestimmung in die Klägerrolle gedrängt, und es fällt ihr die Beweislast zu. Der Mann hat nicht zu beweisen, daß seine Entscheidung gerechtfertigt ist, sondern die Frau muß den Be­weis erbringen, daß sie es nicht ist. Es wäre gewiß den Ver­hältniffen angemessener, wenn das Gesetz den Mann mit dem Antrag auf Einschränkung oder Entzug der Schlüsselgewalt an den Richter gewiesen und ihm damit die Beweislast für die Notwendigkeit der Maßnahme auferlegt hätte. In dieser Weise ist die Frage im Entwurf zu einem schweizerischen Zivilgesetz buch gelöst. Ernst Oberholzer, Zürich  .

Der fünfte Kongreß finnischer Proletarierinnen.

I. K. Wie die finnische Sozialdemokratie, so haben auch die fozialdemokratischen Organisationen der finnischen   Proletarierinnen ihren vorlegten Kongreß vor drei Jahren abgehalten, zur Zeit, wo bie Nevolution diesseits wie jenseits der Grenze die Verhältnisse eyschütterte. Damals hatte das finnische Proletariat beinahe ein Jahr lang die politische Freiheit genossen, die es sich selbst durch ben erfolgreichen Generalstreit im November 1905 erobert hatte. Aber schon damals konnte man beobachten, daß die Reaktion an­fing, ihr Haupt aufs neue zu erheben. Sie hatte zwar einen emp­findlichen Stoß erlitten, überwunden, vernichtet war sie jedoch leider noch nicht. Die fonstitutionelle" Bourgeoisie Finnlands   hatte mit der zarischen Reaktion sofort Frieden, nein, mehr als das, Freund­schaft geschlossen! Vertrauensvoll warf sie sich ihr an die Brust und wurde ihre Handlangerin gegen die Nevolution, gegen die Wolfsrechte und Boltsfreiheiten. Heute steht diese Bourgeoisie in allen ihren Spielarten von der Realtion verraten und betrogen da, sie ist von ihr völlig an die Wand gedrückt worden.

Die Sozialdemokratie fah das 1906 schon klar voraus. Sie unterließ es damals nicht, die Bourgeoisie zu warnen. Aber sie wurde verhöhnt und ihre Politik ward verspottet. Während die Sozialdemokratie im Kampfe gegen den russischen Absolutismus  vorwärts brängte und den Sieg ausnuten wollte, um der aufs Haupt geschlagenen Reaktion weitere Zugeständnisse abzutrogen, verlegte sich die Bourgeoisie auf eine Politik freundschaftlichen Ent­gegenkommens an den Zarismus. Willfährig buckte sie sich vor, der wachsenden Reaktion Stolypins; gewalttätig trat fie der Revolution und der Arbeiterbewegung des Heimatlandes ent­gegen. Mit dieser Politik haben die bürgerlichen Parteien selbst

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dazu beigetragen, daß es augenblicklich um die nationale Selb  ständigkeit Finnlands   so traurig bestellt ist. Sie haben der Real­tion bei Verfassungsübertretungen in den Sattel geholfen, die ihnen unbedeutend erschienen, weil sie gegen die Revo Iution, gegen das revolutionäre Volt gerichtet waren. Schritt für Schritt sind sie vor Stolypin   zurückgewichen, und heute fann er sich als Herr der Situation in Finnland   die Hände reiben, freilich Herr der Situation mit Hilfe von Maschinengewehren! Heute, wo Stolypin   die finnische Volksvertretung zum drittenmal aufgelöst hat zum zweitenmal in diesem Jahre!-, muß auch die Bourgeoisie erkennen, daß ihre Politik eine verfehlte gewesen ist, und ihre Presse gesteht schüchtern ein, die Taktik der Sozialdemo fratie wäre im Grunde so schlimm nicht gewesen....

So hat das finnische Volt seit 1890 ununterbrochen auf die Verteidigung seiner Rechte bedacht sein müssen. Ein ständiger Kampf dafür war ihm aufgezwungen, der in der russischen Revo lution von 1905 durch schöne Siege gekrönt wurde, aber noch nicht mit einem endgültigen Triumphe geendet hat. So geht unter an deren Formen der Kampf weiter, in dem sich auch die finnische Prole­tarierin zur Klassenbewußten Streiterin entwickelt hat.

Der fünfte Kongreß der finnischen   Genossinnen, der im Sep­tember in Lacht is, in einem kleinen Industrieort getagt hat, wurde von dem Bewußtsein aufziehender neuer Stürme getragen. Doch zeitigte dieses Bewußtsein feine gedrückte, Kleinmütige Stimmung, sondern im Gegenteil ernste, begeisterte Arbeitsfreudigkeit. In drei Stände erledigt werden. Auf der Tagesordnung des Kongresses Tagen sollte eine große Anzahl wichtiger Verhandlungsgegen standen folgende Fragen: Statutenänderung des sozialdemokra tischen Frauenverbandes. Reorganisation der Agitation. Ent­sprechen die Bezirksausschüsse der Frauenorganisationen den an sie zu stellenden Anforderungen? Welche Gesichtspunkte müssen für die Wahl von Vertrauenspersonen maßgebend sein? Was können die Organisationen zur besseren Schulung ihrer Funktionärinnen tun? Wie müssen die Organisationen arbeiten, um eine umfassen­dere Kenntnis des theoretischen Teils des sozialdemokratischen Pro­gramins zu geben? Ist es nötig, in den Organisationen besondere Abteilungen für Mütter zu errichten? Die Stellung der Frauen zu den Genossenschaften. Die Stellung der Frauen zu den Gewerk­schaften. Wie können die Frauen neben der Berufstätigkeit Zeit für ihre geistige Fortbildung gewinnen? Zivilehe. Religionsfrei­heit. Trennung der Kirche vom Staate. Militarismus. Juden­frage. Verbot der Nachtarbeit für Frauen und andere Maßnahmen des gesetzlichen Arbeiterinnenschutzes. Reorganisation der Gewerbe­inspektion. Mutterschaftsversicherung. Die rechtliche Vormund­schaft des Ehemannes über die Ehefrau. Zwang der Bodenkultur für Grundbesizer. Heime für schutzbedürftige Kinder. Die Recht­losigkeit der unehelichen Kinder. Die Tätigkeit der Genossinnen in den Kinderverbänden( Jhanneliitto", das ist die Verbände unserer Hoffnungen). Proletarische Erziehung. Erziehung der Jugend zur Abstinenz.

Diese allzu reiche Tagesordnung konnte nur dadurch erledigt werden, daß die einzelnen Fragen an fünf besondere Ausschüsse verwiesen wurden, die der Kongreß wählte. Die Ausschüsse legten nach eingehender Erörterung der Fragen dem Kongreß ihre Reso lutionen vor.

Den Resolutionen entsprechend erklärte sich der Kongreß unter anderem für die Einführung des gesetzlichen Schulzwanges und empfahl der sozialdemokratischen Partei, für die Erörterung mo derner Erziehungsfragen Sorge zu tragen und dafür einzutreten, daß die Kommunen mit Unterstützung des Staates Heime errichten, in denen schutz- und erziehungsbedürftige Kinder und auch für­forgebedürftige Mütter Unterkunft finden können. Den proletarischen Müttern machte es der Kongreß zur Pflicht, ihre Kinder in der sozialistischen   Weltanschauung zu erziehen und sie dadurch für den Klassenkampf vorzubereiten. Die Kinder unbemittelter Eltern sollen die Volksschulen auf öffentliche Kosten besuchen können. Die Kinder sollen zur Abstinenz erzogen werden. Verbot der Erwerbsarbeit schulpflichtiger Kinder. Der Kongreß sprach sich ferner für um fassenden gesetzlichen Schuß der Arbeiterinnen aus, für das Verbot der Nachtarbeit, die nur in Unternehmen zulässig sein soll, wo der Betrieb aus technischen Gründen auch nachts weitergeführt werden muß. In diesem Falle dürfen jedoch nur erwachsene Männer be schäftigt werden. Er forderte eine wirksame Gewerbeaufsicht. Was die brennende Agrarfrage anbelangt, so erklärte sich der Kongres zunächst für den Kulturzwang, das heißt bie gesetzliche Verpflich. tung für jeden Grundbesizer, seinen Boden selbst in Anbau zu nehmen oder ihn an andere zur Bestellung zu verpachten. Die Ge nossinnen sollen bei ihrer Agitation Anhänger für diese Reform werben, damit die Vertreter des Proletariats im Landtag mit einem dies­