Nr. 8

Die Gleichheit

alte patriarchalische Verhältnis soll möglichst wieder hergestellt werden. Unter den Dienstboten sollen gefündere Anschauungen über den Wert des Dienstverhältnisses und ein edleres Standes­bewußtsein Platz greifen. Die Pflege der Charakterbildung und die Stärkung des Pflichtbewußtseins sowie das Interesse für die Angelegenheiten der Herrschaften sollen wachgerufen werden. Das sind so die Ziele, denen die Organisation der Hausfrauen dienen soll. Allerdings wird dabei auch erwähnt, daß die Herrschaften sich ihrer Pflichten gegen die Dienstboten bewußt sein müßten. Aber wer die Verhältnisse tennt, weiß auch, daß diese Mahnung nur rednerische Verbrämung für die Verfolgung der Herrschaftsinteressen ist. Der Hausfrauenbund, der in Frankfurt a. M. in diesem Monat noch ins Leben treten soll, macht sich unter anderem zur Aufgabe, neue Stellennachweise zu gründen eventuell vorhandene zu unter­stützen sowie die tonfessionellen Dienstbotenvereine zu förs dern( das wird Zeit, wenn der in Frankfurt a. M. bestehende christ­liche Verein nicht an Mitgliederschwund zugrunde gehen soll!). Auch strebt er gesetzliche Reformen an, wozu aber jedenfalls die Abschaffung der Gesindeordnung und der Dienstbücher nicht ge hören wird. Wir wissen zur Genüge, was wir an gesetzlichen Re­formen für die Dienstboten seitens der bürgerlichen Parteien zu erwarten haben. Nur die Sozialdemokratie ist bisher mit allem Nachdruck für die Beseitigung aller Ausnahmegesetze eingetreten, die auf den Dienstboten lasten; fie fordert auch die Ausdehnung der Reichskrankenversicherung, die Schaffung einer Unfallversiche­rung und anderes für alle häuslichen Arbeiterinnen. Die denten­den Hausangestellten sind nicht im Zweifel darüber, wo sie ihr Heil zu suchen haben; vom Hausfrauenbund erwarten sie alles, nur nicht eine wirksame Förderung ihrer Interessen. Die wirt­schaftliche Entwicklung hat ein Wiederaufblühen des patriarcha­lischen Verhältnisses zwischen Herrschaften und Dienenden unmög­lich gemacht; die Interessen der Hausfrauen sind denen der Dienst­boten entgegengesetzt. Halten doch die meisten Damen sogar eine begrenzte, geregelte Arbeitszeit und Festsetzung besonderer Frei­stunden für die Hausangestellte für gänzlich undurchführbar! Mögen die Hausfrauen zunächst dafür sorgen, daß der grenzenlosen Aus­beutung von Zeit und Kraft der Dienenden ein Ziel gesetzt werde, ferner dafür, daß diesen ein anständiger Lohn, eine gesunde Wohns und Schlafstätte sowie ausreichende kräftige Kost geboten wird. Manche Klagen über schlechte Dienstboten werden dann verstummen. Die Hausangestellten werden sich durch den Hausfrauenbund von der Vertretung ihrer Interessen, von der Zugehörigkeit zu ihrer Organisation nicht abhalten lassen. Pflicht der gesamten ziel bewußten Arbeiterklasse ist es, sie zu fördern und unter denen, die der Bewegung noch fernstehen, die Erkenntnis verbreiten zu helfen, daß nur der gemeinsame Zusammenschluß aller das Mittel ist, die Hausstlavin zur freien häuslichen Arbeiterin zu erheben. Man darf nicht vergessen, daß fast alle Dienstmädchen später Arbeiter­frauen werden und Mütter der künftigen Generation, die sie zu freien selbstbewußten Menschen erziehen sollen. Und damit sie in unserem Sinne an der Zukunft mitbauen tönnen, müssen sie selbst Solidarität üben und schäzen lernen.

Sozialistische Frauenbewegung im Ausland.

M. R.

I. K. Die Konferenz der sozialistischen Frauen von New York , auf die an dieser Stelle schon ausführlich hingewiesen wor den ist, hat Mitte Dezember getagt. Wie unsere Leserinnen wissen, sollte sie über die Stellung der Genossinnen zu der Auf­forderung der bürgerlichen Frauenrechtlerinnen entscheiden, den Kampf für das Frauenstimmrecht gemeinsam zu führen. Sie hatte somit eine jener wichtigen Fragen zu behandeln, die von aktueller, praktischer Bedeutung werden, wenn es das Eintreten für Forde rungen gilt, die bürgerlichen und proletarischen Frauen gemeinsam sind. In die Debatten, die einen sehr lebhaften Verlauf nahmen, griffen auch bürgerliche Stimmrechtsfämpferinnen ein. Genossin Meta Stern empfahl als Referentin über die Frage die organi­sierte Beteiligung der Genossinnen an der bürgerlichen Stimm­rechtsbewegung. Genossin Anita Block erstattete das Gegenreferat. Die Konferenz tam zu dem Beschluß, daß die sozialistischen Frauen den Kampf um das Stimmrecht selbständig, mit Hilfe der wirt schaftlichen und politischen Organisationen der Arbeiterklasse führen müssen. Er wurde in einer entsprechenden Resolution niedergelegt. Damit sind unsere New Yorker Genossinnen erfreulicherweise auf dem Boden der grundsäglichen Auffassung geblieben, die die inter nationale sozialistische Frauenkonferenz zu Stuttgart für den Kampf um das Frauenwahlrecht festgelegt hat, und die von dem Kongreß der gesamten sozialistischen Internationale sanktioniert worden ist. ed.

Frauenbewegung.

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Lina Morgenstern t. Die bürgerliche Frauenbewegung hat eine ihrer ältesten und treuesten Vorkämpferinnen verloren. Vor Weihnachten ist in Berlin 79 jährig Lina Morgenstern gestorben. Auf gar manchem Blatte der Geschichte der bürgerlichen Frauens bewegung steht ihr Name in unverlöschlichen Lettern. Die Ver­storbene gehörte zu den Tapferen, die bereits Ende der sechziger Jahre den Kampf für die Gleichberechtigung des weiblichen Ge­schlechts aufnahmen und die Forderung freier Bildungs- und Be tätigungsmöglichkeit in den Vordergrund der Bewegung schoben. Die gewissenhafte Erfüllung von Frauenpflichten auf allen Gebieten des Gesellschaftslebens, ganz besonders auf dem der sogenannten sozialen Wohlfahrtseinrichtungen, sollte nach ihrer Überzeugung die Forde rung vollen Bürgerrechts fest verankern. Lina Morgenstern war lange Vorsitzende des ersten Berliner Kindergartenvereins, sie war Mit­begründerin des ersten Kinderschutzvereins, sie zählte zu den Vor­fämpferinnen für die Gründung einer Akademie zur wissenschafts lichen Fortbildung der Frauen, einer Hausindustrieschule, einer landwirtschaftlichen Bildungsanstalt für Frauen usw. Mit Frau Guillaume- Schack zusammen trat sie für den Abolitionismus ein und half für seine Zwecke den Kulturbund" ins Leben rufen. Der Berliner Hausfrauenverein mit seiner Kochschule und seiner Stellen­vermittlung ist ihr Wert, sie regte Kurse für häusliche Kranken­pflege an. Während der Kriegszeiten von 1866 und 1870/71 mit ihrem Gefolge an Elend organisierte sie Notstandsküchen und gab damit den Anstoß zu der Gründung des Vereins Berliner Volksküchen; sie selbst richtete solche ein. Es ist unmöglich, in einer Notiz all der Anregungen zu gedenken, die die bürgerliche Frauenbewegung ihr verdankt, all der Einrichtungen, durch die die Verstorbene zur Lösung der sozialen Frage beizutragen wähnte, während sie bestenfalls die schreiende Not weniger um ein Weniges zu lindern vermochte. Vieles von dem, was sie geschaffen hat, ist heute schon überlebt. Neben der raftlosen und vielseitigen praktischen Betätigung hat Lina Morgenstern nicht die grundfäßlichen allgemeinen Forderungen der bürgerlichen Frauenbewegung vergessen. Wenn sie dem Kampfe für das Frauen­stimmrecht auch nicht führend voranschritt, so hat sie ihn doch red­lich zu fördern getrachtet. Zum Verständnis des Zusammenhangs der Frauenfrage mit der sozialen Frage hat sie sich nie durch­gerungen, sie überschäzte außerordentlich die soziale Hilfsarbeit und sonnte sich gern echt bürgerlich- liberal- in höfischer Aner­fennung und Gunst. In den Schwächen und Mängeln ihrer Auf­fassung und ihres Werkes ist sie die typische Vertreterin älteren Stils der bürgerlichen Frauenbewegung und des Bürgertums ge= blieben, in dem Wie ihrer Betätigung hat sie sich als hochherzige, opferreiche Persönlichkeit erprobt, die in ihrer Weise der Allgemein­heit zu dienen bestrebt war. Das sei ihr auch seitens der Genos sinnen nicht vergessen, die früher nicht selten die Klinge mit ihr freuzen mußten.

Verschiedenes.

Nach dem Umzug. Die neue Wohnung ist endlich mit vieler Mühe in Ordnung gebracht. Die Möbel stehen auf dem richtigen Fleck, die frisch gewaschenen Gardinen leuchten an den Fenstern. Wir fühlen uns wieder daheim. Aber nicht lange, und wir emp­finden nur zu deutlich, daß auch die neue Wohnung unseren Be dürfnissen nicht genügt. Sie ist viel zu eng für unsere lustig tollende Kinderschar, und es fehlt an Licht, Lust und Sonne. Wie gern würden wir in der schönen Jahreszeit eine Abendstunde auf einem luftigen Balkon verplaudern. Wie viel besser wären unsere Kinder in einem weiten Garten hinter dem Hause aufgehoben, als auf der Straße der Großstadt mit ihren Gefahren für Leib und Seele!

Ist es nicht merkwürdig, daß weder der Hausbesitzer noch der Baumeister an all das gedacht hat? Ja und auch nein. Ja, wenn man an die klar zutage liegenden Bedürfnisse einer Familie denkt. Nein, wenn man nicht vergißt, daß es sich nur um Arbeiterwohnungen handelt. Da muß bei der Anlage des Hauses gespart, da müssen Wohnungen und Zimmer eng zusammengedrückt werden, damit der Rasten" recht viel Miete bringt. Was den Proletariern die fapita­listische Auswucherung ihrer Arbeitskraft im Betrieb nicht abjagen konnte, was ihnen der Staat, der Zollwucher lassen mußte, das zieht ihnen der Hausagrarier aus der Tasche. Und wehe ihnen, wenn sie nicht zahlen können! Die gottgewollte Gesellschaftsordnung gibt dem Hausbesitzer dem Herrn Geier, wie die Franzosen sagen sagen das Recht, Proletarier, die nicht pünktlich ihren Tribut entrichten, furzerhand mit Kind und Kegel auf die Straße setzen zu lassen. Vorher nimmt ihnen ein aus ihren Taschen bezahlter Beamter des treusorgenden Vater Staats alles irgendwie Ent

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