Nr. 9
Die Gleichheit
College, fowie an die Mitglieder der Young Men's Christian Asso ciation ( Verein junger christlicher Männer). Frau Eva Mac Donald Valesh, die mehrere Jahre als Organisatorin der American Federation of Labor( Gewerkschaftsbundes) und als Hilfsredakteurin des„ Federationist"( Der Verbändler) tätig gewesen ist, übernahm es, die„ Aufpaffer" zu organisieren.
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Die bürgerlichen Damen haben während des Kampfes der New Yorker Blusennäherinnen nicht bloß Mitgefühl und schöne Redens arten für die Ausständigen gehabt, sondern find auch tatkräftig mit echt amerikanischer Energie für sie eingetreten. Die Millionärin Frau Belmont, von deren Unterstützung der Streifenden wir bereits berichteten, fand sich zum Beispiel mit Fräulein Morgan zufammen im Polizeigericht ein, um für verhaftete Streitposten Bürgschaft zu leisten. Hier mußte sie sechs Stunden lang von 9 Uhr abends bis 3 Uhr früh warten, ehe die vier Verbreche rinnen" vorgeführt wurden. Der Beamte scheute sich nicht, für jede einzelne Arbeiterin eine Bürgschaft von 200 Dollar( faft 900 f.) zu verlangen, obwohl oder vielmehr gerade weil er nicht wußte, daß die Bürgin über Millionen verfügt, die sie falls es ihr bes liebte für die Streifenden verwenden konnte. Als Frau Belmont ihr Haus als Bürgschaft anbot, fragte der Richter, ob es denn die geforderte Summe wert sei.„ Ich meine wohl," entgegnete Frau Belmont. Sein Wert beläuft sich auf 400000 Dollar, und ich habe 100000 Dollar darauf aufgenommen, um den streitenden Blusennäherinnen zu helfen und die Frauenstimmrechtsbewegung zu fördern." Diese Antwort der Millionärin ist in mehr als einer Hinsicht bezeichnend. Sie beweist deutlich, daß Frau Belmont, wie andere Gönnerinnen der Arbeiterinnen auch, zu rechnen, den Ein fluß der Proletarierinnen zu würdigen versteht. Die Damen wissen, daß es auch in der Stimmrechtsbewegung heißt:„ Die Menge tut es." So ganz uneigennügig und selbstlos ist also die betätigte Sympathie mit den Streifenden nicht. Davon abgesehen, daß eine arbeiter freundliche Schwalbe noch lange feinen Sommer macht, in dem die kapitalistische Ausbeutung schmilzt wie der Schnee an der Sonne.
Der Kampf der Blusennäherinnen, die meist eingewandert und unorganisiert find, hat den tatkräftigsten Beistand der sozialistischen Frauen New Yorts gefunden. Überall, wo es galt au raten und zu helfen, waren sie auf ihrem Posten. Sie eilten von Versamms lung zu Versammlung, weckten Mut und Zuversicht in den Reihen der Kämpfenden und feuerten die Wankelmütigen an. Zwei Tage vor Weihnachten veranstalteten sie ein Fest, zu dem sich Tausende von Streifenden einfanden, um bei Spiel und Tanz, bei hellem Lichtergianz und sozialistischen Ansprachen sich von den Sorgen und Nöten des Tages zu erholen. Genossinnen, die in Wort und Schrift für die Befreiung der Arbeiterklasse wirken, empfingen und bes dienten die Gäste." The Call" widmete dem Kampfe eine Extra nummer in jüdischer und italienischer Sprache, den Nationalitäten entsprechend, die unter den Blusenmacherinnen am zahlreichsten vers treten sind. Der Erlös für diese Nummer, die die Ursachen und den Verlauf des Kampfes schilderte und Polizei- und Richterwillkür feftnagelte, floß in die Streitkasse. Die Gewerkschaften haben den Mädchen, welche von den Richtern ins Gefängnis oder Arbeitshaus geschickt worden sind, in Anerkennung der Dienste, die sie der Arbeiterclasse geleistet haben, ein besonderes Ehrenabzeichen gestiftet. Im Herzen des Proletariats, in der Geschichte der Arbeiterbewegung werden sie, wie alle die Unbekannten, Ungenannten nicht vergessen sein, die durch ihren Opfermut und ihre Solidarität dazu geholfen haben, daß dieser große und merkwürdige Kampf mit dem Siege des Arbeiterinnenrechts geendet hat.
Aus der Bewegung.
ed.
Von der Agitation. Jm Süden Sachseus fanden für die Verbände der Holzarbeiter, Brauer und Brauereiarbeiter, Fabritarbeiter und arbeiterinnen im De zember in diesen Orten Betriebs- und öffentliche Versammlungen statt: Neuhausen, Bodau, Eppendorf, Deutschneu dorf, Dresden ( zwei Versammlungen), Radebeul , Gotta und Löbtau . Die Unterzeichnete sprach darin über folgende Themata: Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen", Wie wälzen wir die Wirkungen der neuen Steuern auf ihre Urs heber ab?"" Die fulturelle Bedeutung der Gewerkschaften". Fast alle Versammlungen waren sehr gut besucht, besonders aber die in Bodau und Deutschneudorf . Dort hatte der Holzarbeiterverband noch so gut wie teine Verbindungen, und es galt, sie zu schaffen. Der Versammlung in Bodau ging zu diesem Zwecke eine Hausagitation voraus, der in Deutschneudorf folgte sie. Der Erfolg war so gut, daß nunmehr in beiden Orten mit je 20
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Mitgliedern der Grundstein zur Organisation gelegt werden konnte. In dieser Gegend, dem„ sächsischen Sibirien ", herrscht eine Not, die geradezu aufreizend die Unvernunft und Gemeingefährlichkeit der göttlichen Weltordnung" predigt. Der best bezahlte Holzarbeiter bringt wöchentlich nicht mehr als 12 bis 15 Mt. heim. Davon sollen bei den teuren Preisen aller Lebensbedürfnisse und den hohen Steuern oft 5 bis 9 Kinder ernährt werden. Wehe, wem es unter solchen Umständen nicht gelingt, seine Steuern zu bezahlen! Die fommunale Steuerbehörde seht ihn unfehlbar auf die Schwarze Liste, die in allen Wirtshäusern aushängt. Kein Wirt darf sich erkühnen, dem Steuerreftanten etwas einzuschenken. Diese mittelalterliche Bestimmung wird mit aller Strenge gehandhabt. Ein Arbeiter, den das Elend auf die Liste gebracht hatte und dem ein Wirt einen Trunk reichte, erhielt einen Tag Gefängnis.„ Ich habe die Steuer bezahlt, sobald ich konnte," erzählte er mir, und nun bin ich hier." Es kommt nicht selten vor, daß dank der Schwarzen Liste für Steuerrestanten Arbeiter den Bersammlungen fernbleiben müssen. Die Not wird so zum Mittel, die Armsten der Armen in ihrer bürgerlichen Bewegungsfreiheit, in der Ausübung ihrer Rechte zu beschränken.- Die Betriebsversammlung in Rade beul war hauptsächlich für die Arbeiterinnen der Färberei und Wäscherei von Kelling bestimmt. In ihr wurden höchst ver besserungsbedürftige Arbeitsbedingungen ans Licht gezogen, von M. Wackwiz. denen noch zu sprechen sein wird.
Im Auftrag des Borstandes der Landesorganisation für das Herzogtum Anhalt unternahm hier im Monat Dezember Genossin Reize Vegesack eine Agitationstour, welche einen recht erfolg reichen Verlauf hatte. In Anhalt I sprach Genossin Reize in Dessau , Roßlau, Coswig , Zerbst , Jeßniz, Alten, Klein. kühnau und Pötniz; in Anhalt II in Bernburg , Göthen, Nienburg , Leopoldshall, Hecklingen , Neundorf und Preußlig. Fast alle Versammlungen waren sehr gut besucht. Die Referentin behandelte das Thema:„ Der Steuerraub am Volke und die Stellung der Arbeiterfrauen dazu". Genossin Reize ließ es natürlich nicht nur bei der Kritik bewenden, die das schamlose Attentat auf die Taschen des Voltes, genannt Finanzreform", verdient. Sie gab vornehmlich den Arbeiterfrauen wertvolle Fingerzeige, was von ihnen getan werden muß, um in Zukunft von ähnlichen Steuerausplünderungen verschont zu bleiben. Daß die Aufforderung zum Beitritt in die Organisation von der Referentin mit guten Gründen geftüßt wurde, beweist der erfreuliche Umstand, daß insgesamt 270 Neuaufnahmen in die Parteiorgani sation erfolgten. Die Zahl der weiblichen Parteimitglieder in Anhalt, die am Schlusse des letzten Parteijahres bereits 1200 betrug, ist damit abermals um ein Beträchtliches gestiegen. Das Parteisekretariat wendet der Agitation unter den Frauen große Aufmerksamkeit zu und wird auch dafür Sorge tragen, daß die neugewonnenen Genossinnen zu überzeugten Mitkämpferinnen heran M. G. gebildet werden.
Berlin . In einer überfüllten öffentlichen Frauenverfamms lung, in der auch zahlreiche Männer anwesend waren, sprach Genoffin H. Schlesinger- Eckstein aus Wien über Die Frau im Klaffenkampf". In eingehender Darlegung schilderte die Vortragende, wie schwer die organisierte Arbeiterklasse Österreichs gegen Pfaffen und Junterherrschaft zu kämpfen hat, wie dieser Kampf noch erschwert wird durch den Nationalitätenhader, der auch in die Reihen der Arbeiter Uneinigkeit hineintrage, von der allein die Herrschenden Vorteil haben. Sie gab darauf ein Bild von der proletarischen Frauenbewegung Österreichs , die gute Fortschritte macht, trotz der großen Macht, die Messe und Beichtstuhl" auf Geist und Gemüt besonders der Frauen ausüben. Auch in Oster reich ist der unterdrückten und entrechteten Frau in dem aufgeklärten Arbeiter ein Helfer entstanden, dem die volle Erkenntnis dafür aufgegangen ist, daß, solange die Frau anspruchslos, demütig, mit einem Worte rückständig bleibt, sie die rechtlose und bedrückte Lage des gesamten Proletariats verlängern hilft. Die Arbeiterins Mutter muß im fapitalistischen Wirtschaftssystem dieselben Berufe erfüllen wie die nicht gewerblich arbeitende Frau früherer Zeiten, aber heute muß sie außerdem noch verdienen helfen. Sie fann ihre Kinder nicht erziehen, weil sie feine Zeit hat und ihr die nötigen Kenntnisse fehlen. Genoffin Schlesinger wies besonders auf die Tatsache hin, daß vor allem das gute Beispiel der Eltern vorbildlich auf die Kinder des Proletariats wirken muß, daß das Beispiel die einzige Erziehung ist, die den meisten von ihnen zu teil wird. Aber wir brauchen heute mehr als nur für ihre Kinder fich aufopfernde Mütter, die vor lauter Arbeit aufhören, Menschen zu fein, die zu stumpfen Arbeitsmaschinen werden. Wir brauchen Frauen, die wissen, was die Gegenwart von ihnen fordert, auf daß ihren Kindern eine bessere Zukunft werde; Frauen, die sich um die