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Die Gleichheit

Vorgänge in der Öffentlichkeit fümmern, sich den gewerkschaftlichen und politischen Organisationen anschließen und damit aufgeklärte Klaffentämpferinnen werden. Solche Frauen werden ihren Kindern als einziges Erbe das hinterlassen können, was sie brauchen, um aus dem tobenden Klassenkampf als endliche Sieger hervorzugehen: Aufgehelltes Hirn, gereifte Erkenntnis, fräftige Organisation! Nicht endenwollender Beifall lohnte die begeisternden Ausführungen der Rednerin.

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m. W.

Das politische Erwachen der Frauen im Mansfelder Berg­ revier   ist eine begrüßenswerte Folge des dortigen Kampfes zwischen Ausgebeuteten und Ausbeutern. Es trat in all den Versammlungen zutage, die in der Gegend von den Genossinnen Fahrenwald, Sperling und der Unterzeichneten abgehalten wurden. Eine Freude war es, in dem Revier tätig zu sein. Überfüllte Versammlungen, Begeisterung für die gerechte Sache der Knappen, fester Wille, im Ringen um Menschenwürde und Menschenrecht nicht nachzulassen: das erfreute die tätigen Genossinnen überall. Als die Arbeiter­bevölkerung des Reviers die brutalste Macht des Kapitals tennen lernte, als sie spüren mußte, daß der Staat nicht ein Schuhherr der Armen, daß er der Nachtwächter der Reichen ist, da ist es ihnen wie Schuppen von den Augen gefallen. Mußte es nicht auf­flären, als während des Streiks fast das entsegliche Wort vom Schießen auf Vater und Mutter wahr geworden wäre? Denn eigenes Fleisch und Blut war es, das bis an die Zähne bewaffnet zum Schuße des heiligen Geldsacks in das Mansfelder Gebiet kom mandiert worden war. Kann man sich einen größeren Frevel denken? Zum Glück haben die Knappen mehr auf die Parole der Gewerk schaftsführer und Genossen gehört, als auf die Provokationen ihrer Feinde geachtet. So bekam das Militär so gut wie nichts zu tun. Zweimal allerdings mußte es das Vaterland vor dem Umsturz retten, der das eine Mal in Gestalt eines Dienstmädchens, das andere in der einer jungen Frau drohte, bie etwa mit Art, Küchenmesser oder der berühmten Petroleumkanne ausgezogen waren? o nein die vor Schaufenstern standen, um sich die Waren zu be trachten. Was doch nicht alles gefährlich werden kann! Von fünf Soldaten mit aufgepflanztem Bajonett wurden die Missetäterinnen vom Schauplatz ihrer Schandtaten entfernt, ein Vollbringen, das fast so verdienstvoll ist wie das Klopfen der Teppiche einer Frau Hauptmann oder Major. Nebenbei: wenn die von Gott   geordnete" militärische Obrigkeit die weibliche Kraft so hoch einschäßt, daß fünf bewaffnete Männer zur Abführung einer Frau notwendig sind, dann sollten auch die Frauen selbst sich höher werten, sollten wissen, daß sie Kräfte haben, die sie zum eigenen Besten und zum Wohle aller Ausgebeuteten und Unterdrückten in den Kampf einsetzen müssen. Daß die Frauen des Mansfelder Reviers einen Anfang zu dieser Erkenntnis gemacht haben, empfand die Unterzeichnete überall, wo sie referierte; es war dies in den Orten: Alsleben  , Ermsleben  , Eisleben  , Erdeborn  , Wolferode  , Welfter, Bornstedt, Klostermansfeld  , Teutschental und Schraplau  . Stärker noch als in dem Andrang zu den Versammlungen und der stürmischen Zustimmung zu dem Vortrag kam die neue Erkenntnis in den zahlreichen Beitrittserklärungen aur sozialdemokratischen Partei und dem Abonnement auf ihre Presse zum Ausdruck. Freilich: es gab auch Leute, denen die Versammlungen nicht paßten. In Bornstedt zum Beispiel äußerte der überwachende Bürgermeister nach dem Schlusse der Veranstaltung, es sei doch zu derb ge­sprochen worden". Als ob es Worte geben tönnte, die zu stark für all das Unrecht gewesen wären, das der Mansfelder Arbeiter­bevölkerung, das durch den Steuerraubzug der ganzen deutschen Arbeiterklasse angetan wurde! Redete dieses Unrecht nicht selbst mit feurigen Zungen? Des weiteren wollte es dem Herrn nicht recht in den Kopf, daß auch Männer gesprochen hätten, obwohl es eine Frauenversammlung gewesen sei". Dem Wirte waren so viele Hote" im Saale sicher nicht angenehm sie verzehrten zu wenig. Als ob sich aus einem schmalen Beutel viel ausgeben ließe! Der Mann, ein früherer Feldwebel, will sein Lokal nicht wieder für Versammlungen hergeben. Sei es! Mögen aber auch die Ar­beiter den richtigen Schluß aus seinem Verhalten ziehen und ihre paar Pfennige dorthin tragen, wo sie gern gesehen sind. Nicht in allen Orten, wo unsere Agitation einsetzte, ist die Industrie be ziehungsweise der Bergbau vorwiegend. Es mußte daher auch mit ländlicher Bevölkerung gerechnet werden. Auch sie beginnt sich zu regen. In mancher Versammlung haben mir arme Gutsarbeite rinnen unter Tränen ihre bedrängte Lage geschildert und bestätigt, wie zutreffend sei, was die Sozialdemokraten darüber und über die Mittel zur Verbesserung sagen. Die Arbeit und das Vordringen der jungen Landarbeiterorganisation macht sich in der Gegend fühl­bar. Obgleich im Mansfelder Bergrevier das Kapital äußerlich gefiegt hat, werden die Herren Dividendenschlucker und ihre Lataien

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nicht lange Freude an diesem Sieg haben. Herr Dr. Arndt, der Freund und warme Verteidiger des rühmlichst bekannten Kolonial­Peters, wird bald vergebens Ausschau nach dem früheren Heer reichstreuer, nichtmucksender Knappen halten. Die Aufklärung, die der Kampf gebracht hat, fann weder durch die Sperre, noch durch ,, Strafentlohnung" wieder aus den Köpfen geprügelt werden. Das Feld für weitere Belehrungs- und Belehrungsarbeit liegt offen. Unser aller Aufgabe muß es sein, die sozialistischen   Ideen darauf zu säen und sorgsam die Saat zu pflegen, damit sie der Ernte ent gegenreift. Berta Pollender. Jahresbericht über die sozialdemokratische Frauenorgani fation in Offenbach  . In gutbesuchter öffentlicher Frauen­versammlung referierte Anfang Januar Genoffin Selinger­Wulfrath über das Thema: Was muß die Frau vom Staate verlangen?" Die Ausführungen der Rednerin wurden mit leb haftem Beifall aufgenommen, eine Diskussion knüpfte sich an den Vortrag nicht. In der darauf folgenden Mitgliederversamm Iung erstattete Genossin Peine   den Jahresbericht. Er gibt im ganzen das Bild einer erfreulichen Aufwärtsbewegung. Die Frauenagitationstommission hat eine sehr rege Tätigkeit entfaltet. Es wurden abgehalten: 7 Sigungen der Kommission, 4 Mitglieder, 2 öffentliche und 12 Bezirksversammlungen. Als Redner waren tätig die Genossen Rint, Schmitt, Bruhns und Ulrich, sowie Genossin Wadwig. Die Versammlungen waren mit einer einzigen Ausnahme gut besucht. Eine neue Einrichtung waren die Bezirksversammlungen. Durch die Einteilung der Stadt mit Bürgel in Bezirke soll den Frauen Gelegenheit geboten werden, ohne viel Zeitverlust und lange Wege sich in periodischen Zusammenfünften Belehrung zu verschaffen. Es ergingen zu den Bezirksversammlungen viertausend Einladungen, außerdem wurde eine umfassende Hausagitation durch Genossinnen vorgenommen. Alle diese Veranstaltungen brachten ein beachtliches Resultat, näm­lich einen Zuwachs von 118 weiblichen Mitgliedern für den Partei­verein. Ferner wurden für die Mitglieder der Agitationskommission Diskussionsabende abgehalten, an denen auch andere Genossinnen teilnahmen. Zur Kreiskonferenz wurden die Genofsinnen Blöser und Peine  , zur Landeskonferenz ward Genossin Frank gewählt. In den Kreisvorstand wurde Genossin Peine   delegiert. Bis zum Jahre 1907 war von einer Frauenorganisation in Offenbach   kaum die Rede, wie aus den nachstehenden Ziffern zu ersehen ist. Von den 265 Genoffinnen, die Anfang Januar dem Sozialdemokratischen Verein Offenbach angehörten, sind der Partei von 1898 bis 1907 inklusive nur 50 Genossinnen, 1908 aber 102 und 1909 118 beige. treten. Der Erfolg wird die Genossinnen zu weiterer Agitation mächtig anspornen. Nur 18 Frauen haben im Laufe des letzten Jahres der Organisation wieder den Rücken gekehrt, 9 sind fort­gezogen, 2 gestorben. Für den geringen Beitrag von 25 Pf. monat lich erhalten die Genossinnen die Gleichheit" umsonst zugestellt und haben zu allen Parteiveranstaltungen Zutritt. Am Schluß des Vorjahres waren in der Kasse der Agitationskommission 81,97 Mt. Raffenbestand vorhanden, dazu tam Zuschuß vom Kartell 34 Mt., vom Sozialdemokratischen Verein 66 Mt., zusammen gleich 181,97 Mt. Die Ausgaben betrugen 175,31 Mt., so daß am Jahres­schluß 1909 ein Rassenbestand von 6,68 Mt. vorhanden war. Ge nofsin Beine bemerkte am Schluffe ihres Berichtes, die Kommission glaube ihre Pflicht erfüllt zu haben, sie erwarte auch im neuen Jahre die energische Unterstützung durch die Genossinnen. Eine Diskussion fand nicht statt. Die bisherigen sieben Mitglieder der Frauenagitationskommission wurden einstimmig wiedergewählt. Hoffentlich schließt das laufende Jahr mit einem ähnlichen Bu­wachs an Mitgliedern wie das vergangene.

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F.

Von der Dresdener   Kinderschuhkommission. Die Dresdener  Kinderschuhkommission hat zu Beginn des vergangenen Sommer­halbjahres durch Veranstaltung von Kinderausflügen das Ge biet ihrer Tätigkeit erweitert. Sie hofft, damit wieder einen Schritt vorwärts getan zu haben zum besseren Schuß der proletarischen Kleinen. Wie not dieser tut, beweisen die verschiedensten Tat­sachen. Im Jahrhundert des Kindes" werden die sich anfangs vorigen Jahres eingeführten Jugendgerichtshöfe mit Fällen übers häuft. Trotz der scheinbaren Bemühungen der bürgerlichen Gesell­schaft für die Erziehung fizzen an jedem Verhandlungstag eine Anzahl Kinder auf der Anklagebant, fast ausschließlich Proletarier­finder, deren Vergehen meist eine unvermeidliche Folge der Ver hältnisse ist, in denen die Armsten leben und verderben müssen. Eine Kinderschuhkommission hat nun gewiß die Aufgabe, das Kind vor Ausbeutung durch den Arbeitgeber zu schüßen und einzugreifen, wenn es vor dem Richter steht, um seine Strafe zu mildern oder sein späteres Fortkommen zu erleichtern. Es darf ihr aber nicht genügen, erst nachträglich für das Kind einzuspringen, wie es die