Nr. 9

Die Gleichheit

wie seither. Allein trogbem scheint es, daß die Gewerkschaftsbewe gung den toten Punkt überwunden hat, so daß eine Periode neuer Erfolge für sie anhebt.

Anscheinend müssen um das bißchen Arbeiterinnenschutz, das die neue Gewerbeordnungsnovelle feftlegt, insbesondere für die um eine halbe Stunde verkürzte Arbeitszeit an Sonnabenden und den Vorabenden der gesetzlichen Feiertage erst noch Kämpfe geführt werden. Wie wir schon an dieser Stelle berichteten, find es namentlich die Unternehmer im graphischen Gewerbe, bie die Neuerung arg beschwert. Besonders der Schuhverband für das Steindrudgewerbe will eine halbe Stunde Arbeitszeit verkürzung nicht zulassen. Er hat jezt eine Arbeitsordnung aufgestellt, die diese lächerlich geringe Reform aufhebt. Die Ar beiterinnen erklären sich aber mit gutem Recht gegen die betreffende Bestimmung wie überhaupt gegen die gesamte Arbeitsordnung.

Der Ausstand der Buchdrudereihilfsarbeiterinnen in Dresden ist zurzeit noch nicht beendet. Versuche zu seiner Beilegung sind vom Verband der Buchdrucker und vom Tarifamt des Buchdruckgewerbes gemacht worden. Es handelt sich um die Entscheidung darüber, ob die Buchdrucker tariflich verpflichtet sind, mit geübten Streitbrechern zusammenzuarbeiten. Sie sind nicht ge­halten, ungeübte Hilfsarbeiterinnen anzulernen oder Arbeiten des Hilfspersonals zu verrichten. Wohl aber müssen die Obermeister und Lehrlinge anlernen, und die Gehilfen müssen mit den so Ans gelernten arbeiten. Deshalb konnte der Betrieb bei einigen be streiften Firmen notdürftig aufrechterhalten bleiben.

Der Reichstarif im Malergewerbe ist angenommen worden. Von 16720 Mitgliedern des Verbandes, die an den dars über entscheidenden Versammlungen teilnahmen, haben 8832 für und 6192 gegen die Schiedssprüche der Unparteiischen gestimmt. In einer Reihe größerer Städte waren die Maler mit der geringen Lohnaufbesserung nicht zufrieden. In 200 größeren und kleineren Städten, besonders in Süddeutschland , stimmten dagegen erhebliche Mehrheiten dem Tarif zu, weil sie von ihm eine wesentliche Ver­besserung ihrer Arbeitsverhältnisse erwarten. Mit dem Resultat der Abstimmung dürfte der Friede im Malergewerbe für drei Jahre gesichert sein.

Über das Wirken des Zwangsarbeitsnachweises für die Bergarbeiter des Ruhrreviers tann nach der furzen Zeit feines Funktionierens noch kein abschließendes Urteil gefällt wer den. Soviel ist indessen sicher, daß seine Einführung die Kampfes stimmung gefördert hat. Von seiten der Grubenproletarier wie der Grubenherren wird Vorsorge für einen eventuellen Kampf ges troffen. Die Bechenritter lassen durch Agenten fremde Arbeiter überall anwerben, wo es eine rückständige, bedürfnislose Bevölke rung gibt; sie wollen sich eine arbeitswillige Garde züchten. Die Arbeiter sind ihrerseits bestrebt, einen starten Kampffonds zu fammeln und haben die Losung, überschichten zu vermeiden. An gesichts der Empörung und Entschlossenheit der Grubenarbeiter dürfte ihren brutalen Ausbeutern mehr als ein Strich durch die Rechnung gemacht werden. Die aus allen Weltgegenden zusammen getrommelten Arbeiter sind nicht Felsen, auf die der Kapitalismus unter allen Umständen und auf die Dauer bauen kann. In stür­mischen Zeiten werden auch sie mit fortgerissen, zumal wenn ihnen in der Zwischenzeit der Gedanke der gewerkschaftlichen Organi fation nahe gebracht wird. Die moralische und materielle Stär fung der Gewerkschaftsorganisation geht aber zielbewußt ihren unaufhaltsamen Gang. Der kritische Augenblick wird die Berg arbeiter gerüstet finden. Die vier Bergarbeiterverbände haben in einer gemeinschaftlichen Sitzung Stellung zur Erhebung von Sonderbeiträgen genommen. Die Vertreter des alten Verbandes und die der polnischen Berufsvereinigung erklärten, daß ihre Organisation die Erhebung von Extrabeiträgen bereits beschlossen habe. Dagegen teilten die Vertreter der Christlichen und Hirsch Dunckerschen Verbände mit, daß diese demnächst eine Ürabstimmung über die Frage vornehmen werden, bei der aller Erwartung nach fich die übergroße Mehrheit der Mitglieder für Extrabeiträge erklären wird. Den prozigen Grubenherren tann somit zu passender Zeit zum Tanze aufgespielt werden.

Der Lohnkampf in der Vogtländischen Schiffchenstideret ist mit teilweisem Erfolg für die Sticker beendet. Die noch mangel hafte Organisation der Sticker ließ größeren Erfolg nicht erreichen.

In der Kartonnageindustrie in Plauen und Umgegend bereitet sich eine größere Tarifbewegung vor, an der auch bie Arbeiterinnen stark beteiligt sein werden. Die sehr niedrigen Löhne bort schreien förmlich nach Aufbefferung. Die entsprechenden Forde rungen wurden den Unternehmern vorgelegt.

Eine Maffentlage von Arbeiterinnen und Arbeitern, zusammen etwa 250 an der Bahl, hat das Gewerbegericht in Lech .

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haufen zu gewärtigen. Wie wir schon berichteten, hatte dort die Blühfadenfabrit eine Arbeiterin sofort entlassen, weil sie nicht Streifarbeit verrichten wollte. Ihrer Klage auf Lohnzahlung für vierzehn Tage wegen fündigungsloser unberechtigter Entlassung hatte das Gewerbegericht stattgegeben. Weil die Firma feinen Ersatz für die Streifenden der einen Abteilung bekommen konnte, stockte ber ganze Betrieb. Die Direktion verfügte nun ganz eigenmächtig, ohne Rücksprache mit den Arbeiterinnen, eine Verkürzung der Ar­beitszeit um drei Tage wöchentlich. Eine entsprechende Entschädi­gung für den Verdienstausfall lehnte fie ab. Daher ist es zu der Maffenflage gekommen.

Die Initiative eines Polizeileutnants bei einem Streit verdient befondere Erwähnung. In Berlin streiften in einer Galanterie. warenfabrit( Bilderrahmen) 25 Arbeiterinnen und 11 Arbeiter. Der Leutnant des Polizeireviers, in dem der Unternehmer wohnt, ließ diesen und den Vertreter der Organisation in sein Bureau kommen, um zu verhandeln. Es gelang ihm, einen Vergleich her­beizuführen. Jedenfalls ist dieser Polizeileutnant ein weißer Rabe unter feinesgleichen. Ein Polizeileutnant, wie er sein soll, hat darauf zu sehen, daß die Streifpoften entfernt und arretiert und die Streifenden zur Räson gebracht werden eventuell mit der blanten Waffe. Nicht unmöglich, daß in diesem Falle für den Beamten noch ein Rüffel hintennach kommt. Wozu gäbe es vor­gesetzte Behörden"? #

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Zur Tarifbewegung in der Holzindustrie. Anfang Januar fand in Berlin eine Konferenz zwischen den Vorständen des Schutzverbandes, des Deutschen und des Chriftlichen Holzarbeiter verbandes und des Hirsch- Dunckerschen Gewerkvereins statt, die von den Arbeitgebern berufen war. Hierbei versuchten die letzteren, die Vertreter der Arbeiterorganisationen, die diesmal gemeinsam vorgehen, zur Reduzierung der Arbeiterforderungen seitens der einzelnen Zahlstellen zu veranlassen. Die Vorstände der Arbeiter­verbände mußten ein solches Ansinnen natürlich ablehnen. Es ist nun inzwischen an den einzelnen Orten weiter verhandelt worden. Der Schutzverband hatte versprochen, seine Mitglieder anzuweisen, auch dort zu verhandeln, wo diese dies bisher davon abhängig machten, daß die Arbeiterforderungen herabgesetzt oder zurückgezogen würden. Soweit befannt geworden ist, haben diese örtlichen Ver­handlungen die Parteien seither einander nur wenig näher ge­bracht. Vor allem verharren die Arbeitgeber bei ihrer Ablehnung einer jeden Arbeitszeitverkürzung. Inzwischen hat schon ein Unter­nehmer in 8uffenhausen die Aussperrung troß der gegen­teiligen Abmachung der Zentralvorstände vorgenommen. Man darf wohl annehmen, daß der Kampfesmut dieses Fabrikanten durch Arbeitsmangel gestärkt ist. Der Holzarbeiterverband hat in den letzten Wochen einen starken Zuftrom neuer Mitglieder ge habt. Nicht nur die Mitgliederverluste der Krisenjahre sind da­durch ausgeglichen worden, sondern die Organisation hat mit 152000 den höchsten Mitgliederbestand bereits überschritten, den fie jemals gehabt hat.

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Der Verband der Buch- und Steindruckereihilfsarbeiter und arbeiterinnen fonnte nach langem Bemühen in Halle a. S. einen Tarifvertrag abschließen, der sich auf die Allgemeinen Bestimmungen" ftüßt, welche die für ganz Deutschland geltende Grundlage aller örtlichen Tarife bilden. Anlaß dazu gab ein Streif in der Waisenhausdruckerei, der mit einem Erfolg endete. Anlege rinnen erhalten nun als Mindestlohn 11 Mt.; Lernende fangen mit 7,50 Mt. an und bekommen pro Vierteljahr 75 Pf. Zulage, bis sie den Mindestlohn erreicht haben; der Lohn von Arbeiterinnen, die mit 6 Mt. anfangen, steigt in einem Jahre bis auf 9 Mt. Arbeiter erhalten nach dem zweiten Jahre 20 Mt., nach dem fünften minde stens 21 Mt. Die erzielten Erfolge sind nicht gerade groß, bedeuten aber doch eine wesentliche Aufbesserung der bisherigen Löhne, die ganz erbärmlich waren. In Nürnberg hatten einige Unter­nehmer eine eigenartige Vergütung der manchmal recht reichlichen Überstunden eingeführt. Sie gaben nämlich ihren Arbeiterinnen dafür pro Woche eine Maß Bier! Es ist dem Verband ge­lungen, dort Verkürzung der Arbeitszeit, Lohnerhöhungen von 50 Pf. bis 1 Mt. und die festgesetzten Zuschläge für Überstunden zu ers ringen. In der neugegründeten Bahlstelle Schwabach versuchten die Arbeiterinnen Lohnerhöhungen zu bekommen; sie erreichten ohne Streit, daß ihnen Zulagen von je 50 Pf. gewährt wurden. Dieser erste Erfolg des Zusammenschlusses wird hoffentlich dazu beitragen, bie Organisation zu stärken und zur Erringung größerer Vorteile fähig zu machen. In Hanau a. M. ist es gelungen, die Buchdruck­arbeiterinnen zu organisieren. Der Erfolg blieb nicht aus. Die Organisationsleitung tam mit den Unternehmern zu einem Tarif­abschluß, der den Anlegerinnen, die Löhne bis herab zu 9 Mt. hatten, 18 Mr. Minimallohn sichert. Die wenigen, die diesen Lohn