Nr. 10
Die Gleichheit
70. Geburtstag die herzlichsten Glückwünsche dar. Möchte es August Bebel vergönnt sein, in Deutschland wie in anderen Ländern noch die Befreiung der proletarischen Frauen zu erleben! Für den Verband der sozialdemokratischen Frauen in Finnland : Hilja Pärssinen, Helsingfors .
Bon jenseits des Ozeans.
Im Namen der sozialistischen Frauen von Amerika schließt sich das nationale Frauenfomitee der„ Socialist Party" den Genossinnen aller Länder an, die gekommen sind, um unserem August Bebel zu seinem siebzigsten Geburtstag die Bezeugungen ihrer Liebe und Verehrung darzubringen.
Wohl dürfen auch wir unser August Bebel sagen. Obgleich der Ozean zwischen unserem Lande und dem seinen liegt, obgleich wir einem anderen Volfe angehören und eine andere Sprache sprechen, so ist er doch unser im Herzen und im Geiste. Denn international, wie der Sozialismus selber, ist August Bebel und sein unsterbliches Buch, das er den Frauen geschenkt hat.
Als der Proletarier schon den Weg erkannt hatte, der zur lichten Höhe der Befreiung führt, war die Proletarierin noch in dem troftlosen Dunkel ihrer tausendjährigen Knechtschaft befangen. Noch erkannte sie nicht, daß der Kampf des Prole tariats auch der ihre war, daß die unterdrückte Klasse und das unterdrückte Geschlecht ein gemeinsames Ziel zu erstreben haben. Und der Proletarier begriff noch nicht, daß er nicht allein auf die Höhe gelangen und die Frau zurücklassen könne im Dunkel; daß Mann und Frau gemeinsam zimmern müssen an der Zu funft hehrem Tempelbau.
Da fam Bebels Buch. Wie ein Weckruf drang es durch die Welt. Die Proletarierfrauen, sie, die Sklavinnen der Sflaven, die das doppelte Joch ihres Geschlechts und ihrer Klasse tragen, rüttelte es empor aus ihrem langen, schweren Schlafe. Es griff hinein in die halbverschleierten Tiefen der Vergangenheit und zeigte der Frau:" Siehe, nicht immer bist du dem Manne untertan gewesen. Einst, in grauen, vorgeschichtlichen Zeiten, warst du frei. Darum ist deine Abhängigkeit vom Manne fein ewiges, unabänderliches Naturgebot, und du vermagst wieder frei zu werden." Es zeigte ihr deutlich den langen, Es zeigte ihr deutlich den langen, langen Leidensweg, den sie gegangen war von den ersten Anfängen der Kultur bis zur Gegenwart. Es ließ sie einen Blick tun in die Fernen der freudigen Zukunft, in der sie ein Vollmensch sein wird, frei, wie ihre Ahnen jener grauen Vorzeit, aber veredelt und verklärt, auf den Gipfeln der Kulturmensch heit. Bebels„ Die Frau und der Sozialismus" ist der Grundstein, auf dem sich die proletarische Frauenbewegung aller Länder aufgebaut hat. Kommende Geschlechter werden in diesem Werke ein historisches Dokument erkennen von der Knechtschaft und der Befreiung der Frau.
Der 22. Februar ist in den Vereinigten Staaten ein natio naler Feiertag. Es ist der Geburtstag des Mannes, der vor 130 Jahren für das Prinzip der politischen Freiheit kämpfte, des ersten Präsidenten unserer Republik , George Washington . Heute steht diese Republik unter der Geldherrschaft des Rapitalismus, und die demokratischen Grundsätze der Redefreiheit, Preßfreiheit und Versammlungsfreiheit, für die unsere Freiheitshelden von damals fämpften und starben, werden nur allzuoft von den Machthabern der Gegenwart mit Füßen getreten. Aber der Geist des Sozialismus schreitet auch hier unaufhaltsam weiter.
Vielleicht werden dereinst unsere Nachkommen, hüben wie drüben, den 22. Februar feiern als den Geburtstag jenes Mannes, der sein Leben lang gearbeitet und gefämpft hat für das höchste Jdeal, das der Menschengeist gegenwärtig zu er fassen vermag: die Befreiung der gesamten Menschheit von ökonomischer Knechtschaft.
In diesem Geist wollen wir den Tag heute schon festlich begehen, und wir freuen uns, daß der Mann, dessen Lebenswerk wir hier ehren, noch rüftig und arbeitsfreudig in unserer Mitte weilt. Heil unserem August Bebel zu seinem Ehrentag!
Das nationale Frauenfomitee der Socialist Party ": Meta 2. Stern. Theresa Malfiel. Dr. Antoinette Konikow. May Wood Simons. Winnie Branstetter.
Politische Rundschau.
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Die preußische Vorlage zur Anderung des Wahlrechts ist heraus. Sie hat alle Erwartungen weit hinter sich gelassen. Auf ein total ungenügendes Machwert, das den Namen Reform mit demselben Unrecht führen würde, wie der preußische Polizist ben Namen Schuhmann trägt, war man gefaßt. Eine Verschlechterung des miserabelsten aller Wahlsysteme hatte man aber für unmöglich gehalten. Die preußische Junterregierung hat jedoch das anscheinend Unmögliche fertiggebracht. Sie hat eine Vorlage ausgeheckt, die die Entrechtung der großen Masse der Nichtbesißenden noch verschärft! Diese Vorlage ist nicht besser zu charakterisieren als durch den Ausspruch des freisinnigen Abgeordneten Gothein, sie werde der größten aller Parteien, der Sozialdemokratie, jede Möglichkeit nehmen, überhaupt noch eine Vertretung im Abgeordnetenhaus zu erlangen! Einerlei, ob das zutrifft oder nicht jedenfalls zeigt der Ausspruch, welchen Eindruck die Spottgeburt der preußischen Bureaukratie auf den ersten Anblick macht, wie scharf ihre voltsfeindlichen Züge hervortreten. Sie ist in der Tat ein unerhört frecher und zugleich feiger Fauftschlag ins Angesicht der großen Masse des arbeitenden Volkes, eine ungeheuerliche Verhöhnung der Forderung nach dem gleichen Rechte, eine maßlos unverschämte Herausforderung, die zur Entrechtung den empörendften Spott fügt, den die Väter des Entwurfes faum hinter einigen heuchlerischen Beschönigungsreden zu verstecken suchen. Dieser verächtliche und brutale Fußtritt, den diese Vorlage für die Millionen der Proletarier und fleinbürgerlichen Schichten darstellt, muß das Blut selbst der Ruhigsten und Kältesten zum Sieden bringen. Jedermann unter den Nichtbesitzenden, der noch einen Funken Ehrgefühl besitzt, muß sich aufbäumen gegen die freche Nichtachtung, die ihm aus den Spalten des Entwurfes entgegengrinst. Wenn der preußische Ministerpräsident nach einem Mittel gesucht hätte, den Wahlrechtskampf des preußischen Proletariats zur äußersten Schärfe zu treiben, er hätte kein besseres finden können als seine Wahlreform". Sie muß in der Arbeitertlasse den eisernen Willen schmieden, mit Aufgebot der äußersten Kraft dem übermütig provozierenden Feinde zu Leibe zu rücken!
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Die Vorlage bringt kein gleiches Wahlrecht ja nicht einmal eine Annäherung daran! Sie bringt fein geheimes Wahlrecht, sie bringt nicht die Beseitigung der Ungleichheit der Wahlkreise. Das einzige, was einer Verbesserung einigermaßen ähnlich sieht, ist die Ersetzung des indirekten Wahlverfahrens durch das direkte. Eine Nebensächlichkeit, die Beseitigung einer Unbequemlichkeit, die von allen Niederträchtigkeiten des Systems am wenigsten drückend war, deren Fortfall von der Wahlentrechtung der Minderbemittelten auch nicht ein Jota nimmt. Dafür wird der Klassencharakter des Wahlsystems verschärft, die Scheidung der Proleten von den Besitzenden noch strenger gestaltet. Steuerbeträge über 5000 Mt. sollen bei der Bildung der Abteilungen nicht angerechnet werden. Damit wird verhütet, daß die Millionäre die erste Klasse für sich monopolisieren und Besitzende noch in die dritte Klasse hinabgedrückt werden- sie steigen in die zweite Klasse, auf daß die Proleten, die Arbeiter, Handwerker und Bauern, in der dritten Klasse unter sich bleiben. Die ganze Wirkung dieser Verbesserung" wird allenfalls sein, daß in die dritte Klasse, statt wie jetzt 82," nur" noch 75 Prozent der Wähler gehören. An der Entrechtung der großen Masse wird nichts geändert, nur einigen besserfituierten Mittelständlern wird die Ges nugtuung bereitet, daß sie eine Klasse höher rücken dürfen und nicht mehr mit den Proleten gemeinsam zu wählen haben.
Diese Genugtuung soll außerdem den Leuten gewährt werden, die über staatlich attestierte Bildung verfügen. Wer ein Universitäts -, staatliches oder firchliches Examen zehn Jahre hinter sich hat, rückt eine Wählerklasse auf. Wer seit fünfzehn Jahren die Berechtigung zum Einjährig- Freiwilligendienst hat, darf von der britten in die zweite Klasse aufsteigen, allerdings vorausgesetzt, daß er mindestens ein Einkommen von 1800 Mt. versteuert, dem ganz armen Teufel nützt auch die staatlich attestierte Bildung nichts. Außerdem gibt es noch solche Privilegien für Reichstags-, Landtags- und un befoldete Magistratsmitglieder, sowie für solche, die es mindestens zehn Jahre gewesen sind, sowie für Inhaber oder gewesene Inhaber von gewissen kommunalen und Verwaltungsehrenämtern, und endlich wird der höheren Bildung gleichgestellt der Militärberuf. Wer mindestens zehn Jahre aktiver Offizier war, tommt eine Klasse hinauf, und wer Unteroffizier gewesen, mindestens zwölf Jahre im Heere gedient und seit mindestens fünf Jahren den Zivilversorgungsfchein hat, der steigt von der dritten in die zweite Klasse. So werden die Offiziere und die Unteroffiziere auch im Wahlrecht über die ganz Gemeinen gestellt, so wird die militärische Klasseneinteilung auch auf die Staatsbürger übertragen. Daß die aus den Unter