Nr. 11
Die Gleichheit
werden, weil die weitaus größte Bahl der Mitglieder nicht in die Generalversammlung fommt. Die Erfahrung lehrt aber, daß auch die loyalsten Generalversammlungsbeschlüsse gefährlich werden, wenn die Masse der Mitglieder nicht dahinter steht. Massenaustritte sind dann sehr oft die Folge, womit die Lage des Vereins verschlimmert, ja jedes Weiterbefieha geradezu in Frage gestellt wer den kann. Es muß also eine planmäßige und umfassende Aufklärung der Mitglieder positiven Beschlüssen vorangehen. In diesem Sinne arbeiten nun zurzeit die sächsischen Kosumvereine, und geschieht das mit Ausdauer weiter, so wird sicher der erwünschte Erfolg nicht ausbleiben. Es sind bereits in einzelnen Bezirken Vorträge vor Verwaltungsmitgliedern gehalten worden, weitere, auch für die Mitglieder, follen folgen. In speziellen Flugblättern soll an jedes einzelne Mitglied herangegangen und auch sonst alles mögliche getan werden. Vor allem wird die Verbandsleitung nicht mehr locker lassen dürfen, wird sie mit ihrer Autorität den einzelnen Verwaltungen beizustehen haben. Der Verbandsvorstand sagt unter anderem in einem Zirkular:„ Die Leistungsfähigkeit und die Kon turrenzfähigkeit solcher Vereine, die hohe Dividende ausschütten, wird ohne Zweifel stark beeinträchtigt und in der Bewegungsmöglichkeit werden sie gehemmt. Solche Vereine sind nicht imstande, ihre Aufgaben so zu erfüllen, wie es heute von jedem Verbandsverein erwartet werden muß. Nicht einmal das Notwendigste, die genossenschaftliche Agitation, üben sie aus; sie abonnieren weder die Konsumgenossenschaftliche Rundschau" noch das„ Konsumgenossenschaftliche Boltsblatt". Wie sollen sich aber die Mitglieder solcher Vereine mit den genossenschaftlichen Grundsätzen vertraut machen können und wie soll der Genossenschaftsgedanke vertieft und verbreitet werden können, wie ist eine Erziehung der Mitglieder in genossenschaftlichem Geiste und eine Werbung neuer Mitglieder möglich, wenn nichts getan wird zur Förderung der Genossenschaften? Würde nicht auch der Kampf gegen die Dividendenseuche durch eine stete Belehrung wesentlich erleichtert?" Im Reiche wird man es freudig begrüßen, daß die Sachsen endlich ernsthaft an die Bekämpfung der Dividendenseuche" gehen.
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Eine außerordentliche Generalversammlung der Großeinlaufsgesellschaft deutscher Konsumvereine fand am 17. Januar in Hannover statt. Ihre Einberufung erwies sich als notwendig, weil die Großeinkaufsgesellschaft verschiedene Bauten vorzunehmen hat, wozu die Generalversammlung ihre Einwilligung erteilen mußte, die statutengemäß bei allen Bauten erforderlich ist, beren Kosten 100000 Mt. übersteigen. Die Großeinkaufsgesellschaft deutscher Konsumvereine plant eine bedeutende Erweiterung ihres Verwaltungsgebäudes in Hamburg , das sich jetzt schon als zu klein erweist, obwohl es erst Ende 1907 bezogen wurde. In Hamburg soll auch ein neues Lagerhaus errichtet werden mit vergrößerter Kaffeerösterei, Gewürzmühle und anderem mehr; ferner bedarf das Lagerhaus in Mannheim einer Vergrößerung, während in Gröba Riesa auf dem Terrain der Seifenfabrit der Großeinkaufsgesell schaft ein neues Lagerhaus erstehen soll. Die Generalversammlung erteilte allen diesen Bauplänen ihre Genehmigung.
Der Gesamtumsatz der englischen Großeinkaufsgesells schaft im Jahre 1909 hat die erste halbe Milliarde überschritten; er beträgt 513460000 Mt. und ist um 15400 000 mt. höher als im Jahre 1908. Die Produktivabteilungen sind an diesem Umsatz mit 124100000 Mt. beteiligt; sie haben demnach im Jahre 1909 für 9120000 Mt. mehr geliefert als im Vorjahr. Von dem Gesamt umsatz entfallen auf Kolonialwaren und Lebensmittel 419 480 000 mt., auf Konfektions-, Schuh, Tuchwaren, Möbel usw. 93980000 Mt. Von den in eigenen Fabriken hergestellten Gütern sind Lebens- und Genußmittel im Betrag von 100800 000 Mt., andere Artikel im Betrag von 28300000 Mt. Jm Vorjahr wurden produziert Lebensund Genußmittel für 91 780 000 Mt., andere Artifel für 23 200 000 Mt. Die selbstproduzierten Lebens- und Genußmittel machen 24 Prozent, die selbstproduzierten sonstigen Güter 24,8 Prozent des respektiven Gesamtumfaßes dieser beiden Hauptabteilungen aus. Jm ganzen beträgt das Verhältnis der selbstproduzierten Waren zum Gesamts umfay 24,2 Prozent. Gegen das Vorjahr ist der Wert der in eigenen Fabriken hergestellten Güter um 7,9 Prozent gestiegen.
In Finnland ist ein langgehegter Plan durch die Eröffnung eines Genossenschaftsinstituts verwirklicht worden. Durch dieses Institut sollen Verwalter und Leiter von Genossenschaften eine beffere Fachbildung erhalten und mit den Prinzipien des Genossenschaftswesens bekannt werden. Das finnische Genossenschaftsinstitut ist so organisiert, daß der Unterricht durch einen für alle Teil nehmer gemeinsamen Kursus eingeleitet wird, welcher awei Wochen dauert. Gleichzeitig mit diesem Kursus laufen drei Spezialkurse. Die allgemeinen Kurse bestehen aus einer Serie Vorlesungen über Genossenschaftstheorie und Genossenschaftsrecht. Die Spezialfurfe
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umfassen Vorlesungen über Verwaltung der betreffenden Genossenschaften sowie Unterricht in der Buchführung, wozu dann noch Unterricht in der Handelslehre, Handelsgeographie, Organisation des landwirtschaftlichen Bezugs usw. hinzukommt. Am ersten Rurfus des Genossenschaftsinstituts nahmen 109 Personen teil, welche bereits alle praktische Erfahrungen in der Zeitung von Genossenschaften besaßen. Als Lehrer wirkten der Sekretär und verschiedene Beamte der Gesellschaft Pellervo sowie die Direktoren und Beamten der Zentralgenossenschaften.
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Notizenteil.
Dienstbotenfrage.
H. F.
Die polizeiliche Auflösung der Braunschweiger Dienstbotenorganisation wird sicherlich manche„ gute deutsche Hausfrau" mit einem Gefühl inniger Befriedigung erfüllt haben. Endlich, endlich hat die Behörde eines Ortes entdeckt, was ihres Amtes ift zum Schuße der Zucht, Sitte, Ordnung und wie all die ,, heiligsten Güter" heißen mögen, die einer richtigen, Gnädigen" so teuer sind. Bom Anfang seines Bestehens an hatte es ber+++ Dienstboten verein in Braunschweig der rühmlichst bekannten Polizei dieser Stadt angetan. Gleich die Gründungsversammlung am 18. Nos vember 1908 führte dazu, daß ihr Einberufer und Leiter, Genosse Wesemeier mit einem Strasmandat bedacht wurde. Er wurde nämlich des schauderhaften Verbrechens beschuldigt, daß diese Ver fammlung eine politische gewesen sei, die er nicht vorher angemeldet habe. Bei der Verhandlung über diesen staatsumstürzenden Fall hat die hohe Löbliche alles andere als Lorbeeren geerntet. Aber das hat sie nur angeeifert, dem verdächtigen Verein auch fernerhin ihre besondere liebevolle Sorgfalt zu widmen. Was tut man nicht alles, wenn man ein Amt hat und auch den Verstand dazu! Den öffentlichen Agitationsversammlungen für die Organisierung der Dienenden folgten regelmäßig Strafmandate für die Leiterin und Einberuferin, weil diese die vorgeblich politischen Veranstal tungen nicht angemeldet haben sollte. Eine dieser öffentlichen Ver sammlungen wurde sogar aufgelöst, noch ehe daß sie eröffnet worden war. über einige der erlassenen polizeilichen Strafverfügungen stehen die gerichtlichen Verhandlungen noch aus, die von den Be troffenen beantragt worden sind. Das letzte Mandat dieser Art hat die Polizei Ende Januar erlassen, nach einer Versammlung, in welcher entsetzlich! ein leibhaftiger Sozialdemokrat, Genosse Wagner referiert hatte. Auch über dieses Strafmandat ist ge richtliche Entscheidung beantragt worden, und Genosse Wagner wird als Beuge befunden, ob er verrucht genug gewesen ist, poli tische Angelegenheiten" zu erörtern oder nicht. Des seitherigen Kleinkriegs scheint die Polizei nun müde zu sein. Sie hat das seit fünfviertel Jahren in ihrem Besitz befindliche Statut des Dienst botenvereins aus dem Aktenschrank für schwere Moritaten hervor geholt und hat nach gründlichem Studium entdeckt, daß diese Dr ganisation nach ihrem eigenen Statut gar nicht bestehen dürfte. Dieses Statut ist zwar ein wortwörtlicher Abdruck der Satzungen, die für die Dienstbotenvereine in einer ganzen Anzahl von Städten zu gelten haben, ohne daß die Polizei etwas dagegen einzuwenden gehabt hätte. Allein Braunschweig ist eben eine besondere Stadt, und ihre Polizei übertrifft an Hirnschmalz und Schneidigkeit die Polizei anderer deutscher Orte. So hat sie sich den Karnevalsschers geleistet, noch nachträglich den früheren Dienstbotenverein aufzulösen, der seit Juli 1909 gar nicht mehr besteht, sondern durch eine Zahl stelle des Verbandes deutscher Hausangestellter ersetzt worden ist. Genoffin Topfstedt , die Vorsitzende der Zahlstelle, wurde mit einem Dokument polizeilicher Weisheit überrascht, das folgendes kund und zu wissen tut:" Der am 80. November 1908 hier angemeldete Verein für Dienstmädchen, Ausgeherinnen, Wasch- und Scheuers frauen usw. für Braunschweig und Umgegend wird nach§ 2 bes Reichsvereinsgefeges vom 19. April 1908 damit aufgelöst. Wie aus den§§ 1 und 2 des Vereinsstatuts und der bisherigen Tätigkeit des Vereins hervorgeht, verfolgt berselbe politische, insonderheit sozialpolitische Zwecke, er ist also ein politischer Verein im Sinne des 88 des obengenannten Gesetzes. Nach§ 8 des Statuts können auch weibliche Personen unter 18 Jahren Mitglieder des Vereins werden. Diese Bestimmung steht im Widerspruch mit den Vorschriften der§§ 17 und 18 Biffer 5 des Reichsvereinsgesetzes, nach welchen Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht Mitglieder von politischen Vereinen sein dürfen, und Zuwider handlungen unter Strafe gestellt sind. Der Verein verfolgt also einen Zweck, welcher einem Strafgesez zuwiderläuft, und ist des halb aufzulösen." Wir sind begierig, welchen Grund zur Schifanie