Nr. 11
Die Gleichheit
einflussen könne, und daß auf diesem Wege thre Wünsche zur Geltung fämen. Nun, meine Herren, wir sind denn doch in höherem Maße Anhänger der Persönlichkeit und des Rechtes der Persönlich teit, des Rechtes der Individualität. Es wäre sehr wohl denkbar und möglich, daß die Frau eine andere politische Meinung befäße als der Mann, und es ist ihr unveräußerliches Recht, dieser ihrer eigenen persönlichen Meinung auch Ausdruck zu geben. Außerdem find doch auch Millionen und aber Millionen von Frauen unver heiratet. Man hat dann ferner gesagt, die Frauen wären geistig minderwertig und hat sich auf die angebliche Tatsache berufen, daß aus den Frauen noch keine Genies hervorgegangen seien. Nun, ich weiß nicht, ob die Genies hier im preußischen Abgeordnetenhaus so zahlreich sind.( Heiterkeit.) Und wenn man sagt, die Frauen tranften an einer moralischen Minderwertigkeit, fie befäßen zu viel Sinn für das Außerliche, so möchte ich darauf doch das sagen: Eine Frau würde ein solches Wahlgefeß, wie es uns vorgelegt worden ist, schwerlich eingebracht haben.( Lachen rechts.) So viel Sinn für Außerlichkeiten würde eine Frau nicht bewiesen haben wie die Regierung, die den ehemaligen Unteroffizieren ein höheres Wahlrecht einräumen will, weil sie eine Uniform tragen oder ge tragen haben."
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In der Kommissionsberatung über den Entwurf der Regierung verteidigte Genosse Ströbel das Frauenwahlrecht ebenfalls. Er erklärte: An unserer prinzipiellen Forderung der Ausdehnung des Wahlrechts auf 20jährige Personen und die Frauen halten wir felbstverständlich fest. Wir kennen feinen vernünftigen Grund, der die Frau vom gleichen Wahlrecht ausschließen könnte. Selbst das Zentrum dürfte ja den Standpunkt der Kirche, die die Frau als inferiores Geschöpf betrachtete, nicht mehr zu verteidigen wagen." Die Auffassung der Sozialdemokratie ist weder im Plenum noch in der Kommission von irgend einem bürgerlichen Abgeordneten unterstützt worden. Es blieb der Partei des kämpfenden Proletariats allein vorbehalten, für das Frauenwahlrecht eine Lanze zu brechen.
Für das allgemeine Frauenwahlrecht und den Wahlrechtskampf des preußischen Proletariats sind in anerkennenswerter Weise bürgerliche Frauenrechtlerinnen eingetreten, die zur Demokras tischen Vereinigung gehören. Sie hatten gegen den Entwurf der Regierung eine Protestversammlung einberufen, die sehr stark von Männern und Frauen besucht war. Der Freisinn war durch Dr. Botthoff vertreten, der wie der Redner der Demokraten, Dr. Breitscheid, das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht für Männer und Frauen forderte. Er gab damit nur feiner persönlichen Meinung, nicht der Auffassung seiner Partei Ausdruck. Unter stürmischem Beifall betonte Frau Breitscheid, das Bürgertum müsse im Kampfe für das Wahlrecht mit dem Proletariat zusammengehen und ihm auch folgen, wenn es stärkere Töne anschlage. Nach Schluß der Versammlung bildete sich ein Demonstrationszug, der nach dem Reichskanzlerpalais zu gelangen suchte, aber von der Polizei auseinandergesprengt wurde.
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Für das allgemeine Wahlrecht aller Großjährigen in England wirkte die unseren Genossinnen bestens bekannte„ Adult Suffrage Society" auch während der letzten Wahlkampagne. Allen Kandidaten der Liberalen und der Arbeiterpartei teilte fie folgenden Beschluß über ihr Verhalten im Wahlkampf mit: Die Taltit der, Adult Suffrage Society'( Vereinigung für das Wahlrecht aller Großjährigen) wird darin bestehen, daß sie aus schließlich solche Kandidaten unterstützt, die sich verpflichten, für eine Wahlreform zu wirken und zu stimmen, die auf dem Nachweis eines dreimonatigen Aufenthaltes an einem Orte basiert. Die Kans didaten müssen sich ferner verpflichten, keine Wahlreform zu unterstützen, die an den Nachweis des Besizes gebunden ist." Die Ges noffinnen und Genossen, die der Vereinigung" angehören, ließen fich auch sonst angelegen sein, den Wahlkampf zur Agitation für bas allgemeine Wahlrecht auszunutzen. Dazu gehörte auch, daß sie der frauenrechtlerischen Agitation für das beschränkte Damenwahl recht öffentlich entgegentraten, wo immer sich dazu die Gelegenheit bot. Und diese war reichlich vorhanden, da die Frauenrechtlerinnen es an Rührigkeit nicht fehlen ließen und über große Geldmittel verfügten. Nicht weniger als 100 000 wt. sollten ihrerseits während des Wahlkampfes zur Agitation für das reaktionäre Recht des weiblichen Geldjacks ausgegeben werden. Da hieß es für die Verfechterinnen des allgemeinen Wahlrechts auf dem Posten sein. Und das waren sie Abend für Abend. Ihrer Aufklärungsarbeit wird auf die Dauer der Erfolg nicht versagt bleiben.
I. K. Ueber die Einführung des allgemeinen Frauenwahlrechts im Staate Oklahoma soll eine Urabstimmung entscheiden, ba die Neuerung eine Abänderung der Verfassung bedeuten würde. Eine diesbezügliche Petition, welche foeben vom Staatssekretär von
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Dtlahoma entgegengenommen wurde, trägt 40000 Unterschriften. 5000 mehr als das Gesez vorschreibt, damit eine Urabstimmung zustande fommt. Diese Massenpetition ist das Ergebnis eifriger und unermüdlicher Arbeit seitens der Frauenrechtlerinnen. Unsere dortigen Genossen und Genoffinnen haben ebenfalls eine ungemein rührige Tätigkeit zugunsten des Frauenstimmrechts entfaltet und bewiesen, daß sie nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch für bie Gleichstellung der Geschlechter eintreten. Bei Straßenversamm lungen, Vorträgen und Parteifizungen haben sie die Frauenstimm rechtspetition zirkulieren lassen und Tausende von Unterschriften dazu gesammelt.
In den Staaten Washington, South Dakota und Oregon Itegen ebenfalls Anträge für die Einführung des Frauenstimmrechts durch eine Verfassungsänderung der Bevölkerung zur Urabstimmung vor.
Weniger erfreulich sind die Nachrichten aus dem südlichen Staate Maryland , wo den gefeßgebenden Gewalten ein Antrag vorliegt, welcher fordert, daß nur solche Frauen das Stimmrecht erhalten sollen, welche wenigstens 1000 Mart im Vermögen haben. Aber dieses Besizwahlrecht allein ist den Herrschenden noch nicht reaktionär genug. Die demokratische Mehrheit des Parlaments von Maryland will für den Antrag nur dann eintreten, wenn alle Negerinnen vom Wahlrecht ausgeschloffen werden. Wird der Antrag dementsprechend abgeändert, so ist seine Annahme wahr fcheinlich. In dem öffentlichen Leben der Südstaaten der nord amerikanischen Union spielt der Rassenhaß eine bestimmende Rolle. Die besitzenden Weißen sehen im Neger immer noch den einstigen Stlaven und hassen in ihm einen Verlust an. ihrem Eigentum; darum greifen sie zu allen gesetzlichen und ungefeglichen Mitteln, um ihn seines Bürgerrechts zu berauben. Aber nicht nur dem Neger gegenüber wird derartig verfahren. Auch dem armen weißen Bürger wird in denselben Südstaaten die Ausübung seines Wahlrechts möglichst erschwert. Es ist also nicht zu verwundern, wenn hier auch das Frauenwahlrecht zur Farce wird; wenn es sich, anstatt zu einer fortschrittlichen, zu einer rückschrittlichen Maßnahme gestaltet. Natürlich wäre den dortigen Politikern ein beschränktes Wahlrecht der besitzenden und weißen Frauen hochwillkommen. Würde dadurch doch die Macht der Reaktion gestärkt. Als ich in der, Gleichheit" berichtete, daß in Ginter Part, einer vornehmen Billenkolonie in Virginia , ein kommunales Wahlrecht für die be fizenden weißen Frauen eingeführt worden sei, bemerkte ich:„ Wir glauben, daß das Beispiel von Ginter Park bald in anderen südlichen Gemeinwesen Nachahmung finden wird." Der Antrag, welcher dem Parlament in Maryland vorliegt, bestätigt leider diese Annahme. zu begrüßen ist, daß die nationale amerikanische Frauenstimmrechtsorganisation nach wie vor jede beschränkte Form des Frauenwahl rechts abweist und der Agitation für diese klägliche Neuerung jede Unterstützung sowohl durch Versammlungen wie an Geldmitteln verweigert. Meta L. Stern, New York .
I. K. Eine Demonstration der Sozialistischen Partei für das Frauenstimmrecht in den Vereinigten Staaten findet demnächst statt, wie die„ Gleichheit" bereits gemeldet hat. Als am 28. Februar 1909 die Sozialisten in allen Teilen der Vereinigten Staaten Frauen stimmrechtsversammlungen abhielten, als an ein und demselben Tage von der Küste des Atlantischen bis zu der des Stillen Ozeans sozialistische Männer und Frauen feurige Reden für die Gleich berechtigung beider Geschlechter hielten, saben sich die reaktionären Elemente gezwungen, von der sozialistischen Bewegung in ungewohnter Weise Notiz zu nehmen. Die gesamte tapitalistische Bresse berichtete über unsere Versammlungen. Eine junge, frische Kraft hatte sich bekundet, um die Sache der Frauen zu verfechten. Die Sozialisten hatten ihre Befürwortung des Frauenstimmrechts von einer theoretischen Prinzipienerklärung zu einer Gegenwartsforderung gemacht. Das nationale Frauenkomitee der Sozia listischen Partei hat nun mit Zustimmung des Parteivorstandes be schlossen, wiederum eine sozialistische Demonstration für das Frauen stimmrecht zu veranstalten, die sich über die ganzen Vereinigten Staaten erstrecken soll. Der letzte Sonntag im Februar ist abermals dafür festgesetzt worden. Zweck der Veranstaltung ist, nicht nur wiederum zu zeigen, daß die Sozialisten gleiche Rechte für Männer und Frauen erstreben, es gilt auch den Frauen, und besonders den Arbeiterinnen der Vereinigten Staaten zu erklären, was die Verwirklichung der sozialistischen Ideen für die Frau als Arbeiterin, als Bürgerin, als Frau und als Mutter bedeuten wird. Die Genossinnen und Genossen haben bereits allenthalben mit Vorberei tungen für den Frauentag begonnen. Die sozialistischen Frauen von New York haben eine der größten Hallen in der Stadt ge= mietet und hoffen, daselbst am 27. Februar eine enthusiastische M. L. S. Massenversammlung abzuhalten.