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Die Gleichheit

50 Pf. bis 2 Mt. pro Woche für Arbeiter und Arbeiterinnen durch und Arbeitszeitverkürzungen von% Stunden pro Tag. In der Ronfettionsindustrie fam es in Stuttgart   und in Nürn berg zu Tarifen, die 5 Prozent Lohnerhöhung, Aufschlag für Heim­arbeit in Stuttgart   und 30 Prozent Aufbesserung der Löhne und die 55 stündige Arbeitszeit in Nürnberg   brachten.

Eine flotte Aufwärtsbewegung unserer Gewerkschaften hat wieder eingesetzt. Einen sicheren Beweis dafür bietet die Ent wicklung des Metallarbeiterverbandes, dessen Fachorgan mit der Nummer vom 19. März eine Auflage von 400 000 erreicht hat. Allerdings zählt der Verband noch nicht ganz so viel Mitglieder, da die Auflage der Verbandsblätter begreiflicherweise immer etwas deren Zahl übersteigt. Doch ist zu hoffen, daß diese Zahl der Mit­glieder baldigit erreicht wird, wenn erst die Krise noch weiter zurück­gegangen ist. Winzig nehmen sich gegen der Entwicklung des Metall­arbeiterverbandes die Mitgliederzahlen der beiden größten gegne rischen Gewerkschaften in der Metallindustrie aus. Sie erweisen bie Stagnation dieser Organisationen. Der Gewerfverein der Maschinenbau  - und Metallarbeiter zählte 1900 35619 Mit­glieder, im Juni 1906 52963, Ende 1909 37 647. Der christliche" Verband hatte 1906 im Jahresdurchschnitt 24744, 1907 28090, Ende 1909 24002 Mitglieder. Für den Deutschen Metallarbeiterverband dagegen stellen sich die Zahlen wie folgt: 1900 100762, 1909 878349 Mitglieder. Ein gutes Zeichen innerer Kraft, die den Ver tündern der Harmonie zwischen Arbeit und Kapital ach! so sehr mangelt.

Die harmonieseligen Gewerkschaften sehen sich inzwischen außerhalb der Arbeiter nach Hilfe um. Bezeichnend dafür ist eine Notiz, die durch die Zentrumspresse ging und die Hilfe der Land­pfarrer gegen unfere jüngste Organisation, gegen den Verband der Landarbeiter, anflehte. Scharfmacherisch wurde in dem Bitt- und Betgesuch behauptet, daß die von dieser Gewerkschaft be­triebene Agitation die Landarbeiter aufheze und den Klassenhaẞ fchüre. Die Landpfarrer sollen durch die Gründung von katholischen Tändlichen Arbeitervereinen dem+++ Berband entgegenwirken. Die Päppelväter solcher gefinnungstüchtigen Vereine trauen sich selbst nichts zu, sie wollen die Diener Gottes gegen die Emanzipations bestrebungen des erwachenden Landproletariats mobil machen. Viel wird dabei kaum herauskommen, denn auch die Landarbeiter haben bas geistliche Gegängeltwerden und ihr Entsagungsgeseire satt, sie verlangen volle Staatsbürgerrechte, anständige Behandlung und Bezahlung!

Zur Freude der Unternehmer gibt es in der Zeit erbitterter Rämpfe zwischen Kapital und Arbeit gelbe Mitbürger, die schweif­wedelnd ihre Hundedienste anbieten. Freilich bekommt auch diese Freude allmählich ein Loch. Es gärt unter den Gelben. Lebius und tutti quanti fönnen mit ihren öden Schimpfereien die betörten Arbeiter auf die Dauer nicht zusammenhalten. In der Geburts. ftätte der Streitbrecherorganisationen, in Augsburg  , haben sie sich neulich offen gegen den gelben Terror erklärt. Es wurde den Genasführten zahlenmäßig nachgewiesen, daß dank ihres Ver haltens die Löhne im Werk Augsburg   bis zu 60 Prozent gesunken find. Gänzlich futsch aber ging es mit der gelben Herrlichkeit in ben Exzelsiorfahrradwerten in Brandenburg   a. H. Daselbst herrschte jahrelang ein ganz erträgliches Verhältnis zwischen Ar­beitern und Direktion. Da tam ein neuer Herr Direktor ans Ruder, ber ein eifriger Förderer der Gelben war und die Zugehörigkeit der Arbeiter zum Metallarbeiterverband nicht dulden wollte. Den Gelben schwoll der Kamm, sie traten terroristisch auf. Da wurde von seiten der nichtgelben Arbeiter einem Hauptabnehmer der Fabrifate bedeutet, daß die Proletarier es überhaupt ablehnen würden, Fahrräder zu kaufen, die unter den festgestellten Verhält niffen fabriziert werden. Das zog. Die Direktion verpflichtete sich, das Recht ihrer Arbeiter auf freie Koalition anzuerkennen. Am nächsten Tage schon wurde der gelbe Verein aufgelöst. Wie jäh die gelbe Herrlichkeit zusammenbricht, wenn die Unternehmerstütze versagt!

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Aus der Textilarbeiterbewegung. Eine ganze Anzahl Lohn bewegungen wurden von der Textilarbeiterschaft in den letzten Wochen durchgeführt. In Gera   hatte die Firma kädell & Co. entgegen einer tariflichen Bestimmung allmählich den Lohn für die einzelnen Artikel auf den Mindestsatz herabgedrückt. Statt 3,50 Mt. pro 100 Zahlen wurden zum Beispiel nur noch 3,30 Mt., und statt 8,30 Mt. nur noch 2,70 Mt. gezahlt. Die Ar­beiter verlangten nun Lohnerhöhung. 55 Weber, organisiert im Deutschen   Textilarbeiterverband, gingen mit Zustimmung des Vor­Standes in den Streit. Einige Tage später schlossen sich die Hilfs. arbeiter an. Die vom Arbeiterausschuß eingeleiteten Verhand lungen hatten Erfolg. Nachdem die verlangte Lohnerhöhung be

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willigt war, wurde die Arbeit wieder aufgenommen. Gleichfalls mit Erfolg beendet wurden die Lohnbewegungen der Gummiband­weber in Fürth  . Zwischen der Firma Wilhelm Wagener und den Verbandsvertretern fam es zum Abschluß eines Tarifver­trags. Dieser gilt bis 1. November 1912 und läuft weiter auf ein Jahr, wenn er nicht vorher gekündigt wird. Die Arbeitszeit wurde auf 54 Stunden pro Woche reduziert. Die Bandwirter erhalten 40 Pf. Stundenlohn und Entschädigung bei schlechtem Material, bei Reparaturen und bei Warten auf Material. Wird länger als eine Woche im Stundenlohn gearbeitet, find 30 Mt. Wochenlohn garantiert. Im allgemeinen wird im Afford gearbeitet. Über­stunden dürfen nicht gemacht werden. Die Kettenschererinnen sollen mindestens 15 Mt. verdienen. Die Arbeiterinnen erhalten eine Lohnausbesserung, deren Höhe nicht festgelegt ist. Der Ar­beiterausschuß wurde anerkannt. Die gleichen Zugeständnisse wur ben bei den übrigen Firmen gemacht. Nur gelang es nicht, einen Tarif abzuschließen, und die Arbeitszeit beträgt da 54% Stunden pro Woche. Hoffentlich lernen aus diesen Vorgängen auch die Fürther   Arbeiterinnen den Wert der Organisation mehr würdigen als bisher.

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Weiteren Tarifvertrag schloß die Organisation mit den Möbel. pofamentenfabrikanten Nürnberg 8. Es wurden die 55 ftündige Arbeitswoche und 5 Prozent Lohnerhöhung sowie ver schiedene andere Verbesserungen festgelegt. Der Vertrag gilt bis 31. März 1913. Auch mit der Firma Kotosteppich fabrit zu Neumünster   hat der Verband einen Tarifvertrag abgeschlossen. Derselbe enthält gleichfalls Lohnaufbesserungen und Festlegung der 55% stündigen Arbeitszeit pro Woche. Des weiteren war der Verband am Abschluß eines Vertrags mit der Firma R. Ever ling, M.- Gladbach, beteiligt. Erfolglos beendigt wurde der feit mehreren Wochen geführte Streif in der Fabrik von Ge brüder Junkers, M.- Gladbach. Eine große Anzahl Streitbrecher machten die Weiterführung aussichtslos. Dieser Streit wurde von der christlichen Organisation geleitet. Auch einige wilde Streifs mußten ohne Erfolg beendet werden. So waren in Hüningen   50 Spulerinnen in den Ausstand getreten. Die Löhne jener armen Frauen und Mädchen sind sehr traurige. Sie baten um eine Erhöhung von 20 Pf. pro Tag. Die Firma lehnte das ab. Ohne Organisation war es den Proletarierinnen unmöglich, den Streit weiterzuführen. Sie mußten im ungleichen Ringen unterliegen. Das Hungern geht weiter. Denfelben Aus­gang hatte ein Streit der 200 unorganisierten Bindfadenarbeiter in Landsberg   a. W. In neuerer Zeit rumort es recht bedenklich unter den gelben" Arbeitern. Waren schon vor kurzem in einigen sächsischen Städten diese Unternehmerschutztruppen fordernd an ihre Beschüßer" herangetreten, so tam es neulich in Bayreuth  gar zu einem Streit. Die Weber und Weberinnen der Mecha nischen Baumwollspinnerei und Weberei Bayreuth  etwa 400, fast sämtlich Gelbe" legten einmütig die Arbeit nieder. Sie weigerten sich, fünftig ohne Bezahlung die Kammråder zu putzen. Die Entlassung eines Mitarbeiters weckte den Gedanken der Solidarität bei den übrigen. und sofort standen alle Räder still". Nach einigen Tagen bequemte fich die Direktion zu einigen zugeständnissen, und auf Anraten der Verbandsvertreter wurde in der Folge die Arbeit wieder aufgenommen. Die gelben" Arbeiter und Arbeiterinnen sind nun" rote" geworden. Mehr als 300 ließen sich im Textilarbeiterverband aufnehmen. Diese Wendung der Dinge mag für die Bayreuther   Unternehmer recht schmerzlich fein. Sie haben sich jahrelang die größte Mühe gegeben, um ihr Schoßlind lebensfähig zu machen. Ein fürchterlicher Terrorismus wurde ausgeübt. Die Arbeiter und Arbeiterinnen wurden in die Kontore gerufen. Dort mußten sie durch Unterschrift ihren Beitritt zum gelbon" Verein vollziehen. Wer sich weigerte, wurde unbarın herzig entlassen. Leute, welche 13 und mehr Jahre in einem Betrieb ihre beste Kraft gelassen hatten, wurden hinausgeworfen und nirgend in Bayreuth   wieder eingestellt. Zweifellos wurde der Zertilarbeiter verband dadurch sehr geschädigt. Aber das Endresultat fiehe oben. Zum Schluß noch eine Abtrittsgeschichte. In der Schäfer. schen Fabrik in Ohorn   bei Pulsnit hatten sich die Arbeiter jahrelang über recht schmutzige Aborte zu beklagen. Der Verbands. vorsitzende rügte das in einer öffentlichen Textilarbeiterversammlung vom 22. Januar 1910 und bemerkte dabei, daß die Aborte seit An­fang 1908 bis Mitte Januar 1910 wohl nicht wieder gereinigt worden seien. Die Firma fühlte sich dadurch geschädigt. Die Be­hauptung sei geeignet, Nachteile für ihren Erwerb und ihr Fort. tommen herbeizuführen, insofern sich jeder ordentliche Arbeiter durch die angeblich herrschenden Zustände abhalten lasse, bei ihr in Arbeit zu treten. Die Aborte feien allwöchentlich gereinigt worden. Sie verlangte vom Gericht Verurteilung des Verbands

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