Nr. 13

Die Gleichheit

mindestens auf 50 Kronen belaufen müsse, damit sie Stimmrecht und Wählbarkeit zu der Gemeindevertretung erlange.- Die General­versammlung bewies, daß die Bewegung für das Frauenstimmrecht im letzten Jahre gute äußere Fortschritte erzielt hat. Es sind in dieser Zeit nicht weniger als 24 Zweigvereine des Landesverbandes entstanden. Aber auch nach innen hat die Bewegung gewonnen. Die Mitglieder des Verbandes haben gelernt und sind von mehr Enthusiasmus und Arbeitsfreudigkeit erfüllt als je. N. K., Stockholm  .

Sozialistische Frauenbewegung im Ausland.

I. K. Der sozialistische Frauentag in den Vereinigten Staaten  . Der 27. Februar wurde im ganzen Gebiet der Vereinigten Staaten  als unser sozialistischer Frauentag begangen. In jeder Stadt, in der eine sozialistische Parteiorganisation besteht, wurden an diesem Tage Frauenstimmrechtsversammlungen veranstaltet, und überall erörterten sozialistische Redner und Rednerinnen die Frauen frage vom sozialistischen   Standpunkt aus. In New York   gestaltete sich die von der Partei organisierte Versammlung zu einer bes sonders glänzenden Demonstration. In dem großen, prächtigen Saale, in dem sie tagte, war eine dreitausendköpfige Menge ver sammelt; von den Logen, die hauptsächlich von sozialistischen   und fortschrittlichen Organisationen gemietet waren, hingen zahlreiche Banner herab, die dem Raume ein besonders festliches Aussehen verliehen und von dem internationalen Charakter der Bewegung in dieser polyglotten( vielsprachigen) Großstadt zeugten. Die roten Banner der verschiedenen Gewerkschaften und Parteiorganisationen trugen nebst den englischen russische, böhmische, finnische und deutsche  Aufschriften. Dazwischen prangte das grüne Banner der irländischen Sozialisten und das buntfarbige Emblem der vereinigten sozialistischen  Klubs der Hochschulen und Universitäten. Von mehreren Logen hingen auch die gelben Banner der bürgerlichen Frauenrechtlerinnen herab, die sich in unerwartet starkem Maße an der Demonstration beteiligten. Der Hauptredner des Tages war Genosse Franklin H. Wentworth, ein hervorragender Redner und Schriftsteller, ber fürzlich in Salem  , Massachusetts  , zum sozialistischen Witglied des Stadtrats erwählt worden ist. Er gab in hochpoetischer Form eine Schilderung von der Rolle, welche die Frau in der Kultur­entwicklung gespielt hat, mit einem Hinweis auf ihre zufünftige Mission. Genossin Carrie W. Allen, welche von der Vorsitzenden als besondere Repräsentantin der sozialistischen   Frauen New Yorks  vorgestellt wurde, befaßte sich weniger mit der ethischen und mehr mit der ökonomischen Seite der Frauenfrage. Fräulein Rose Schneiderman, Vizepräsidentin der Women's Trade Union League"( Liga der Frauengewertschaften), und selber eine Arbeiterin, sprach vom Standpunkt der arbeitenden Frau und brachte als Argumente für das Frauenwahlrecht eine Anzahl fürzlicher Er­fahrungen aus dem Streit der Blusenmacherinnen vor. Die legte Rednerin, Frau Charlotte Pertins Gilman, eine Soziologin und Schriftstellerin von nationalem Rufe, gab in einer kurzen, flar durchdachten Rede ein Bild von der sozialen Entwicklung in dem Verhältnis der Geschlechter und zeigte, wie die beiden, troz ver­schiedener geschlechtlicher Eigenart, alle Eigenschaften ihres Menschen­tums gemeinsam besitzen. Die Unterzeichnete führte den Vorsiß und erklärte in ihrer Eröffnungsrede die Bedeutung des nationalen Frauentags, und wies besonders auf die wachsende Tätigkeit der Frauen innerhalb der sozialistischen   Bewegung hin. Das Frauen tomitee unterbreitete der Versammlung eine Resolution, die von Genoffin Anita C. Block, Redakteurin der Frauenseite des New York Call" verlesen wurde und einstimmige Annahme fand. Sie lautet:

In Erwägung, daß in letzter Zeit von Leuten in richterlicher Stellung der Versuch gemacht wurde, durch Einhaltsbefehle und willkürliche Verurteilungen die Redefreiheit, die Preßfreiheit und friedliche Versammlungen zu unterdrücken, was zu ungerechtfertigten Berhaftungen und Auferlegung von ungerechten Strafen führte, und in Erwägung, daß das erste Amendement der Verfassung der Vereinigten Staaten   ausdrücklich bestimmt, daß weder die Preß­freiheit noch die Redefreiheit oder das Versammlungsrecht verkürzt werden darf, deshalb sei es beschlossen, daß die heute hier ver sammelten Frauen, denen selbst das Bürgerrecht verweigert wird, und die daher mit allen denen sympathisieren, denen dasselbe Recht verweigert worden ist, gegen die oben angeführten Verlegungen der Konstitution protestieren. Ferner sei es beschlossen, daß Ab­schriften dieser Resolution an alle Unions, Gewertsorganisationen, Frauenstimmrechtsvereine und andere fortschrittliche Gesellschaften behufs Zustimmungserklärungen geschickt und der Presse zur Ver­öffentlichung übergeben werden sollen."

Die zweite Resolution lautet wie folgt: Beschlossen, daß wir, Bürger der Stadt New York  , versammelt in einer Waffenverfamm

207

lung in Carnegie Hall  , den streikenden Straßenbahnern von Phila­ delphia   unsere Sympathie ausdrücken und hoffen, daß sie mit ihrem Rampfe nicht nur ihre eigenen ökonomischen Zustände verbessern, sondern auch die ökonomischen Zustände der ganzen Arbeiterflasse. Beschlossen, daß ein Teil der in dieser Versammlung vorgenommenen Sammlung dem Fonds der Philadelphiaer Streifer überwiesen werden soll."

Der Glanzpunkt der Versammlung war es, als Genoffin Karo line Van Name, eine Sängerin, die über eine selten schöne

"

Stimme verfügt, zu Orgelbegleitung unseren internationalen Frei­heitshymnus, die Marseillaise  " sang und die ganze mächtige Zu hörerschaft sich erhob und begeistert einstimmte. Noch lange wird man der mächtigen Demonstration gedenken. Wir verdanken den Erfolg in erster Linie dem Frauenkomitee der Sozialistischen Partei von New York  , das schon viele Wochen vor der Veranstaltung emsig alle Vorbereitungen getroffen hatte. Wir verdanken ihn außerdem der trefflichen Unterstützung durch unsere Parteipresse, der New Yorker Volkszeitung", dem New York   Call" und dem jüdischen Vorwärts". Wir verdanken ihn auch- und wahrlich nicht zum mindesten unseren Genossen dieser Stadt. Sie haben glänzend bewiesen, daß es ihnen ernst ist mit ihrer Forderung des Frauenwahlrechts. Meta 2. Stern, New York  .

-

Die Frau in öffentlichen Aemtern. Mitbestimmungsrecht als Armenpflegerinnen in den städti­schen Armendeputationen des Herzogtums Anhalt haben die Frauen fürzlich erlangt. Der Landtag hatte hier über das Aus­führungsgesetz, den Unterstüßungswohnsiz betreffend, zu verhandeln. Die Regierung hatte sich genötigt gesehen, dessen Abänderung zu beantragen, und sie geschah dem weiblichen Geschlecht gegenüber erfreulicherweise in der Richtung eines Fortschritts. Nach dem bisher geltenden Rechte hatten in Anhalt die weiblichen Armen pfleger in den städtischen Armendeputationen nur beratende Stimme. Damit ihnen auch das Mitbestimmungsrecht ein geräumt wurde, bedurfte es einer Abänderung des erwähnten Aus­führungsgesetzes. Sie ward einstimmig beschlossen. Der Abgeordnete Voigt der einzige sozialdemokratische Vertreter im anhaltischen Junkerparlament gab in der Debatte dem Wunsche Ausdruck, man möchte zu weiblichen Armenpflegern auch Frauen aus der Arbeiterklasse heranziehen, da sie zweifellos in engerer Fühlung mit den unterstützungsbedürftigen Armen stünden und sich somit zu dem Amte besser eigneten als die Damen der besseren Stände". Wir freuen uns, daß dieser Hinweis teinen Widerspruch fand. Anders tam es dagegen, als der freisinnige Abgeordnete Art! fonstatierte, daß die Regierungsvorlage zeige, wie so manches Vor­urteil gegen die öffentliche Betätigung der Frauen im Schwinden begriffen sei und daß hoffentlich die Frauen sich auch noch auf anderen Gebieten ein Mitbestimmungsrecht erkämpfen würden. Es erfolgte nun eine prinzipielle Auseinanderseßung über die politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts. Herrn Artis Meinungsäußerung wurde sofort von den Bänken der Regierung und der mit ihr verbündeten Reaktionäre mit den üblichen Unkenrufen beantwortet. Nachdem je ein tonservativer und ein nationalliberaler Abgeordneter fich grundsäglich gegen die Verleihung politischer Rechte an die Frauen ausgesprochen hatten, gab Staatsminister Laue mit Emphase die Erklärung ab, es denke auch in der anhaltischen Regierung niemand daran, den Frauen weitergehende offentliche Rechte einzuräumen. Dieser Erklärung hätte es eigentlich gar nicht bedurft, sintemalen hinläng­lich bekannt ist, daß der vormärzliche Geist der anhaltischen Re. gierung den der berüchtigten preußischen Reaktion noch um eine Nuance übertrifft. Ebenso überflüssig war das Stoßgebet des nationalliberalen Professors Leonhardt, es möchten uns vor einer politischen Frau der Himmel und die anhaltische Regierung behüten". Mit Recht wiesen die Abgeordneten Voigt und Artl darauf hin, daß auch Himmel und Regierung" den Geist des Fortschritts nicht aufzuhalten vermöchten, und daß das Rad der Zeit in nicht allzu ferner. Zukunft alle Vorurteile zermalmen werde, die sich heute noch dem vollen Recht des weiblichen Geschlechts entgegenstellen. Nur Barbaren   könnten den Frauen, denen man dieselben Pflichten wie den Männern auferlegt, die gleichen Rechte vorenthalten. Auf den Zwischenruf Militärpflicht" erwiderte Genosse Boigt treffend, es seien die Opfer, die Frauen mit der Mutterschaft bringen, noch be deutend höher anzuschlagen als die von den Männern zu leistende Militärpflicht. Diese Episode zeigt, daß auch die Genofsinnen Anhalts allen Anlaß haben, den Kampf um ein besseres Land tagswahlrecht mit aller Kraft zu unterstützen. Es gilt, mittel,

-