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Die Gleichheit

der Bibelstunde und in der Kirche nicht gelehrt wird, wie sie ihre Lage verbessern können. Herr Pastor Wanste war zur Versammlung gekommen, um zu hören, was den Frauen dort vorgetragen werde. Das Thema lautete: Die Frau im politischen und wirtschaftlichen Kampfe". Nach der Meinung der herrschenden Klassen sind Politik und Kampf Sachen, die sich für die Frau nicht ziemen. Der Herr Pastor wollte daher die Frauen am Orte, die in großer Zahl erschienen waren und sogar seine Bibelstunde deswegen geschwänzt hatten, vor den gefährlichen sozialistischen   Ideen bewahren. Seine Ausführungen zeigten, wie weltenfern das offizielle Christentum den Arbeitern steht. Den Frauen ist durch die Versammlung wohl zur Genüge flar ge worden, daß sie den tirchlichen Wechsel auf das Jenseits denn doch zu teuer bezahlen müssen, und daß sie die heilige Pflicht haben, selbst für die Verbesserung ihrer Lage zu arbeiten und alles daran­zusetzen, daß sie hier auf Erden menschenwürdig leben können. Spät nachts erst erreichte die imposante Versammlung ihr Ende. Die tätigen Genossen und Genossinnen werden gewiß dafür sorgen, daß unter den Frauen der Bergarbeiter die sozialistische Saat reiche Früchte trägt. Jn Bockwa konnte der Saal taum alle Frauen fassen, die zur Versammlung gefommen waren, und auch hier wurden Mitglieder für die Partei gewonnen. 12 männliche und 36 weib­liche Mitglieder war das Ergebnis der Versammlung in Schön­ fels  . Auch in Brand war der Erfolg mit der Einreihung 27 neuer Kämpfer ein guter. Wir können die erfreuliche Tatsache konstatieren, daß überall an Orten, wo früher Dunkel die Geister gefangen hielt, uns heute das Licht des Verständnisses hell entgegenleuchtet.

B. Pollender.

über das Thema Die 500 Millionen Mark neuer Steuern und die Frauen" sprach die Unterzeichnete in einer Reihe von Versamm lungen, die der Vorstand der Parteiorganisation für den elften sächsischen Wahlkreis zur Werbung weiblicher Mitglieder einbe rufen hatte. Wie überall in Deutschland   sind auch in Sachsen  große Massen Frauen zur Erwerbstätigkeit gezwungen. Im Gegen­satz zu anderen Bezirken, wo die Frauen vorwiegend in der In­dustrie beschäftigt find, arbeiten sie im elften Wahlkreis hauptsächlich in den Steinbrüchen, obwohl ihre Verwendung bei dieser Arbeit wegen der schweren gesundheitlichen Schädigungen für den weiblichen Organismus seit Jahren vom Bundesrat verboten ist. Auch in Ziegeleien sind Frauen angestrengt tätig für den hohen" Wochen John von 7,50 bis 10 Mt. Der Tagesverdienst einer Landarbeiterin beträgt im Winter 80 Pf.; während der Erntezeit zahlt ihr der ,, arme" Rittergutsbesitzer den üppigen Tagelohn von 1 Mt. Diese elenden Lohnverhältnisse verbunden mit der Verteuerung des Lebens unterhaltes hatten hier wie überall die Wirkung, daß die Prole: tarierin anfängt zu denken und, wenn sie sich ihrer Klassenlage bes wußt geworden ist, zu handeln. So waren denn auch die Frauen herbeis geströmt, um den Ausführungen über die Steuerpolitik zu folgen. Die Versammlungen hatten fast durchweg den Erfolg, daß sich eine große Anzahl von Frauen der politischen Organisation anschlossen und infolgedessen auch von dieser die Gleichheit" erhalten. Ver­fammlungen fanden statt in Hohburg  , wo die meisten Frauen in den Steinbrüchen arbeiten, in Trebsen  , Lübschüz, Dahlen  , Strehla  , Mügeln  , Grech wiß, Grimma  , Kaditsch, Nerchau  , Altenhain  , Oschay, Mußschen, Lüptiz, Wurzen   und Bennewit. In Altenhain   waren die Spieß­bürger von gewaltigem Schrecken erfaßt worden, als bei den letzten, für unsere Partei günstig ausgefallenen Landtagswahlen zum ersten mal auch Frauen an den Versammlungen teilnahmen. Der Ge­meindevorsteher des betreffenden Ortes soll daraufhin geäußert haben, die Frauen täten besser daran, Strümpfe zu stopfen als in Versammlungen zu gehen. Daß Proletarierinnen den ganzen Tag im Steinbruch arbeiten, statt Strümpfe zu stopfen, dagegen hat der Herr Gemeindevorsteher allem Anschein nach nichts einzuwenden. Der Erfolg unserer Agitation war zufriedenstellend. Durch die Versammlungen wurden 400 männliche und weibliche Mitglieder und eine große Zahl neuer Abonnenten für die Parteipresse ge= worben. In Grimma   allein gewannen die braven Genossen durch Hausagitation der Volkszeitung für das Muldenthal" über 40 Leser. Auch im elften sächsischen Wahlkreis macht die Frauen­bewegreg Riesenfortschritte. Daß sie in raschem Tempo auch fünftighin weitergeht, dafür werden die Genossinnen sorgen.

Agnes Fahrenwald.

In Frankfurt   a. M. und Umgegend referierte im März Ge­nossin Gradnauer in einer Reihe von Versammlungen über das Thema:" Welche Stellung gebührt der Frau im heutigen Staat?" In Frankfurt   selbst fanden sieben Frauenversammlungen und eine Werkstättenversammlung statt, die fast durchweg gut besucht waren. Überall lohnte reicher Beifall die Ausführungen der Re ferentin, und meist schloß sich an die Ausführungen eine lebhafte

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Diskussion an. Auch in Ober- und Niederursel  , Hausen und Offenbach   nahmen die Frauen in sehr großer Anzahl an den Versammlungen teil. Nur in Neu- Isenburg   hätte der Besuch etwas besser sein können. Besonders erfreulich war die rege Be­teiligung in Niederursel  , wo zum ersten Male eine Frauen­versammlung stattfand. Sie durfte sich auch einer besonderen Auf­merksamkeit der Polizei rühmen, die das für den Ort lächerlich große Aufgebot von vier Schuhleuten entsandte. Einer der Poli­zisten nahm die Eintrittskarten an sich, zählte sie und befahl dem Genossen, der sie verkaufte, sich eine Treppe tiefer aufzustellen. So konnte die hochwohllöbliche Polizei zugleich mit dem Kartenverkauf auch den Saal übersehen, der, jedenfalls zur großen Freude der Wächter der Ordnung, bis auf den letzten Platz besetzt war. Un­gefähr 200 Parteimitglieder und eine beträchtliche Anzahl von Abonnenten für die Parteipresse wurden durch die Agitationstour gewonnen. Die weiblichen Mitglieder des Wahlkreises erhalten die Gleichheit auf Kosten der Organisation. Trotz aller Polizeischikanen können wir auch in Frankfurt   und Umgebung ein Anwachsen der Bewegung verzeichnen. Die Arbeiterinnen und Arbeiterfrauen sind zu der Erkenntnis gekommen, daß die Zeiten, wo sie schweigen und sich fügen mußten, vorüber sind, daß es nunmehr gilt, zu kämpfen, zu handeln! Räte Winklmann, Vertrauensperson.

In Ottensen   fand am 6. März eine vom Ortsverein einberufene, gut besuchte öffentliche Frauenversammlung statt, in der Genossin Zieß über die elendeste aller Wahlrechtsreformen referierte, die die Regierung dem preußischen Volke zu bieten wagt. Die Rednerin wies nach einer scharfen Kritik des Wechselbalgs darauf hin, daß in Frankfurt   a. M., Königsberg   und Neumünster   die Kundgebungen des Volkswillens, der sich gegen die Schmach der Wahlrechtsreform auflehnte, blutig unterdrückt worden seien. Dieses brutale Vorgehen, das die Frauen ebenso treffe wie die Männer, müsse die Proles tarierinnen veranlassen, in Millionen und aber Millionen zu kämpfen für das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht für alle Staatsangehörigen, die das 20. Lebensjahr überschritten haben, gleichviel ob Mann oder Frau. Die Ausführungen der Referentin  - welche die politische Rechtlosigkeit des weiblichen Geschlechts und die Forderung des Frauenwahlrechts besonders gewürdigt hatte- fanden reichen Beifall. Viele Frauen traten der Partei bei, auch C. P. wurden 32 Leserinnen für die Gleichheit" gewonnen.

Vom Stand der Frauenbewegung im Mansfeldischen gab die Parteikonferenz ein gutes Zeugnis, die am zweiten Oster­tag in Eisleben   stattfand, und an der auch einige Genossinnen teilnahmen. Neben tausend Männern zählt die Sozialdemokratie zweitausend weibliche Mitglieder im Kreise. Das ist ein um­gekehrtes Verhältnis wie in anderen Bezirken, und wir freuen uns des Erwachens der Frauen. Haben wir doch in ihm die Gewähr, daß die Indifferenz und Verständnislosigkeit der Proletarierinnen aufgehört hat, das Hindernis für die Entwicklung der Arbeiterbewegung zu sein, das fie lange Zeit gewesen sind. Das steht fest: ohne die opfer­bereite Einsicht der Frauen hätten die Bergleute den großen Kampf im Revier nicht führen können. Die Frauen standen im Kampfe treu zu ihren Männern und nahmen Entbehrung und sonstiges Ungemach freudig auf sich. Wäre es gelungen, die Frauen der Arbeitswilligen in die Versammlungen zu bringen, das Ende des Kampfes würde ein bedeutend anderes gewesen sein. Es ist eine gute Zukunftsbürgschaft, daß so viele Frauen dem Parteiverein bei getreten sind. Wir können heute Resultate ihrer Schulung ver­zeichnen. In Helbra   waren es Frauen, die bei der Gemeinderats wahl die Männer fleißig zum Wahltisch schleppten. Der rege Ver sammlungsbesuch unserer Genossinnen befundet ihr lebendiges Inter­esse nach weiterer Aufklärung. Um diese zu fördern, wäre es aller dings nötig, daß die Gleichheit", unsere Frauenzeitung, noch mehr Eingang in die Familien finden möchte. Jetzt wird das Blatt frei­willig gehalten, doch möchten die Genoffinnen Anregung geben, daß es für alle weiblichen Mitglieder unentgeltlich obligatorisch geliefert werden sollte, was möglich wäre, wenn der jetzige Beitrag von 10 auf 20 Pf. monatlich erhöht würde. Dem Kreistag, der am 7. August in Helbra   stattfindet, kann diese Anregung vorgelegt werden. Auch die Bewegung unter den Männern schreitet stetig vorwärts. Dafür sorgen schon die Mansfelder Kapitalsprozen. Jede Woche werden noch brave Bergleute auf die Straße geworfen, weil sie sich am Streit beteiligt und sich in irgend einer Weise betätigt haben, sei es durch Streifpostenstehen, Listenführen, Lokalsuchen usw. Eine feige Denunziation genügt, und die Entlassung ist da. Dabei wendet man niederträchtigerweise den Trick an, in keinem Falle zu fagen, warum die Entlassung erfolgt ist, so daß niemand in der Lage ist, sich gegen eine Beschuldigung verteidigen zu können. Dies System war von jeher im Mansfeldischen üblich, jetzt aber wird das Spigel­tum geradezu gezüchtet. Niemand ist mehr sicher, daß er nicht morgen