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Die Gleichheit

tion an den Reichstag gerichtet, in der um Beseitigung der be­stehenden Vorschriften ersucht wird.

Die Tätigkeit des Arbeiterinnensekretariats wird unterstützt durch die Mitarbeit des Arbeiterinnenkomitees, das auch für die Übungsabende helfend eingreift, die in Berlin für gewerk schaftlich organisierte Arbeiterinnen veranstaltet werden. Genos sinnen, die den Wert der gewerkschaftlichen Organisation erkannt haben und gewillt sind, unter ihren Berufsgenossinnen für die Aus­breitung der Organisation zu wirken, ist durch diese Übungsabende zu ihrer Ausbildung Gelegenheit gegeben. Hier wird ihre Fähig feit entwickelt und geschult, sich über eine Sache schriftlich und mündlich äußern zu können, es werden ihnen Kenntnisse auf dem Gebiet der Gewerkschaftsbewegung, der Sozialgesetzgebung, des Arbeiterschutzes, Jugendschutes usw. vermittelt. Einige Genossinnen haben sich dank der Übungsabende zu tüchtigen Mitarbeiterinnen für ihre Gewerkschaften entwickelt.

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Bis zum 1. März 1910 fungierte als Leiterin des Sekretariats Genoffin Jda Altmann. Seither liegt die Leitung in den Händen der Genoffin Gertrud Hanna . Sie schließt den Tätigkeitsbericht des Sekretariats über das Jahr 1910 mit folgenden Ausführungen: Es wird Aufgabe des Sekretariats sein, in der jetzt einsetzenden besseren Konjunktur alle die Allgemeinheit berührenden Fragen in zweckentsprechender Weise agitatorisch zu bearbeiten, um so mit beizutragen an der Ausbreitung des Organisationsgedankens auch unter den Arbeiterinnen. Bis jetzt ist die Zahl der organisierten Arbeiterinnen im Verhältnis zu der der Beschäftigten leider noch sehr klein. Daß aber die Arbeiterinnen, wenn auch schwer, den­noch für die Organisation zu gewinnen sind, beweist uns die auch während der Krise ständig gestiegene Zahl der weiblichen Organi sierten."

Die Gleichheit" hat bereits in einer früheren Nummer einen furzen Überblick über den Bericht des Arbeiterinnensekretariats gegeben, der zeigt, was wir erfreulicherweise auf allen Gebieten Der Arbeiterbewegung fonstatieren können: daß die gesamte klassen­bewußte Arbeiterbewegung vorwärts schreitet. H.

Der Dachdeckerverband hielt in Dresden seine General­versammlung ab. Die Delegierten beschäftigten sich außer mit den Angelegenheiten der inneren Verwaltung mit dem Entwurf der Reichsversicherungsordnung, sowie mit der wichtigen Frage der Verschmelzung des Dachdeckerverbandes mit dem Bauarbeiterverband. Die Organisation hatte in den letzten Jahren schwer zu kämpfen. Die große Krise erzeugte auch im Bau­gewerbe eine Zunahme der Arbeitslosigkeit, wie sie der Beruf seit Jahren nicht mehr gekannt hatte. Trotzdem ist die Lage des Ver­bandes eine befriedigende. Es ist wohl ein geringer Verlust an Mitgliedern zu verzeichnen, doch haben sich die Finanzen infolge der Beitragserhöhung gehoben. Die Lohnbewegungen hatten zwar auch unter der Krise zu leiden, doch konnten die alten Tarife mit Verbesserungen erneuert, und neue Vereinbarungen abgeschlossen werden. Der Verband setzte für 2614 Arbeiter Lohnerhöhungen durch, die pro Woche einen Mehrlohn von 4651 Mt. ausmachen, für 558 Arbeiter eine Verkürzung der Arbeitszeit von zusammen 1935 Stunden in der Woche. In 51 Fällen wurden korporative Arbeits­verträge abgeschlossen. Die Verschmelzung mit dem Bauarbeiterver­band wurde von der Generalversammlung gegen 3 Stimmen gebilligt. Die definitive Entscheidung soll eine Urabstimmung fällen. Dieses Votum der Generalversammlung ist ein weiterer Schritt zur Ver Vereinigung aller Bauarbeiter in einer einheitlichen Organisation. Der Zusammenschluß ist um so dringender notwendig, als es bei dem Umsichgreifen der Unternehmerorganisationen und der Ver­schärfung des Klassenkampfes immer schwieriger wird, die Inters essen der Arbeiter eines Zweiges des Baufachs zu wahren, getrennt von denen anderer Arten von Bauarbeitern. Da die Dachdecker damit rechnen müssen, daß sie ihrerseits zum größten Teile in den Kampf im Baugewerbe hineingezogen werden, faßte die General­versammlung den Beschluß, daß während der ersten vierzehn Tage des Kampfes teine Unterstützung ausgezahlt werden solle. Die nicht ausgesperrten Mitglieder entrichten vom 1. Mai ab den doppelten Beitrag. Die Beamten des Verbandes werden denselben Prozent­satz ihres Gehaltes wie die Beamten des Maurerverbandes der Kampftasse zuführen. Durch diese Beschlüsse wurde die General­versammlung der außerordentlichen Situation im Baugewerbe ge­recht. Die Opferwilligkeit und Entschlossenheit der Arbeiter läßt den Unternehmern wenig Hoffnung auf einen günstigen Ausgang der ,, Kraftprobe", die sie selbst herausgefordert haben. W. Kähler.

Der 25 jährige Bestand des Bäcker- und Konditorenver­bandes ist zu verzeichnen. Vor 25 Jahren wurde anläßlich eines Kongresses der Bäckereiarbeiter der Verband der Bäcker und ver­wandten Berufsgenossenschaften Deutschlands " gegründet. Die Auf­

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gabe, die sich dieser neue Sprößling der Arbeiterbewegung stellte war keine leichte. Das vom zünstlerischen Geist beseelte Unter­nehmertum des Bäckergewerbes hatte viel früher den Wert einer Zentralorganisation eingesehen als die Gehilfen. So schlossen sich 1874 die lokalen Innungen der Bäckermeister zum Zentralverband deutscher Bäckerinnungen, Germania " zusammen und unter­stützten aufs tatkräftigste die reaktionäre Strömung unter den Klein­handwerkern. Die profithungrigen Bäckermeister hatten durch die unmenschlich lange tägliche Nachtarbeit bei siebentägiger Arbeits­woche die Gehilfen körperlich wie geistig schwer geschädigt. Durch den allgemeinen Kost- und Logiszwang im Hause des Arbeitgebers war ihnen zudem die Möglichkeit an die Hand gegeben, den Ar­beiter auch in seiner Freizeit zu beaufsichtigen und zu bevormunden. Viele der Ausgebeuteten sanken immer tiefer. Sie verbrachten ihre furze Freizeit in schmutzigen Spelunken, im Verkehr mit Dirnen oder fronten dem Hazardspiel. Das Interesse an der Verbesserung der wirtschaftlichen Lage wurde in der Folge lange Zeit erstickt. Wenig versprechend war so das Menschenmaterial, mit dem die junge Organisation zu rechnen hatte. Während des ersten Jahr­zehnts seines Bestehens war der Verband außerstande, die Lage seiner Mitglieder zu verbessern. Ebensowenig gelang es ihm, neue Mitglieder zu gewinnen. Erst als 1895 der Sitz der Zentralleitung von Berlin nach Hamburg verlegt und Genosse Allmann zum Vorsitzenden gewählt wurde, begann der Verband, rüstige Fort­schritte zu machen. Die energische Agitation gegen die lange Ar­beitszeit wurde vom Genossen Bebel wirksam durch eine Bro­schüre über die Lage der Bäckereiarbeiter unterstützt. In dieser Schrift war das gesammelte Material verarbeitet, das die Not­wendigkeit verbesserter Arbeits- und Existenzbedingungen für die Bäckereiarbeiter nachwies. Endlich konnte die Regierung nicht um­hin, einzugreifen. Der Bundesrat erließ eine Verordnung, laut der Lehrlinge" nur" 10 beziehungsweise 11 Stunden und Gesellen nur 12 Stunden beschäftigt werden dürfen. Dadurch war wenigstens der schrankenlosesten Ausbeutung eine Grenze gezogen. Doch konnte sich selbstverständlich der Verband mit diesem geringen Zugeständ­nis nicht begnügen, er kämpft weiter. Seit dieser Zeit ist die Dr­ganisation in stetem Wachsen begriffen. Bei der Verlegung der Zentralleitung betrug die Zahl der Mitglieder 186, am Jahres­schluß 1909 20 350 einschließlich der weiblichen. Am Schlusse des ersten Quartals im laufenden Jahre war die Zahl auf 22 000 ge= stiegen, darunter 2400 Frauen. Bis Juli 1907 waren die in Konditoreien, Schokolade und Zuckerwarenfabriken Beschäftigten in dem 1891 gegründeten Konditorenverband. organisiert. 1907 erfolgte die Verschmelzung mit der Organisation der Bäcker. Die Unternehmer in der Schokolade- und Zuckerwaren­industrie geben ihren Kollegen im Bäckergewerbe an Rückständig­keit nichts nach. In der Zuckerwarenindustrie steht die Lehrlings­züchterei in hoher Blüte. In den Schokoladefabriken werden mit Vorliebe jugendliche Arbeiterinnen beschäftigt. Hier wie dort wird der Herrenstandpunkt auf die brutalste Weise hervorgekehrt. Als Haupthindernis für die Schulung der Verbandsangehörigen und die Gewinnung neuer Mitglieder mußte vor allem der Kost- und Logiszwang beseitigt werden. Von jeher hat der Verband in dieser Richtung gewirkt. In einigen Städten sind seine Bemühungen auch erfolgreich gewesen. Seit 1895 fanden 80 Angriff und 27 Abwehrstreits sowie 2 Aussperrungen statt, an denen alles in allem 16 396 Personen beteiligt waren, ferner 212 Lohnbewegungen ohne Arbeitseinstellung mit 36 448 Beteiligten. Dabei wurde erreicht für 18 479 Personen eine Arbeitszeitverfürzung von 73 825 Stunden in der Woche, eine Lohnerhöhung für 35 200 Personen im Gesamt­betrag von 62 176 Mt. pro Woche. Es gelang, den Kost- und Logiszwang beim Arbeitgeber für 15 407 Personen zu beseitigen. Mit den Unternehmern wurden 169 korporative Arbeitsverträge abgeschlossen. Die Lohnkämpfe, welche der Verband durchgefochten hat, kosteten ihm rund 302 000 Mt. Außerdem hat er seinen Mit­gliedern an Unterstützungen 648 974 Mt., das heißt 27,9 Prozent seiner Gesamteinnahmen ausgezahlt. Doch von weit größerer Be­deutung als der materielle Gewinn an sich ist es, daß durch die günstigeren Arbeits- und Lebensbedingungen die Arbeitskräfte im Bäckereigewerbe und den verwandten Berufen geistig und sittlich gehoben worden sind. Das tam wiederum der Organisation zu­gute, die tüchtige Mitstreiter im Kampfe gegen das Unternehmer­tum gewann. Was der Verband im ersten Vierteljahrhundert seines Bestehens begonnen hat, wird er in den kommenden Jahren fort­setzen. So wird er sich als immer stärkere Schuhwehr gegen Profit­gelüfte und Protenhochmut der ausbeutenden Minderheit erweisen, so wird er immer besser seine Aufgabe erfüllen, die Ausgebeuteten des Berufsgebiets ihrer Befreiung entgegenzuführen.

A. Lantes, Hamburg .