312 Die Gleichheit Nr. 20 Versicherung und die Pensionskassen der Beamten. Am besten ge- sorgt ist noch für die Hinlerbliebenen derStützen des Staates", der Beamten. Über eine allgemeine Witwen- und Waisenfürsorge wird im Reichstag erst seit der letzten großen Zollvorlage verhandelt. Ans Anlrag des Zentrums sollte ein kleiner Teil der Einnahmen aus den erhöhten Lebensmitlelzöllen für einen Fonds zur Unter- slützung der Witwen und Waisen aufgespart werden. Wie wenig ernst es dem Zcntrmn mit der Witwen- und Waisenversorgung ist, und wieviel weniger die Negierung gesonnen ist, etwas Ernsthaftes zu schaffen, zeigen die betreffenden Vorschlüge des Entwurfs zur Reichsversicherungsordnung. Die Jnvalidcnversicherungsbeiträge sollen um einige Pfennige erhöht werden, und der Staat soll Zu- schüsse zu den Renten leisten. Im günstigsten Falle wird nach zehn- jahriger Beilragsleistung in der höchsten Klasse eine Witwenrente 88,40 Mk. betragen, eine Waisenrente für ein Kind 49,20 Mk. und für sechs Kinder zusammen 194,40 Mk. Zum Schlüsse seiner ein- gehxnden Darstellung und Kritik des Entwurfs fordert« der Redner die Anwesenden auf, der Frage der Witwen- und Waisenfürsorge, wie überhaupt dem ganzen Entwurf zur Reichsversicherungsordnung ihre besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Reicher Beifall lohnte die Ausführungen. An das Referat schloß sich eine Diskussion an, an der sich unter anderen auch der Reichstagsabgeordnete Albrecht beteiligte.?. XI. In einer öffentlichen Frauenversammlung für die Bezirke Flingern und Jklack in Düsseldorf sprach Genossin Gewehr über das Thema:Die Frau im proletarischen Klassenkampf". Die überzeugenden, begeisternden Ausführungen der Rednerin lösten bei der Versammlung reichen Beifall aus. Wir hoffen, daß die lebhaste Beteiligung der Frauen an der Bewegung in diesem Be- zirk auf die Genossinnen der anderen Distrikte anfellernd wirken wird. Auch in Düsseldorf muß es mit der proletarischen Frauen- bewegung immer rascher vorwärts gehen. l,. A. Jahresbericht der Genossinnen in Eisenberg(Sachsen-Alten- bürg). Die proletarische Frauenbewegung hat im vergangenen Jahre in Eisenberg erfreuliche Resultate gezeitigt. Gemäß dem Beschluß des Nürnberger Parteitags wurden die Frauen in den verschiedensten Instanzen und Institutionen der Parteiorganisation zur Mitarbeit herangezogen: in den Vorstand des Ortsvereins wurden zwei weib- liche äjlitglieder gewählt, eine Delegierte vertrat die organisierten Genossinnen auf dem Landesparteitag zu Altenburg , in die Kinder- schutzlommission wurden drei Genossinnen entsendet, eine gehört dem Bildungsausschuß an, eine andere bekleidet das Amt einer Bertrauensperson, die Beschwerden der Arbeiterinnen entgegen- zunehmen und der Fabrikinspektion zu übermitteln hat. Zur Schulung und Bildung der Frauen und Mädchen fanden fünf Versammlungen der weiblichen Mitglieder und drei öffentliche Frauenversammlungen statt. In den öffentlichen Versammlungen wurden folgende Fragen behandelt:Tie Frau im politischen Kampfe",Die Arbeiterinnen bei den Krankenkassen, Gewerbe- und Kaufmannsgerichtswahleil" undDas Altenburger Landtagswahlrechl". Für dieGleichheit" wurden durch Hausagitation 63 Leserinnen gewonnen. Die Zahl der im hiesigen Ortsverein organisierten Frauen und Mädchen be- trägt 14ö. Das ist freilich ein verschwindend kleines Häuflein im Heere des kämpfenden Proletariats. Aber die Genossinnen Eisen- bergs hoffen, daß sie auch hier durch ihre rührige Agitation unter krästiger Beihilfe der Genossen immer weitere Kreise des weiblichen Proletariats der Organisation zuführen werden. M. Eichler. Jahresbericht der Vcrtrancnsperson der Genossinnen für den sechsten sächsischen Wahlkreis, Genossin Wackwitz. Auch im Berichtsjahr cst ein erneuter Forlschritt der Frauenbewegung des Bezirkes zu verzeichnen. Das zeigte sich in erster Linie an der stärkeren Beteiligung der Frauen an den Versammlungen und an ihrem regen Interesse für die Bildungs- und Diskussionsabende. Tie Frauen gewöhnen sich immer mehr daran, sich an der Tis- lusston zu beteiligen, und auch die eingegangenen Gruppenberichle legen zum Teil durch knappen und präzisen Ausdruck von dem wachsenden Verständnis und der Schulung der Genossinnen Zeug- nis ab. Die Zahl der Mitglieder beträgt nunmehr 1500. Die Be- wegung hat jedoch nicht nur an Ausdehnung, sondern auch an Tiefe gewonnen. Von seilen des Kreisvorstandes wie vom Agitations- komitee wurden mehrere Versammlungslouren veranstaltet, in denen die Genossinnen Tietz-BerlPi, Gradnauer und Wackwitz über Tagessragen referierten. Diese Veranstaltungen waren alle gut be- sucht, zum Teil sogar übcrsüllt. Die zahlreichen Bildungs- und Diskussionsabende der einzelnen Gruppen waren den Ver- Hältnissen entsprechend gut besucht. In Löbtau fanden 12 solche Zusammenkünste statt, in Cotta ebensoviel, in Potschappel 11, in Strießen 6, Gorbitz 6, Leutewitz 5 und in Schmiede- berg 2. In diesen Zusammenkünsten wurde verhandelt über: Kindererziehung und die sexuelle Frage". Sodann wurden Ab- schnitte aus der Agitationsbroschüre:Wege und Ziele, Erläute- rungen zu den sozialdemokratischen Gegenwartssorderungen" durch- genommen sowie abschnittweise BebelsDie Frau und der Sozialis- mus". Das Verfahren war dabei folgendes: An die Vorlesung der einzelnen Paragraphen knüpfte sich eine Diskussion au. Die An- wesenden folgten stets mit großem Interesse der Lektüre, und ihre Beteiligung an der Diskussion wurde mit der Zeit immer lebhafter. Es nahm die Zahl der Genossinneu zu, die sich mit Fragen oder selbständigen Ansichten hervorwagten. In dem großen Bezirk Strießen haben die Genossinnen Gradnauer und Grötzsch in dankenswerter Weise die Vertrauensperson bei den Veranstaltungen unterstützt und ihr die Arbeit erleichtert. Die Durchschnittszahl der Besucherinnen in den Bildungs- und Diskussionsabenden betrug 39. Mit lebhafter Anteilnahme wurden auch einige Vorträge der Unter- zeichneten über auswärtige Agitationsreisen entgegengenommen. Von einigen Gruppen wurden Wanderabende veranstaltet, durch welche die Genossinnen einander auch persönlich näherkommen sollten. Die Einrichtung fand guten Anklang und hatte besten Erfolg. Das Zusanimenwirke» mit den Genossen innerhalb der einzelnen Gruppen, wo die Genossinnen in der Verwaltung tätig sind, hat sich erfolg- reich gestaltet, liberall haben die Genossinnen ihre Aufgabe zur Zu- friedenheit gelöst. Es ist nur zu bedauern, daß es noch eine Reihe von Bezirken gibt, in deren Ortsverwaltungen keine Frau sitzt, trotzdem es jetzt in den Kreisen der Genossinnen an geeigneten Kräften nicht fehlt. Auch über die gemeinschaftliche Arbeit mit den Genossen im Kreisvorstand kann nur Gutes berichtet werden. In nächster Zeit werden Gruppenversammlungen Stellung zum internationalen sozialistischen Kongreß und wohl auch zur inter - nationalen Frauenkonferenz nehmen, sowie zur sächsischen Landes- Versammlung. Es ist Pflicht der organisierten Genossinnen, zu der Versammlung vollzählig zu erscheinen. Slls Vertrauensperson wurde die Unterzeichnete einstimmig wiedergewählt, als ihre Stellvertrcterin Genossin David in Cotta. Die sozialistische Frauenbewegung im sechsten sächsischen Wahlkreis hat sich im vergangenen Jahre in erfreulicher Weise entwickelt. Dazu hat außer der eifrigen, opfer- freudigen Betätigung der Genossinnen selbst wesentlich auch der feste Halt beigetragen, den unsere Frauenbewegung an der allge- meinen Parteiorganisation besitzt, wie das Verhallen der Partei- genossen, die ihr ohne kleinliche Engherzigkeit die nötige Beivegungs- sreiheit und Unterstützung gewährt haben. Marie Wackwitz . Jahresbericht der Kmderschutzkommission in Meisten. Vor etwas mehr als einem Jahre wurde in Meißen eine Kinder- schutzkommission eingesetzt, die bereits eine erfolgreiche Tätigkeit entfaltet hat. In verschiedenen Fällen ist es gelungen, dem grenzen- losen Elend der mißhandelten und verwahrlosten Kleinen zu steuern oder es wenigstens zu mildern. Tieftraurige Bilder entrollten sich oft vor den Genossinnen bei ihrer Tätigkeit. Die vier Kinder emer Witwe waren den ganzen Tag sich selbst überlassen, da die Mutter in einer Fabrik arbeitete. Kein Wunder, daß die Kleinen verwahr- losten. Das älteste, ein 13jähriges Mädchen, versäumte häufig die Schule, auch hatte es beim Kaufmann Waren erschwindelt. Nun klagte die Mutter ihr eigenes Kind bei der Schul- und Stadtbehörde an, es verderbe die Geschwister. Das Kind sollte einer Erziehungs- anstalt überwiesen werden. Jetzt griff unsere Kommission ein. Eine Unterredung mit der Mutter ergab, daß diese an der Sache nicht ganz unschuldig war. Als ihr Vorhaltungen gemacht wurden, er- klärte sie, die gegen das Kind erhobenen Beschuldigungen seien alle unwahr. Die 5i'ommissiou suchte daraufhin die Überweisung des Mädchens an eine Erziehungsanstalt zu verhindern. Jetzt versicherte die Frau im Beisein der Konimissionsmitglieder vor dem Stadtrat, früher die Wahrheit gesagt zu haben. Die Genossinnen ließen es an der verdienten Zurechtweisung für die Lügen nicht fehlen, konnten jedoch die Überweisung des Kindes an die Erziehungsanstalt nicht verhüten. Wenigstens gelang-es aber, die Mutter zu veranlasse», die übrigen drei Kinder tagsüber in die Kinderbewahranstalt zu schicken. Ein anderer Fall. Das sechsjährige Mädchen einer Witwe, die aus Russisch-Poleil stammte, war bereits neun Monate krank, ohne daß ein Arzt zugezogen worden wäre. Die Frau hatte außer dem kranken noch sechs unerzogene Kinder. Ihre Wohnung bestand aus drei Räume», die außer der Familie noch vier After- mieler beherbergen mußten. Für alle war nur ein einziges Bett vorhanden. Kurz vor dem Erscheinen der Kommission hatte der Gemeinderat von den Zuständen Kenntnis erhalten. Ein Arzt wurde beauftragt, das Kind zu untersuchen. Der Befund ergab tuberkulöse Eiterungen am Unterleib und an den Beinen. Die Kommission fand das Kind in einer mitleiderregenden Lage. Die Beine waren an den Oberkörper gezogen, und das Mädchen war nicht imstande, sich auszustrecken. Die Wunden waren voll Eiler, der einen ekel-