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Die Gleichheit

der Neid laffen. Wie die Geschichte der Arbeiterbewegung beweist, ist den Herren jedes Mittel dazu recht. Wenn es gilt, scharf zu machen gegen die Gewerkschaften oder die Boykottierung unlieb­samer Arbeiter durchzuführen, scheuen sie auch davor nicht zurück, die von ihnen sonst so hochgeschätzten Behörden geflisfentlich zu täuschen. Zwei typische Fälle aus jüngster Zeit liefern treffliche Beweise dasür. Im Herbst vorigen Jahres wurden die Maß­regelungsprattiten des Mannheimer Industriellen arbeitsnachweises aufgedeckt. Sie waren so ungeheuerlich, daß sich selbst die objektivste Behörde der Welt", die Staatsan­waltschaft, der Sache annehmen mußte. Nach dem angestellten Er­mittlungsverfahren hat sie sich allerdings auf ihr klassenstaatliches besseres Selbst besonnen und strafrechtliches Einschreiten gegen die Institution wegen Kennzeichnung der Arbeitspapiere abgelehnt, obgleich die Redaktion unseres Mannheimer Parteiblattes dem Staatsanwalt diverse Invalidenkarten mit Merkmalen übermittelt hatte. Die Einstellung des Verfahrens wurde sicherlich deshalb be­schlossen, weil der Leiter des Arbeitsnachweises, Dr. Möbius, in zuvorkommender Weise dem Staatsanwalt und dem Oberbürger meister die Bücher vorlegte, aus denen sich keinerlei Anmerkungen zur Kennzeichnung der mißliebigen Arbeiter ergaben. Jetzt ist nun unser Parteiblatt in der Lage, nachzuweisen, daß die Behörden schmählich hinters Licht geführt worden sind. Als eine Kontrolle des Arbeitsnachweises zu erwarten war, hat der Geschäftsführer das Schwarze Buch schnellstens umgeschrieben, in dem die Arbeiter gefennzeichnet waren. Vermerke wie: Anarchist, Hetzer, Agitator usw. wurden natürlich nicht mit übertragen. Solche Kennzeichnungen sind in einer besonderen Liste enthalten. Der Nachweis erhielt eine neue Geschäftsordnung, die ihn nach außen hin als unpar­teiisch erscheinen läßt. Der Nachweisleiter ist aber zugleich Ge­schäftsführer des Unternehmerverbandes, und alle Posteingänge laufen in seiner Hand zusammen. Wer da glaubt, daß der Nach weisleiter nicht wissen sollte, was der Geschäftsführer weiß, muß wirklich dümmer sein als die Polizei in des Wortes verwegenſter Bedeutung erlaubt. Auf diese Art wird den Behörden ein Schnipp­chen geschlagen: die Verrufserklärungen gehen ungehindert weiter. Während die Unternehmer selbst einen brutalen Terrorismus großen Etils faum verhüllt praktizieren, bauschen sie kleine Kontroverse bei Ausständen zu gruseligen Terrorismusgeschichten auf und bemühen fich, daraus Kapital gegen die Arbeiterorganisationen zu schlagen. Der Arbeitgeberverband in Köln   verlangte in einer Ein­gabe an die Regierung, in dem Entwurf zur Reform des Straf gesetzes das Streitposten stehen gesetzlich zu verbieten. Zur Begründung dieser seiner Forderung erzählt er eine gar erschröck liche" Terrorismusgeschichte. Bei einem Streit in einer Tapeten fabrik so berichtete die ehrenwerte Organisation fittlich ent­rüstet seien vier arbeitswillige Drucker von zwanzig Ausständigen tätlich angegriffen worden, das aber obendrein unter Führung des Gauleiters vom Senefelderbund aus Stuttgart  . Die Staatsanwalt­schaft wurde durch diesen überfall" zu einer Klage angespornt, und daß sie gewiß bemüht war, aus der Sache etwas zu machen, muß jeder annehmen, der den Pflichteifer unserer Juristen fennt. Sämtliche acht Angeklagten wurden aber freigesprochen. Die schöne Begründung für die Eingabe der Unternehmer ist damit ins Wasser gefallen. Solche Blamagen genieren aber große Geister nicht. Das wurde letthin wieder einmal durch das Oberscharfmacherblatt, die ,, Deutsche Arbeitgeber- Zeitung", bestätigt. In der ganzen Reichs­verbandspreffe prangte ein Artikel, der mit sattem Behagen über " Freigewerkschaftliche Maifahrten" höhnte. Ein scharfmacherischer Rechenkünstler hatte das geduldige Papier malträtiert und zu­sammengerechnet, daß die letzten Tagungen der Gewerkschaften den Mitgliedern über drei Viertelmillionen Mark an Diäten gekostet hätten. Nach der famosen Rechnung hätte der einzelne Delegierte über 102 Mt. Tagesdiäten erhalten. Nachdem der nackte Unsinn einwandfrei festgestellt worden war, verstummte die feindliche Preß­meute. Nur die Deutsche Arbeitgeber- Zeitung" folportierte den öffentlich gebrandmarkten Schwindel mit schöner Seelenruhe weiter. Später gefiel sich das Blatt allerdings in der Rolle der Anständig leit und berichtigte, daß die Kleinigkeit von 650 000 Mt. den Dele­gierten zu viel angetreidet worden sei. Nebenbei bemerkt, tönnen die Delegationstonen höchstens 75 000 Mt. betragen haben, eine übrigens außergewöhnlich hohe Summe, die sonst für die Tagungen nicht verausgabt wird, und die nur deshalb aufgewendet werden mußte, weil außerordentlich viele Verbandstage in verhältnismäßig furzer Zeit sich zusammendrängten. Das Scharfmacherblatt nimmt aber nicht etwa seine falsche Angabe einfach zurück und erklärt auch nicht die daraus gezogenen Schlußfolgerungen für unrichtig- wie es doch jeder auch nur leidlich anständige Mensch tun würde sondern es betont ausdrücklich, daß an der Tendenz des Artikels

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nichts geändert werde. Das ist ein unbedacht entschlüpftes Ge­ständnis, daß bei der Bekämpfung der Arbeiterorganisationen der Zweck das Mittel heiligt", daß daher auch mit Lüge und Ver­drehung gearbeitet werden darf. Wir quittieren dankend für das Bekenntnis. Aber wir sagen auch mit dem alten Fritz: Mit solchem Pack muß man sich herumschlagen!

dank

Die Aussperrung in der Tuttlinger Schuhindustrie, bie 18 Betriebe mit zirfa 2000 Personen umfaßte, ist nun bant dem treuen Zusammenhalten der Arbeiter und Arbeiterinnen mit Erfolg beendet worden. Die Unternehmer gestanden die Verkürzung der Arbeitszeit um eine halbe Stunde zu und verlängerten die Mittagspause um eine halbe Stunde. Daß wegen solcher Bagatellen die Arbeiter einen langen Kampf führen mußten, kennzeichnet so recht den turzsichtigen, brutalen Proßenstandpunkt der Unternehmer.

Einen guten Erfolg hat auch der Textilarbeiterverband für die Arbeiterschaft einer Baumwollfabrit in Herford   i. W. zu ver zeichnen. Ein 15 wöchiger Kampf hat hier sehr annehmbare Lohn­aufbesserungen für die Färber, Weber und Spulerinnen er zielt. Noch 13 Wochen nach Beginn des Streits hatte der Unter­nehmer erklärt, nichts zu bewilligen. Schließlich mußte er doch nachgeben. Der Streit hat übrigens vorzüglich auf die Gesundheit der Kämpfenden zurückgewirkt und dadurch den unhygienischen Charakter der kapitalistisch ausgebeuteten Arbeit hell beleuchtet. Am 18. März hatten die bleichen, ausgemergelten, vergrämten und versorgten Arbeiter und Arbeiterinnen die dumpfen Fabrikräume verlassen, am 4. Juli gingen sie frisch und erholt an die Arbeit zurück.

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Der Kampf der Metallarbeiter in Hagen  - Schwelm   ist beendet. Die Unternehmer gestanden zu, daß ihr Arbeitsnachweis einen unparteiischen Vorsitzenden erhält, den die Behörde ernennt. Weil viel Unorganisierte am Streit beteiligt waren, mußte er mit diesem Kleinen Erfolg abgebrochen werden. In der Zelluloid. warenfabrik von Gebrüder Wolff in Nürnberg   sind sämt liche 600 Beschäftigte ausständig. Die Firma ist besonders bekannt geworden. Jm vorigen Jahre brach bei ihr ein Streit aus, und es fam zu Krawallen mit den Arbeitswilligen, wobei ein Streif­posten ermordet wurde. Die Firma ist heute noch ebenso rücksichts­los wie damals. In den oberschlesischen Zinkhütten be­reitet sich ein größerer Kampf vor. Die überaus schlechten Löhne für mörderische Arbeit haben die sonst in Demut vegetierenden fatholischen Arbeiter einer Hütte zum Ausstand getrieben. Die Ar­beiter gehören der polnischen Berufsvereinigung an, deren Leiter in einer Versammlung für einen Generalstreit der Zinkhüttenarbeiter plädierte. Hoffentlich versagt diese Organisation später nicht; es find übrigens wenig Arbeiter der Zinkhütten organisiert.- In der Etuisbranche hat ebenfalls eine Lohnbewegung eingesetzt, an der die Arbeiterschaft von Berlin  , Hanau   und Rathenow  beteiligt ist. Das gleiche ist von den graphischen Kunstanstalten in Nürnberg   zu berichten.

Einigen Spaß hat es uns bereitet, daß in den Maschen des § 153 der Gewerbeordnung endlich einmal zwei Unternehmer hängen blieben und sich abzappeln mußten. Arbeiter kollidieren ja sehr leicht mit den Vorschriften des Gesetzes! Zwei Schlächtermeister in Frankfurt   a. M. wollten nicht begreifen, daß Bedrohung und Verrufserklärung ihrer Kollegen welche die Arbeiterforderungen anerkannt hatten- mit einem Tage Gefängnis geahndet werden fönnten. Im Urteil des Schöffengerichtes wurde es ihnen flar­gemacht. Sie glaubten es aber nicht, und so mußte die Straf­fammer es ihnen auf ihre eingelegte Berufung hin bestätigen. Die Herren sind sehr glimpflich davongekommen. Um diese verruchte Tat der blinden" Dame Justitia   auszugleichen, hat die Straf kammer in Beuthen  ( Oberschlesien  ) den Fabritarbeiter­verband für politisch erklärt. Wir haben selten so herzlich ge­lacht wie über die Begründung des Urteils, die weiter unten zu finden ist.

Ein vernünftiges Urteil bei einer übertretung der Arbeite­rinnenschutzbestimmungen verdient Erwähnung. Ein großes Konfektionsgeschäft in Augsburg   hatte sich vor dem Schöffen­gericht zu verantworten, weil es Konfektionsarbeiterinnen über die gesetzlich zulässige Zeit hinaus im Betrieb beschäftigt und ihnen auch Arbeit mit nach Hause gegeben hatte. Der Geschäftsvertreter machte vor Gericht geltend, daß sich die in Frage kommenden Ar­beiterinnen freiwillig zu der Überzeitarbeit und zur Heimarbeit an­geboten hätten, und daß somit seinerseits fein 3wang ausgeübt worden sei. Das Gericht verurteilte den Geschäftsinhaber troydem zu 130 Mt. Geldstrafe. Es führte in der Begründung des Urteils aus, daß nach dem Sinne des Gesezes eine Arbeiterin nötigenfalls gegen ihren eigenen Willen verhindert werden müsse, zur Er­zielung eines Mehrverdienstes über die Zeit hinaus zu arbeiten