Nr. 23

Die Gleichheit

suchenden, die anderthalbmal ausreichten, die gesamte Nachfrage nach weiblichen Arbeitskräften zu decken, und im Mai beläuft sich das Plus an übrigbleibenden männlichen Arbeitskräften gar auf 119000, die fast zweimal die Nachfrage nach weiblichen Arbeitskräften decken könnten. Wir sehen ganz davon ab, daß die Vermittlungstätigkeit durchaus nicht imstande ist, die leeren Stellen auch alle zu besetzen, daß mithin die Zahl der arbeits­los Bleibenden in Wirklichkeit noch etwas größer ist. Es kann also nicht die Rede davon sein, daß der Mangel an männ lichen Arbeitskräften einen Zwang zur Verwendung von Lohn­arbeiterinnen schafft. Wo eine tatsächliche Leutenot vorhanden ist, wie in der Landwirtschaft, hat sie rein wirtschafts­politische Ursachen. Den unerträglichen Verhältnissen auf dem- Lande vermögen sich die Männer durch Abwanderung in andere Berufe leichter zu entziehen wie die Frauen, die als billige Arbeitskräfte zurückbleiben. Nur hieraus erklärt sich die enorme Zunahme der Frauenarbeit in der Land wirtschaft. Die männlichen Erwerbstätigen nahmen seit 1895 in der deutschen Landwirtschaft um 255 267 ab, die weiblichen wuchsen dagegen um 1845832.

Helene Simon beweist übrigens selbst in sehr gründlichen Ausführungen, daß ein Teil der Zunahme der Frauenarbeit, besonders der schlechtentlohnten, hervorgerufen ist durch die Flucht der Arbeiter aus den Niederungen der Industrie", also durch eine Verdrängung, nicht durch einen Mangel an männ lichen Arbeitsfrästen. Einen solchen hat Helene Simon nirgends nachgewiesen. Dieser Mangel wird nur von den Unternehmern behauptet, die ihn zur Deckung ihrer Praxis auch vorschützen, um neben den Frauen auch ausländische Arbeiter heranzuziehen. Der Zweck dieser Übung ist bekannt: die Löhne sollen gedrückt, die Arbeiterorganisationen lahmgelegt werden.

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Auch in einem anderen wesentlichen Punkte ihrer sonst treff lichen Ausführungen müssen wir Helene Simon entschieden ent gegentreten. Sie erwartet, daß eine höhere Bewertung der Frauenarbeit neben besserer Berufsausbildung durch eine Ab­nahme des Frauenüberschusses eintreten werde. Aller­dings der Frauenüberschuß im Deutschen Reich ist gesunken; er betrug auf 100 Männer im Jahre 1882: 4,2; im Jahre 1895: 3,8 und im Jahre 1907: 2,6. Jedoch wie gering ist dieser Rückgang, wenn man ihn im Zusammenhang mit der absoluten Zahl der vorhandenen Frauen betrachtet. Der Überschuß weib­licher Personen über die männlichen war 1907 nur um 153633 geringer als im Jahre 1895. Nun waren aber im Jahre 1907 im Deutschen Reich 31 Millionen weibliche Personen vorhanden. Was bedeutet angesichts dieser Zahl eine Abnahme von 153 633, die noch nicht einmal/ Prozent der Gesamtziffer ausmachen! Wenn man die nicht Erwerbsfähigen( unter vier­zehn Jahren) abzieht, so beträgt die Abnahme gar nur 92754 Personen, denen 20% Millionen erwerbsfähige Frauen und Mädchen gegenüberstehen, so daß der Rückgang nur 0,43 Prozent beträgt. Aber selbst wenn diese Differenz eine weit größere wäre, der Frauenüberschuß weit mehr zurückginge: was würde das für die Höhe der Löhne und die Qualifikation der Arbeit beweisen? Was aus Helene Simons Auffassung über die Bedeutung der Abnahme des Frauenüberschusses spricht, das ist nichts weiter als die längst überwundenen Anschauungen des Malthus, der da meint, daß eine Überproduktion an Menschen vorhanden und sie die Ursache des sozialen Elends sei. Helene Simon hat wohl unbewußt die Malthussche Theorie, die für alle Arbeiter gelten sollte, nur auf die weib­lichen angewendet. Richtiger wird sie dadurch nicht! Nein, die Hebung der Lage der weiblichen Arbeitskräfte hängt nicht vom Steigen oder Fallen des Frauenüberschusses ab, sondern von der Organisierung der Arbeiterinnen.

Auf diese Selbsthilfe verweist ja auch Helene Simon. Wir fönnen ihr aber nicht darin beipflichten, daß sie auf die ge­werkschaftliche Organisation an sich hinweist. Das kann den Eindruck erwecken, als ob ihr freie, Hirsch- Dunckersche und christliche Gewerkschaften gleichwertig erscheinen. Unseres Er achtens war es Pflicht, die Wesensunterschiede dieser Organi sationen scharf hervorzuheben und die überlegenheit der freien

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Gewerkschaften darzutun. Eine gleiche, von uns nicht zu billigende Neigung zur objektiven" Anerkennung aller reformerischen Be­strebungen auf dem Gebiet der Arbeiterinnenfrage begegnen wir auch bei Helene Simons Wertung bürgerlicher Sympathie­kundgebungen für die Arbeiterinnen. Die Verfasserin erwähnt als bedeutsam, daß unter Führung von Miß Morgan, der Tochter des berühmten amerikanischen Milliardärs, Damen der amerikanischen Plutokratie mit einem Rapital von 20 Millionen eine Blusenfabrik auf der Basis der Gewinnbeteiligung er­richtet haben. Diese Gründung erfolgte zur Unterstützung des Verbandes der Blusenarbeiterinnen bei Gelegenheit des großen New Yorker Streifs, an dem sich 40000 Blusennäherinnen be­teiligten. Warum," so schreibt Helene Simon, sollten nicht in der Tat auch in den höheren Ständen kaufmännisch oder technisch veranlagte Frauen sich der Industrie zuwenden, anstatt wahl­los Universitäten zu bevölkern?" Wenn solche Gründungen die Lösung der Arbeiterinnenfrage bringen sollten, wie kläglich stünde es dann um die Hoffnungen des weiblichen Proletariats! Gewinnbeteiligung- nur noch eine Kette mehr, die es an die tapitalistische Produktionsweise fesseln soll! Das Bild, das Helene Simon von der Notlage der Arbeiterinnen entwirft, ist zutreffend, und es berührt um so auffälliger und peinlicher, daß sie sich versagt, daraus den Schluß zu ziehen, daß nur die Beseitigung der kapitalistischen Produktion endgültig Hilfe bringen kann. Bei einem Vortrag auf einer von Bürgerlichen und vor Regierungsvertretern abgehaltenen Konferenz ist das zwar begreiflich, wirft aber bei Helene Simon immerhin befremdend. Wenn diese auch nicht, wie einige Parteiblätter bei der völlig kritiklosen Wiedergabe ihres Referats behaupteten, die Tochter unseres Bebel ist, so tam doch in ihren früheren Arbeiten zum Ausdruck, daß sie die Arbeiterinnenfrage im Zusammenhang mit der großen sozialen Frage unserer Zeit erfaßte, daß sie daher in der kapitalistischen Produktionsweise die letzte Ursache der sozialen Elendserscheinungen erblickte, die in Verbindung mit der Frauenarbeit auftreten, und daß sie die entsprechenden logischen Konsequenzen dieser Auffassung zog. Math. Wurm.

Die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Ehegatten.

III.

Gegen die Gefahren, welche der Frau aus der Verwaltung und Nuznießung ihres Vermögens durch den Mann drohen können, gibt das Bürgerliche Gesetzbuch kein Recht auf un­bedingte Sicherung. Es räumt der Frau nur gewisse zu ihrer Sicherung dienende Rechte ein, wenn im einzelnen Falle eine Gefährdung ihrer Interessen nachweisbar ist. Mit anderen Worten: das Gesetz gestattet der Frau, erst den Brunnen zuzu­decken, wenn das Kind hineingefallen ist. Darauf läuft faktisch und praktisch der Schuh hinaus, welcher der Frau gewährt ist, wenn das Gesetz bestimmt, die Frau könne vom Manne Sicher heitsleistung verlangen und auf Aufhebung der Verwaltung und Nuznießung Klagen, sofern sein Verhalten die Besorgnis begründet, daß die Rechte der Frau in einer Weise verletzt werden, die das eingebrachte Gut erheblich gefährden. Wann liegt ein Verhalten des Mannes vor, durch welches die Besorgnis einer Verlegung als begründet erscheint? In welchem Verhältnis muß der der Frau drohende Schaden zu der Größe des eingebrachten Gutes stehen, damit die Gefahr als eine er hebliche anerkannt wird? Man braucht sich nur diese Frage vorzulegen, um ermessen zu können, wie wenig den Interessen der Frau mit einer solchen Schutzvorschrift" gedient ist. Aller­dings gibt das Gesetz der Frau auch das Recht, vom Manne über den Stand der Verwaltung Auskunft zu verlangen. Aber damit ist ihr wiederum sehr wenig geholfen. Denn für den Fall, daß der Mann die Auskunft verweigert, gibt ihr das Gesetz keineswegs etwa die Möglichkeit an die Hand, ihr Recht auf Auskunft gerichtlich geltend zu machen.

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Liegen die genannten Voraussetzungen vor, unter denen die Frau Sicherheitsleistung verlangen kann, so kann sie Ansprüche,