Nr. 23.
Die Gleichheit
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schon seit Jahrtausenden bekannt war, und deren Herkunft als Staatsgeheimnis ängstlich gehütet wurde. In den griechischen Küstenstädten entfaltete sich eine außerordentliche Pracht. Die Kaufleute wurden zu mächtigen Herren. Reich in Seide gestickte Gewebe nach indischen und chinesischen Mustern wurden viel begehrt. Die reich gewordenen Römer bekamen kostbare mit Seide bestickte Stoffe aus Syrien , Ägypten , Spanien , China und Indien . Das Pfund Seide kostete ein Pfund Gold. Schon damals wurde, wie auch heute noch, die Seide durch die Händler gemischt( beschwert), um die Fäden lukrativer zu verwerten. In der Zeit des beginnenden Verfalls des Römerreiches wurden von den Frauen der Herrschenden sogenannte Florgewebe zu Kleidern verwandt. Sie wurden mit Silberfäden verwirkt und leicht gefärbt. Diese aus feinem Leinenfaden hergestellten Stoffe ließen den Körper fast nackt erscheinen.
Bei den alten Ägyptern, die in vergleichsweise frühen Zeiten schon hochentwickelte Gesellschaftsverhältnisse aufweisen, webten Männer. In feuchten Räumen fand die Arbeit statt. Bekanntlich wird die Fadenfügung des Leinengewebes durch feuchte Luft günstig beeinflußt. Auch heute noch wird durch fünstliche Luftbefeuchtung in Flachsspinnereien und Leinewebereien der Webeprozeß gefördert. Desgleichen berichtet Max Heiden in seinem Werke„ Die Textilkunst", daß die feinsten Brüsseler Spitzen des achtzehnten Jahrhunderts im Keller ge flöppelt wurden. Wie wenig beneidenswert die Lage des ägyptischen Webers war, bezeugt eine erhaltene Mahnung eines Vaters an seinen Sohn:„ Der Weber im Innern des Hauses ist viel unglücklicher daran als eine Frau. Seine Knie sind bis zur Höhe des Herzens herausgezogen; er genießt keine frische Luft. Versäumt er einen Tag, die ihm vorgeschriebene Menge Zeug zu machen, so bindet man ihn frumm, wie den Lotos der Sümpfe. Nur wenn er den Türhütern Brot gibt, gelingt es ihm, das Tageslicht zu sehen." Schon gegen die Wende des fünften Jahrtausends v. Chr. war die textile Fertigfeit der Ägypter hochentwickelt. Zu den Pflanzenfasern war im Verlauf der Züchtung des Schafes die Faser der Schafwolle gekommen. Stoffe aus Wolle und Leinen. wurden in großen Mengen gefertigt und auch ausgeführt zu fremden Völkern, in späteren Zeiten namentlich durch Vermittlung der Phönizier. Im Nildelta wurde das feinste Leinen angefertigt. Wolle lieferten die arabischen Nomaden, aus Jemen und Oman fam Baumwolle, womit hauptsächlich bedruckte Stoffe hergestellt wurden. Auch in der Farbkunst hatten es die Ägypter weit gebracht. Alte ägyptische Stoffe, vor allem Leinwand, find in den Pyramiden in großen Mengen gefunden worden. Die Mumien find in Leinwand eingewickelt, die von ausgezeichneter Heimat zurück, um hier die Werbearbeit für den Verband aufzus
Qualität und trotz des hohen Alters bis zu 6000 Jahren sehr gut erhalten ist. Jedes Museum fann davon überzeugen.
Bei den kleinasiatischen Völkern, bei den Griechen und Römern war Spinnen und Weben Sache der Frauen. Daneben wurden selbstverständlich Sklaven und Sklavinnen mit der Spindel und am Webstuhl beschäftigt. Homer läßt Hektor zu seiner Gattin sprechen:
,, Auf zum Gemach hingehend, besorge du deine Geschäfte, Spindel und Webstuhl, und gebeut den dienenden Weibern , Fleißig am Wert zu sein. Für den Krieg liegt den Männern die Sorge ob."
Wie in Deutschland in vielen Gegenden noch vor hundert Jahren die Mädchen in den Spinnstuben zusammentamen, so verbrachten nach Fischbach( Geschichte der Textilkunst) die Frauen, Töchter und Mägde ihre Abende spinnend bei den Griechen im Frauengemach, bei den Römern im Atrium. Der Rocken ward unter dem Arm gehalten, der Faden benezt und die zu Knäuel gesponnenen Fäden in Körben verwahrt. Die Arbeit des Spinnens und Webens war jedoch den in Knecht schaft gehaltenen Frauen der griechischen Stämme, welche die höchste fulturelle Entwicklung erreicht hatfen, durchaus nicht nur ein Mittel der Unterhaltung. Es war eine harte Pflicht der mit geschorenem Haupte dem Zeichen der Knechtschaft- einhergehenden Frau, im Hause des Mannes als erste Sklavin die Arbeit der Sklaven zu beaufsichtigen und zu fördern. Darum mag, wie das auch heute in Fabrifen manchmal geschieht, versucht worden sein, im Liede die Sorgen zu vergessen.
, Gern auch finget die Sklavin und dreht die emsige Spindel; Denn der muntere Gesang türzt und versüßet die Müh."
Griechen wie Römer bevorzugten für ihre Gewänder den Wollenstoff. Den reichen, schönen Faltenwurf, den er gibt, konnte ihnen kein anderer Stoff ersetzen. Das Untergewand der Griechen war von Leinen, der Mantel von Wolle. Die Römer verwandten bis zur Kaiserzeit für die gesamte Kleidung der Männer wie der Frauen die Wolle. Mit dem zunehmenden Reichtum und der Verfeinerung des äußeren Lebens spielten sowohl bei Griechen wie bei Römern auch die kostbareren Stoffe eine große Rolle. Ein gesuchter Luxusartikel der reichen Griechen und Römer war die aus China kommende Seide, die dort
In wenigen Tagen tritt der Fabrifarbeiterverband zu seiner zehnten Jahrestagung zusammen. Anläßlich dieses Jubiläums wollen wir ein wenig in die Vergangenheit zurückwandern und uns die Entwick lung dieser Organisation aus den ersten Anfängen zu ihrer jetzigen Größe furz vor Augen führen. Eine zwanzigjährige Agitationsund Kampfeszeit hat der Verband hinter sich. Im Jahre 1890 tagte in Braunschweig eine Konferenz der ungelernten Arbeiter, um über Mittel und Wege zu beraten, durch welche die Lebenslage dieser Arbeiterschichten zu heben, durch welche auch ihnen ein wenig Lebensfreude zu sichern sei. Das Ergebnis dieser Beratung war die Gründung des Verbandes der Fabrik- und Landarbeiter und-arbeiterinnen Deutschlands . Mit frischem Mut kehrten die Delegierten in ihre
nehmen. Langsam, ganz allmählich wuchs die Zahl der Mitglieder und der Zahlstellen, wie der Orte, in denen aus gesetzlichen oder sonstigen Gründen keine Zahlstellen ins Leben gerufen werden fonnten, wo aber Einzelmitglieder der Organisation beitraten. Es galt viel Unwissenheit und Hoffnungslosigkeit unter der ungelernten Arbeiterschaft zu bannen, besonders unter den schlecht behandelten und miserabel bezahlten Arbeiterinnen, die unter der schweren Bürde der elf- und zwölfstündigen Erwerbsfron und der notwendigen Hausarbeit fast zusammenbrachen. Was Wunder, daß in dem siechen und elenden Körper dieser Ausgebeuteten kein starker, freudiger Geist wohnte, daß die Hoffnung auf eine bessere Zukunft nur schwer in ihrem Herzen Wurzel fassen konnte. Und doch gelang es durch unermüdliche Agitationsarbeit, durch Versammlungen, durch anfeuernde Artikel im„ Proletarier" und durch Flugblätter aller Art die Gleichgültigkeit zu brechen. Allmählich faßten die ungelernten Arbeiter Vertrauen zu der Organisation. Zunächst hatte die Agi= tation bloß in den Reihen der Männer Erfolg. Nur ganz vereinzelt erkannten auch die Proletarierinnen die Notwendigkeit eines Bu sammenschlusses aller Arbeitsgenossen, nur langsam lernten sie einsehen, daß sie sich durch gemeinsames Vorgehen höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen ertrozen müßten. Bei den Frauen galt es noch viel mehr Unwissenheit und Hoffnungslosigkeit und an= erzogene Vorurteile zu überwinden als bei den Männern. Ihrer Eigenart und ihrer Sonderstellung mußte Rechnung getragen werden. Man war der Ansicht, daß dies am besten durch eine besondere Organisation geschehe. Als von Braunschweig aus der Ruf an die gefamte ungelernte Arbeiterschaft erging, sich zu organisieren, suchte man in Wandsbeck die Frauen zu einem Verband der Fabrik- und Handarbeiterinnen zusammenzuschließen. Die Unterzeichnete wurde die Vorsitzende dieses Verbandes. Unter der tätigen Mithilfe etlicher Genossen und besonders der Genossinnen Blomm und Rönfeld gewann er bald an Ausdehnung und wurden im Laufe seines zweijährigen Bestehens in acht Orten 957 Frauen und Mädchen als Mitglieder gewonnen, für die damalige Zeit ein ganz hervorragender Erfolg. Diese Organisation war nicht als Kampforganisation zur Verbesserung der Lohn- und Arbeitsbedingungen gedacht, sondern diente dem Zweck, die Frauen und Mädchen zusammenzufassen und sie über die Ziele der modernen Arbeiterbewegung aufzuklären. Der Monatsbeitrag betrug 20 Pf. Außer Versammlungen sah das Statut fleine Unterstützung in Notfällen und eine Kranzspende beim Tode. Handarbeitsunterricht für die Kinder der Mitglieder vor, ferner eine
Nach dem Halberstädter Gewerkschaftskongreß( 1892), der betanntlich schon die Gründung von Industrieverbänden erörterte, erfolgte die Auflösung des Arbeiterinnenverbandes und die Verschmelzung mit dem Verband der Fabrik- und Landarbeiter. Diesen