Nr. 24

F851342

20. Jahrgang

Die Gleichheit

Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen

Mit den Beilagen: Für unsere Mütter und Hausfrauen und Für unsere Kinder

Die Gleichheit erscheint alle vierzehn Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Post viertelfährlich ohne Bestellgeld 55 Pfennig; unter Kreuzband 85 Pfennig. Jahres- Abonnement 2,60 Mart.

Inhaltsverzeichnis.

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Stuttgart 29. August 1910

Tie internationalen Tagungen zu Kopenhagen . Die ökonomische Lage der russischen Arbeiterinnen. Von Alexandra Kollontay. Die Arbeiterin in der Gewerkschaftsstatistik für 1907 und 1908. II. Von R. S.- Der Kampf auf den deutschen Seeschiffswerften. Von g. b. Vom Spinnen und Weben in alter Zeit. IV. Von H. Jäckel. Fort mit den Gesinde­ordnungen! Von M. Kt. Aus der Bewegung: Anträge deutscher Genossinnen zur Frage des Frauen­wahlrechts an die Internationale Sozialistische Frauenkonferenz zu Kopen­ hagen . Delegierte zur Zweiten Internationalen Frauenkonferenz in Kopenhagen . Zehnter bayerischer Parteitag. Jahresbericht der Kinderschutzkommission in Ottensen . Politische Rundschau. Von H. B. -Gewerkschaftliche Rundschau.- Aus der Textilarbeiterbewegung. Von H. J. Genossenschaftliche Rundschau. Von H. F.

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Notizenteil: Frauenarbeit auf dem Gebiet der Industrie, des Handels- und Verkehrswesens. Fürsorge für Mutter und Kind.

recht.

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Sozialistische Frauenbewegung im Ausland.

Frauenstimm­

Die internationalen Tagungen zu Kopenhagen .

Seit Marrens geniale Erkenntnis von der notwendigen Internationalität des proletarischen Klassenkampfes begonnen hat, zur bewußten Tat der Massen zu werden, ist es das drei­zehntemal, daß das kämpfende Weltproletariat seine Vertreter zu einer gemeinsamen Tagung entsendet. Nach Kopenhagen , in ein Land, das zwar für die kapitalistische Entwicklung keine bahnbrechende Rolle gespielt hat, das aber nichtsdestoweniger bereits in solchem Umfang in die moderne Weltwirtschaft ein gegliedert ist, daß auch inmitten seiner alten kleinbäuerlich­Kleinbürgerlichen Idylle der Abgrund der Klassengegensäße sich aufgetan hat. Als lebendiger Protest des Menschentums, das er verschlingt, ist eine blühende sozialistische Arbeiterbewe gung entstanden. Mehr als einmal haben sich die festgefügten dänischen Gewerkschaften mit den organisierten Unternehmern ihres Landes messen müssen, nicht bloß um dem kapitalistischen Raubbau am Menschen Halt zu gebieten, sondern um ihre eigene Existenz gegen die Zerschmetterungsgelüfte der Herren zu verteidigen. Die Sozialdemokratie hat im politischen Blach felde unermüdlich den Kampf gegen den Militarismus, für Ar­beiterschutz, Volfsbildung und eine konsequente Demokratie ge­führt, die weder vor der Armut noch vor dem Geschlecht ab dankt. Mit der unermüdlichen Gegenwartsarbeit hat sie den ausdauernden Kampf für das sozialdemokratische Endziel zu verbinden gewußt und mit jedem Jahre neue Kämpfer dafür um ihre Fahne geschart. So ist es ein wackeres und ange­sehenes Bataillon, das das dänische Proletariat zur Inter nationale ſtellt.

Die Spanne Zeit, die seit den letzten internationalen Be­ratungen verstrichen ist, scheint äußerlich unbewegt, eine Periode der Stagnation, und ist doch inhaltsreich genug. Sie charakteri siert sich vor allem durch soziale Erscheinungen, welche die un­aufhaltsam fortschreitende Zersetzung der kapitalistischen Ord­nung fünden. Die drei letzten Jahre standen zum größten Teil im Zeichen einer schweren Krise, die das Wirtschaftsleben aller

Zuschriften an die Redaktion der Gleichhett find zu richten an Frau Klara Zetkin ( 3undel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bei Stuttgart . Die Expedition befindet sich in Stuttgart , Furtbach- Straße 12.

Kulturländer mit mehr oder minder starker Wucht erschüttert hat. Sie steigerte und vermehrte die Leiden, welche des Prole­tariats Erbteil auch sonst schon sind, und der Schrei von Mil­lionen Arbeitsloser, Brot- und Heimheischender lenkte zusammen mit den Flüchen zertretener kleiner und mittlerer wirtschaftlich selbständiger Existenzen, zusammen mit der Vernichtung riesiger Werte und der Stillsetzung menschlicher und fachlicher Pro­duktivkräfte die Aufmerksamkeit auf die Gegensätze, die auf dem Grunde der heutigen Wirtschaftsordnung liegen und ihren geschichtlichen Ausdruck in dem Gegensatz zwischen Arbeiter­Klasse und Kapitalistenklasse finden. Der Wahnsinn, aber auch die Unhaltbarkeit der herrschenden Gesellschaftszustände sprang förmlich in die Augen. Jedoch die Krise konnte nicht durch die kapitalistische Welt schreiten, ohne die dieser inne wohnende Tendenz zur Zuspigung der Klassengegensätze zu ver­stärken und zu beschleunigen. Eine Verschärfung der Klassen­fämpfe mußte daher in ihrem Gefolge einhergehen. Zu großen, langwierigen Gewerkschaftskämpfen in England, den Vereinigten Staaten und anderen Ländern noch hat sich der gewaltige vor­jährige Klassenkampf des schwedischen Proletariats gesellt und der Bauarbeiterkampf in Deutschland , um nur diese zwei zu nennen.

Auf politischem Gebiet zeitigte diese Situation in allen. großen fapitalistischen Ländern den Verfall des Liberalismus und die wachsende Unfruchtbarkeit des bürgerlichen Parlamen­tarismus. In England kapituliert der Liberalismus immer mehr vor Imperialismus und Oberhaus und bringt keine groß­zügige Sozialpolitik zustande. Siehe den Bankrott der Arbeits­losenversicherung. Niederknüttelung der Arbeiter mit allen Mitteln einer brutalen Polizei, einer fäuflichen Verwaltung und Justiz ist in den Vereinigten Staaten Trumpf. Die klein­bürgerliche Demokratie, welche die französische Republik regiert, ist trotz der Unterstützung durch den sozialistischen Ministeria­lismus" nicht einmal fähig, eine notwendige Wahlrechtsreform durchzuführen, Arbeiterschutz und Arbeiterversicherung aner­kennenswert zu fördern. Sie taumelt von den Skandalen der großen Spizbuben, die man laufen läßt, zu der Niedertracht von Arbeitermezeleien. Wir brauchen nicht erst von Preußen­Deutschland zu reden, wo der Liberalismus in dem größten Bundesstaat das Dreiklassenwahlrecht nur reformieren" will, wenn er dafür ein Pluralwahlrecht und andere politische Stär­fungen des Besitzes eintauscht und ebenso fürstenfromm als dividendenbegeistert für Militarismus, Marinismus und Kolo­nialpolitik schwärmt: Bon Preußen- Deutschland, wo der Parla­mentarismus demütig wie ein geprügelter Hund vor dem per­sönlichen Regiment fuscht und seine Mühlen leer klappern läßt, wenn die Gesetzgebung die kapitalistische Ausbeutungswut zügeln, die Wunden lindern sollte, die diese den Werktätigen schlägt!

Wir verhehlen es nicht: angesichts der Situation, die in allen großen Kulturländern das Proletariat vor immer ernstere, verwickeltere Probleme stellt, wachsende Anforderungen an seine Einsicht und seinen Willen zur Tat erhebt, hätten wir eine andere Tagesordnung des heurigen Internationalen Kongresses erwartet. Uns bedünkt, das Gebot der Stunde wäre für das klassenbewußte Proletariat aller Länder gewesen, seine Waffen