392 Die Gleichheit Nr. 25 Welchen Eindruck macht der körperliche Zustand des Kindes? Name, Wohnung und Beruf der Eltern? Wenn möglich: Wochenverdienst des Manne?? eventuell der Frau? Gesamtzahl der nicht selbständigen Kinder? Bezieht die Familie sonstige Unterstützung? Wenn ja: Welcherart ist dieselbe(Alimente, Armenunlerstützung usw.)? Name des Arbeitgebers? Wohnung? Gewerbe? Konnte die Beschäftigung des Kindes beseitigt werden? Welche Stellung nehmen die Eltern dazu ein? Wann wurde mit den Eltern Rücksprache genommen? am.. 19.. Allgemeines. Der Fragebogen ist zweifellos sehr detailliert. Bei der Be« urteilung der Fälle kommt es aber nicht nur darauf an, Namen und Adresse des Kindes, seine Beschäftigungsart, die Zeit in welcher es beschäftigt wird, sowie Namen, Gewerbe und Wohnung desjenigen zu wissen, der das Kind beschäftigt. Die begleitenden Umstände ermöglichen uns erst eine objektive Beurteilung und lassen uns die Ursache erkennen. Tie Beantwortung der Fragen nach dem Wochenverdienst des ManneS, respektive der Frau, der Ge« samtzahl der nicht selbständigen Kinder usw. läfjt sofort er­kennen, ob das Kind durch Not oder durch Eigennutz der Eltern in die Arbeitsfron gezwängt wird. Wer könnte es über sich ge- Winnen, der Behörde Anzeige wegen der Beschäftigung eines Kindes zu erstatten, wenn, wie dies schon vorgekommen ist, der Wochen- verdienst des Mannes 25 Mark beträgt, womit eine Familie von zehn Kindern bei den hohen Preisen für die unumgänglichen Lebens- bedürfnisse ernährt werden soll? Da spricht das rein menschliche Smpfinden ein gewichtiges Wort mit. Ferner sind die Fragen über die Schulverhältnisse von ganz wesentlicher Bedeutung. Die Schule soll ja bei der Durch- führung des Kinderschutzes mitwirken; leider geschieht es nicht überall mit dem nötigen Nachdruck. Nach ß 20 Absatz 1 kann auf Antrag oder nach Anhörung der Schillaufsichtsbehörde die zuständige Polizeibehörde die an sich zulässige Beschäftigung für einzelne Kinder einschränken oder untersagen, sowie erteilte Ar- beitskarten zurückziehen oder die Erteilung neuer Arbeitskarten verweigern, wenn bei der Beschäftigung erhebliche Mißstände zu- tage getreten sind. Macht ferner der körperliche Zustand eines Kindes einen schlechten Eindruck, sieht es bleich, müde und ab- (gespannt aus, wird es jedoch nicht in unzulässiger Weise beschäftigt, o läßt sich durch die Mitwirkung der Lehrer vielleicht erreichen, daß das Kind zum Landaufenthalt geschickt wird. Bei Anzeigen wegen Übertretung der Schutzbestimmungen ist die Angabe darüber, welche Schule das Kind besucht, von großem Wert für die be- hördliche Untersuchung. In Gegenwart des Lehrers wird daS Kind in der Regel dem Beamten eher die Wahrheit sagen, als zu Hause bei den Ellern , die es aus Unverstand oder Habsucht zur Arbeit schicken, ohne an die Folgen zu denken. Selbstredend werden nicht immer alle Fragen beantwortet, wo «S aber möglich ist, sollte»S geschehen. Die Hamburger Kom- misstonsmitglieder haben in der kurzen Zeit von sieben Monaten wertvolles Material zusammengetragen, das jedenfalls bei einer neuen Regelung des Kinderschutzes nicht unbedeutende Dienste leisten wird. Die Aufgaben der Kommission können und dürfen sich nicht innerhalb de? formalen gesetzlichen RahmenS erschöpfen. ES muß allcS darangesetzt werden, unsere Programmforderungen zu ver- wirklichen und ein generelle? Verbot jeglicher erwerbstätigen Arbeit von Kindern unter 14 Jahren herbeizuführen. Dazu ist beweiskräftiges Material notwendig, zu dessen Beschaffung die Kinderkommissionen beitragen müssen. Nach den bereits wiedergegebenen Leitsätzen haben die Kom- missionsmitglieder die Pflicht, durch Rücksprache mit den Eltern oder den Arbeitgebern möglichst auf gütlichem Weg» eine Be­seitigung der unzulässigen Beschäftigung eines Kindes herbeizu- führen. Leider ist das in der Praxis nicht so leicht auszu- führen. Die Genossen und Genossinnen werden oft sehr gröblich behandelt. Wer es nicht mitmacht, hält es kaum für möglich, daß in Arbeiterkreisen noch ein so großes Maß von Unaufgeklärtheit über die schädlichen Folgen, die moralischen und sittlichen Gefahren der crwerbsinäßigen Kinderarbeit vorhanden ist. Wenn eine güt- liche Regelung durch die in den Bezirken tätigen Genossen und Genossinnen nicht zu erreichen ist, so ist der Fall in den periodisch stattfindenden Distriltszusammenkünften zu prüfen. Diese Zusammen- künfte beruft der Distriktssührer«in, dem alle Vorkommnisse mit- zuteilen sind, mögen sie bereits geregelt sein oder nicht; in dessen Hände laufen mithin die ganzen Fäden zusammen. Bei diesen Gelegenheiten sollen die Erfahrungen in bezug auf den Kinder- schütz ausgetauscht und namentlich die gesetzlichen Bestimmungen besprochen werden, damit Aufklärung geschaffen wird. Die Distriktssührer senden dann die Fragebogen an den Vor- sitzenden der Zentralkommission mit etwaigen sonstigen Unterlagen ein. Tie Zentrale hat alle? Material zu sammeln und aufzube- wahren. Die Zentralkommission hat die einzelnen Fälle nochmals sorgfältig zu prüfen und dann endgültig Beschluß darüber zu fassen. Behördlich» Anzeigen dürfen nur von der Zentrale eingereicht werden. Die Vertrauenspersonen haben aber daS Recht, die Hilfe der Polizeiorgan« zur Feststellung der Personalien eines Kindes in Anspruch zu nehmen, oder den Beamten zur Fest- stellung aufzufordern, wenn«in beschäftigtes Kind die Angaben verweigert. Es stellte sich jedoch bald herauS, daß ein« dreizehn- beziehungs- weise vierzehnköpfige Körperschaft in diesem Falle ein viel zu schwer- fälliger Mechanismus ist. Die endgültige Entscheidung schließt zu- gleich eine schwere Verantwortung in sich. So untersteht zum Beispiel ein Kind, falls einem Antrag auf Fürsorgeerziehung stattgegeben wurde, bis zu seinem achtzehnten, unter Umständen sogar bis zum einundzwanzigsten Lebensjahr der behördlichen Aufsicht, ist also bi? dahin kein freier Mensch. Man kann des- halb nur nach reiflicher Prüfung aller Einzelheiten, die auf dem Fragebogen angegeben sind, eine Entscheidung treffe». Hinzu kommt, daß die dazu Berufenen in kürzeren Zwischenräumen rasch zusammenkommen müssen, damit dringliche und wichtige Sachen nicht etwa gar der dreimonatigen Verjährungsfrist ver- fallen. Alle Umstände drängten zu einem möglichst einfachen Ver- fahren. Es wurde deshalb aus der Zentralkommission heraus ein Ausschuß von drei Personen gebildet, dem die Prüfung und Entscheidung über die eingegangenen Fälle zusteht und der auch über die Erstattung von behördlichen Anzeigen beschließt. Auf diese Weise wird vermieden, daß den Behörden unnötige Be- schwerden zugehen. Bei den 52 Anzeigen, die die hiesige Kom- Mission bislang erstaltete, hat die Behörde nur in zwei Fällen ge- antwortet, daß die Untersuchung nicht zur Bestätigung der An- gaben geführt habe. Mit der Ausführung dieser Beschlüffe ist der Vorsitzende der Kommission betraut. Es kann ruhig gesagt werden, daß kein Fragebogen weggelegt wird, der nicht auf das sorgfältigste geprüft ist. Der Beschluß wird unter Beifügung des Datums am Kopfe der rechten Seite des Fragebogen? kurz vermerkt. Der Ausschuß erstattet der Zentralkommission über die erfolgten Anzeigen einzeln, über die anderen Sachen summarisch Bericht. Nach Bedürfnis finden Sitzungen mit den Distriktsführern und den Leitern derjenigen Gewerkschaften, in deren Bernsen Kinderarbeit vorkommt, statt, wobei Bericht über den Stand des Kinderschutzes erstattet, die gemachten Erfahrungen erörtert und über die weiter» Vervollkommnung deS Schutzes Beschluß gefaßt wird. Das Zusammenwirken von Partei- und Gewerkschafts- Vertretern hat sich sehr gut bewährt. Di« Distriktssührer erstatten wieder ihren Mitgliedern Bericht; durch dieses einfache Verfahren werden dies« nicht bloß unter- richtet, es wird auch die gegenseitige Verbindung aufrecht erhallen. O H « Die straffe Disziplin der organisierten Arbeiter an der Wasser- kante, ihre zäh« Entschloffenheit bürgten für die Durchführung der gestellten Ausgabe. Und es wurden auch Erfolge erzielt, die zu weiterem Wirken anfeuern. Namentlich in den Zeitungsvertrieb konnte hin:ingeleuchtet und darin geradezu skandalös» Zustände aufgedeckt werden. Eine Frau verdiente mit ihren zwei Kindern 17 Pf. in V« Stunden. Monatslöhn« von 2 bis 4 Mk. waren keine Seltenheiten. Und für einen solchen Hungerlohn laufen die Kinder treppauf, teppab, kommen erhitzt auf die Straße und holen sich bei dem raschen Temperaturwechsel in Hamburg Erkältungskrank- heiten. Während für daS Austragen unseres Parteiorgan?, des Hamburger Echo", 7 Pf. pro Exemplar wöchentlich bezahlt wird, bezahlen bürgerliche Verlage& bis 8 Pf. pro Monat. BeimEcho'vertrieb ist die Kinderarbeit grundsätzlich verboten und jede Übertretung hat Verwarnung oder die Entlassung zur Folge. Der Vertrieb der bürgerlichen Blätter erfolgt vorzugsweise durch die Ausbeutung der Kinder, der wehrlosen Opfer der heutigen Gesellschaft. Ein bürgerlicher Verlag, in dessen Blatt die Bekämpfung der Sozialdemokratt« sehr lebhaft und nicht immer mit reinlichen Mitteln betrieben wird, besaß sogar die Naivität, der Zentralkommission auf erfolgt« Mitteilung über die Verwendung von Kindern unter 12 Jahren zu anworteN: die Kinder liefen nur zum Zeitvertreib mit. Um dt» Einhaltung der gesetzlichen Be- sttmmungen kümmetten sich die mit der Aufsicht betrauten Polizei- organ« fast gar nicht. Ferner werden Kinder im Eilbotendienst, in Drogerien, Zigarrenhandlungen, Ehemischen Waschanstalten, Schlächtereien usw. als Ausläufer beschäftigt. In einer Seifen- Pulverfabrik ist»in schulpflichttges Kind angetroffen worden. In