Nr. 26

20. Jahrgang

Die Gleichheit

Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen

Mit den Beilagen: Für unsere Mütter und Hausfrauen und Für unsere Kinder

Die Gleichbett erscheint alle vierzehn Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, burch die Poft vierteljährlich obne Bestellgeld 55 Pfennig; unter Kreuzband 85 Pfennig.

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Jabres- Abonnement 2,60 Mart.

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Inhaltsverzeichnis.

Stuttgart

26. September 1910

Ein Rückblid. Die ökonomische Lage der russischen Arbeiterinnen. III. Von Alexandra Kollontay. Ein Wort zur Gestaltung unserer Diskussions abende. Von Marie Wackwitz . Bur Lage der Krantenpflegerinnen. Bon M. Kt.

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Vom

Unsere Frauen in den Jugendbildungskommissionen. Bon L. Radlof. Das eheliche Erbrecht. Von Ernst Oberholzer. Bericht der Berliner Kinderschutzkommission. Von H. Barenthin. Kampf auf den deutschen Seeschiffswerften. Von gb. Aus dem Jahres­bericht der Gewerbeinspektion für Koburg- Gotha.

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Aus der Bewegung: Von der Agitation. Von den Organisationen. Von der proletarischen Frauenbewegung im achten und zehnten schleswig­holsteinischen Reichstagswahlkreis.- Gründung einer Frauenfektion in Beiertheim. Jahresbericht über die proletarische Frauenbewegung in Nürnberg . Frauenorganisation in Baden. Politische Rundschau. Bon H. B.- Gewerkschaftliche Rundschau. Kampf der Bleistiftarbeiter in Nürnberg . Von gb. Genossenschaftliche Rundschau. Von H. F. Frauenbildung. Ver Notizenteil: Fürsorge für Mutter und Kind. schiedenes.

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Ein Rückblick.

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Die letzte Nummer der Gleichheit" mußte abgeschlossen werden, ehe der Rongreß zu Kopenhagen sein Wert vollendet hatte. Wenn unser Rückblick darauf auch reichlich spät hinter den Würdigungen der Tagespresse nachhinkt, so scheint es uns schon aus dem Grunde nicht überflüssig, weil viele unserer Lese rinnen leider nicht eingehend genug die Tagespresse verfolgen. Betrachtet man den Kongreß in dem wundervollen Lichte der Eröffnungs- und Schlußsizung, läßt man den Blick auf der gewaltigen Zusammenfassung der kämpfenden Arbeiterklasse aller Staaten, Erdteile, Nationen, Rassen ruhen, die von der einen Erkenntnis durchdrungen zu der einen großen geschicht lichen Tat ausholt: so ist der Eindruck ein erhebender, ein überwältigender. Was kann die bürgerliche Welt mit den Zer flüftungen und Abgründen ihrer Klassengegensätze, die je länger je mehr alle großen, einigenden Ideologien verschlingen, um nur die eine reale Einheit des brutalen Willens zur Ausbeutung und Beherrschung der emporsteigenden Massen übrig zu lassen, was kann sie der brüderlichen Geschlossenheit der sozialistischen Internationale des Proletariats an die Seite stellen? Was dem Gehalt dieses Bundes, dessen Ziel ist, die Menschheit aus dem Reiche der Notwendigkeit in das Reich der Freiheit zu führen und zur bewußten Herrin ihres Geschicks zu machen, und der daher je länger je mehr zum wichtigsten Träger aller Kulturideale wird. Das hat der Kopenhagener Kongreß gleich­fam in einem farbenprächtigen Freskogemälde gezeigt. Die demonstrative, agitatorische Seite einer internationalen Tagung des Proletariats ist in Kopenhagen voll und schön zum Aus druck gekommen. Allen, denen das ausbeutende Kapital das Mark aus den Knochen, Lebenskraft und Lebensfreudigkeit aus Herz und Hirn saugt, und die sich zu klein und zu schwach zum Widerstand dünfen, tönte es vom Kongreß entgegen: Sehet dieses Ziel, sehet diese Macht das Werk der Kleinen, die ihre Zahl groß, der Schwachen, die ihr Wille start macht! Vertraut und hofft!

Zuschriften an die Redaktion der Gleichbett find zu richten an Frau Klara Zetkin ( 3undel). Wilhelmsböbe, Poft Degerloch bei Stuttgart . Die Expedition befindet sich in Stuttgart , Furtbach- Straße 12.

Jedoch nicht zur Hoffnung allein ruft die sozialistische Inter­nationale die Enterbten, sie verpflichtet sie auch zu Arbeit, zu Rampf. Der Kopenhagener Kongreß hatte daher Aufgaben zu lösen, die für Arbeit und Kampf des Proletariats aller Länder in nächster Zukunft wegweisend, anregend sein sollen. Wie sieht es mit seinem Werke im nüchternen Lichte dieser Tatsache aus? Unseres Erachtens kann es wohl bestehen, unbeschadet der Kritik, die sich bei der Würdigung seiner Leistungen auf­drängt.

Der Kongreß hat vor allem in zwei wichtigen praktischen Fragen wertvolle Arbeit vollbracht. Er hat die Bedeutung ge prüft, welche der Genossenschaftsbewegung für die Arbeiterklasse zukommt, und hat vom Boden dieser Bedeutung aus die Be ziehungen erörtert, die zwischen den Genossenschaften und den Organisationen des kämpfenden Proletariats bestehen können und bestehen sollen. Und wenn er als Ergebnis dieser seiner Untersuchung die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Ge­nossenschaften gegenüber den proletarischen Kampfesorganisa tionen betonte, so hob er nicht minder eindringlich die Ver­pflichtung der zielflaren Proletarier und Proletarierinnen hervor, die Genossenschaften tatkräftig zu fördern und durch ihre per­sönliche Betätigung als ein wertvolles Hilfsmittel dem Auf­stieg der Klasse in steigendem Maße nußbar zu machen, wie dies in Deutschland in vorbildlicher Weise die Hamburger Pro­duktion tut. Wir bedauern, daß die Resolution zu der Frage einige Säße enthält, die unseres Dafürhaltens deren scharfer, grundsätzlicher Wertung nicht ganz gerecht werden. Bei aller Sympathie für die Genossenschaften und der Schäßung ihrer Bedeutung vermögen wir sie nicht als Mittel zur Sozialisierung und Demokratisierung der Gesellschaft anzusprechen. Jedoch an­gesichts der sehr konkreten Gestalt, in der die Genossenschafts. bewegung vor das Proletariat tritt, fürchten wir nicht, daß diese Säße verwirrend wirken, und daß die mangelhafte theo­retische Formel dem guten praktischen Kern der Resolution Eintrag zu tun vermag.

Mit Befriedigung begrüßen wir auch die Entscheidung, durch welche die Internationale die außerordentlich bedauerlichen Ver suche unzweideutig und mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen hat, die Gewerkschaftsbewegung Österreichs national zu zer splittern. Es ist eine der stärksten, revolutionären Seiten der Gewerkschaftsbewegung, daß sie im Rampfe gegen das aus­beutende Kapital die ausgebeuteten Massen ohne Unterschied des Bekenntnisses, der Nationalität und Raffe zusammenschweißt und als geeinte Macht ihrem Todfeind entgegenstellt. Diese ihre Wesenseigentümlichkeit die sich aus dem Charakter der tapitalistischen Produktion selbst ergibt- darf aber zweimal nicht in einem Staatengebilde wie Österreich angetastet werden, wo die Nationalitätenfrage dem politischen Klassenkampf des Proletariats ganz außergewöhnliche Schwierigkeiten schafft. Hier hat gerade die Gewerkschaftsbewegung die bedeutsame Aufgabe, unter den Massen selbst wichtige, unentbehrliche Vorarbeit für die überwindung solcher Schwierigkeiten zu leisten und auch badurch ihre innerliche Einheit mit der Partei zu erweisen. Das tschechische Element ist andererseits dank historisch gegebener Be­