Nr. 26
Die Gleichheit
erhielt 20 Mt. Strafe, ein verständnisinniges Urteil. Der Bericht verzeichnet einige Fälle, in denen eine Verbesserung der Arbeitszeit eingetreten ist. In der geographischen Anstalt von Perthes wurde die 50 stündige Arbeitszeit eingeführt und der Arbeitsschluß am Sonnabend auf 1 Uhr festgesetzt. Während des Sommerhalb jahres ist in zwei anderen Betrieben Sonnabends um 4 Uhr Feiers abend. Der Bericht befürwortet die Freitagslohnzahlung. Es heißt dazu:„ Am Sonnabend drängt sich die Einkaufsmöglichkeit auf eine turze Zeit zusammen, und mancher tommt überhaupt nicht mehr dazu, da er seinen Lohn erst nach Geschäftsschluß erhält. Die Möglichkeit, die billigeren Preise des am Sonnabend abgehaltenen Marktes für die Wirtschaft nußbar zu machen, geht den Frauen der Arbeiter überhaupt verloren. Eine Verlegung des Lohntags auf den Freitag würde in vielen Fällen durch eine Anregung von seiten der Arbeiterschaft zu erreichen sein." Unseres Erachtens müßte es auch die Gewerbeinspektion nirgends an Anregungen zu dieser Verbesserung fehlen laffen. Über mangelnde hygienische Einrichtungen wurde in Steinbrüchen und Steinhauereien geklagt, fo= wie auch in Bigarrenfabriken. Der Gesundheitszustand der Arbeiter ist besonders schlecht in den Betrieben, die Bleiweiß verarbeiten. Die Krankheitstage infolge Bleivergiftung betrugen 156 gegen 65 im Vorjahr. Bei insgesamt 83 Beschäftigten wurden außer den verzeichneten Krankheitstagen noch 734 Unterstüßungs. tage gezählt. Unfälle tamen in diesem Jahre nicht weniger als 820 zur Anzeige, davon hatten vier einen tödlichen Ausgang. Von biesen Unfällen ereigneten sich 184 im Baugewerbe, 99 an Mas schinen. 717 Fälle betrafen erwachsene Arbeiter, 39 erwachsene, 7 jugendliche Arbeiterinnen. Häufiger als früher haben die Ar beiter selbst auf das Fehlen von Schußvorrichtungen aufmerksam gemacht, ein Beweis dafür, daß die Lohnarbeitenden selbst zu der Gewerbeinspektion herangezogen werden müßten und eine sachkundige Aufsicht ausüben würden. Freilich sagt die verzeichnete Tatsache noch etwas anderes, daß die Gewerbeinspektion nicht überall eingegriffen hat, wo es nötig gewesen wäre. Es ist bekannt, daß die Arbeiter für gewöhnlich davor zurückschreden, auf Mängel im Betrieb zu weisen. Hat man doch gegen solche Auffässige Mittel genug zur Hand. Die von den Gewerkschaftsvertretern vorgebrachten Beschwerden erwiesen sich zunmeist als be gründet". Auch diese Mitteilung bestätigt die oben hervorgehobene Forderung, daß Arbeiter und Arbeiterinnen bei der Gewerbeaufficht verwendet werden. Auch sonst hinterläßt der Bericht durch bas, was er fagt, und das, was er nicht enthält, den Eindruck, wie berechtigt all die Reformen sind, welche die Sozialdemokratie auf dem Gebiet des gefeßlichen Arbeiterschutzes und der Gewerbeaufsicht heischt.
Aus der Bewegung.
Von der Agitation. Im zwanzigsten fächsischen WahlPreis Zschopan- Marienberg hielt die Unterzeichnete einige Wahlversammlungen ab, die durchweg außerordentlich gut besucht waren. Auch die Frauen hatten sich wie in fast allen Wahlversammlungen fehr zahlreich eingefunden. Der große Erfolg, den die Sozialdemotratie in dem Kreise errungen hat, ist mit der Einsicht und Bes geisterung zu danken, welche die aufgeklärten Proletarierinnen im Wahlkampf betätigt haben. Zu den Versammlungen in Hohn dorf und Niederneuschönberg hatten sich einige Gegner, meist antisemitischer Richtung, eingestellt, die sich jedoch vor Bes ginn der Debatten heldenhaft drückten. Die Abendversammlung in 8schopau, in der das Wahlresultat verkündet wurde, gestaltete fich zu einer großartigen Rundgebung. Hunderte von Besuchern fanden keinen Einlaß in den geräumigen Saal und warteten in freudiger Erregung im Garten und auf der Straße auf die Be tanntgabe des Resultats. Als der Sieg des Genossen Göhre mit einer Mehrheit von 5500 Stimmen über beide Gegner zusammen verkündet wurde, brach lauter Jubel los. Der Rede des Genossen Göhre folgten Ansprachen der Genossen Heilmann- Chemnitz, Nietschold 3ichopau und der Unterzeichneten.
In Ronneburg und Fraureuth sprach die Unterzeichnete in einer Versammlung der Textilarbeiter und arbeiterinnen. In Ronneburg ließ der Besuch der Versammlung im Vergleich mit den früheren Veranstaltungen zu wünschen übrig, dagegen wies die in Fraureuth eine sehr zahlreiche Zuhörerschaft auf. Der anwesende Beamte zeigte sich als trefflichen Kenner der Vereinsgesetze durch feine wiederholte Frage, ob die Versammlung eine Gewerks schaftsversammlung! auch angemeldet sei. Zu der Versamm lung hatte sich unter anderen Gegnern auch ein Spitzel der Fabrifanten eingefunden, der die Namen der ihm bekannten Anwesenden
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zu notieren und den Herren zu hinterbringen pflegt. Als er nach dem Referat aufgefordert wurde, das Wort zu ergreifen, verschwand er. Die Versammlung hat für den Verband einen guten Erfolg gezeitigt. Sehr gut besucht war auch eine Versammlung, welche der Fabritarbeiterverband, Zahlstelle Dresden , für die Arbeiter und Arbeiterinnen der chemischen Fabrik von Gehr& Goz einberufen hatte, und zwei andere in Radebeul . In Löbtau fand eine sehr gut besuchte Versammlung des Metallarbeiterverbandes statt. In allen diesen Bersammlungen die alten Klagen: schlechte Löhne, schlechtes Affordsystem, unzulängliche Ventilation, schlechte Behandlung der Arbeiterinnen und dergleichen mehr. Der Erfolg der Agitation für die Verbände blieb nicht aus. In Jena veranstaltete die Organisation der Haus angestellten ein wohlgelungenes Fest, an dem 500 Bersonen teilnahmen, darunter viele junge Mädchen. Die Festrede wurde von der Unterzeichneten gehalten. Bei jeder Gelegenheit zeigte sich, wie start jetzt im Proletariat die Gemüter erregt sind, wie dringend die erwachten Geister nach Aufklärung verlangen. Eine prächtige Zeit für die sozialistische Ideenaussaat, die bald in die Halme schießen wird. Marie Wackwitz .
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Von den Organisationen. In Zwickan und Crimmitschau wurden von seiten der Parteiorganisationen FrauenversammIungen einberufen, in denen die Unterzeichnete über die„ Tätig keit der Frauen in den Parteiorganisationen" sprach. Die Frauen batten fich zahlreich zu den Versammlungen eingefunden, deren Zweck war, die Genossinnen über ihre Rechte und Pflichten als Mitglieder der sozialdemokratischen Partei aufzuklären. In der Versammlung in Zwickau wurde Genoffin Müller zur Vertreterin der Genossinnen im Kreisvorstand gewählt. In der Grimmitschauer Versammlung wurde eine solche Wahl ebenfalls angeregt, doch soll sie erst in der nächsten Versammlung erfolgen. In der Kreisvers sammlung der Genofsinnen des sechsten Wahlkreises Dresdens Land stand der Jahresbericht der Vertreterinren der Genossinnen im Vorstand auf der Tagesordnung. Wir haben diesen Bericht schon veröffentlicht. Die Vertretung der Genossinnen wurde wieder einstimmig der Genossin Wadwig und der Genossin David als Stellvertreterin übertragen. In einem Schlußwort hob die Unterzeichnete hervor, daß wir niemals erlahmen dürfen in unserer Werbearbeit für die proletarische Frauenbewegung, jede einzelne muß in den Dienst der Sache treten und auf irgend eine Art zur Agitatorin werden. Schon rüsten sich unsere Gegner zum Kampfe, die Reichstagswahlen rücken immer näher, da gilt es, die Kräfte zu stählen und zu sammeln. Marie Wadwig.
Von der proletarischen Frauenbewegung im achten und zehnten schleswig- Holsteinfchen Reichstagswahlkreis. Zwei Jahre sind es nun, daß die Frauen in Preußen das politische Vereinsrecht befizen. Die Genossinnen haben allerdings die geringen Freiheiten des alten preußischen Vereinsgesetzes auch schon vorher auszunuzen verstanden. So nur war es möglich, daß vor zwei Jahren 1526 Genoffinnen in den sozialdemokratischen Verein für den achten und zehnten schleswig- Holsteinschen Reichstagswahlfreis( Altona- Stormarn und Lauenburg ) eintraten. In Altona und Wandsbed erfolgte der Eintritt der Genoffinnen geschlossen durch die aus Anlaß der Wahlen zum preußischen Abgeordnetenhaus gegründeten Frauenwahlvereine. In sechs anderen Orten hatten wir Genoffinnen, die regelmäßig freiwillige Beiträge zahlten. Sie wurden ebenfalls Mitglieder. Im ersten Jahre stieg die Mitgliederzahl um 347, im legten um 270. Es werden also jetzt 2148 weibliche Mitglieder gezählt neben 10 807 männlichen. Die weiblichen Mitglieder verteilen sich wie folgt: Altona 1457, Wandsbed 272, Schiffbet 137, Sande 59, Bramfeld 79, Oldesloe 24, Alt- Rahlstedt 20, Reinbef 33, Trittau 6, Bargteheide 4, Lauen burg 23, Grünhof 12, Wentorf 16, Besenhorst 1. Der monatliche Beitrag betrug bis zum 1. Januar de. Js. 10 Pf., jezt beträgt er 15 Pf. Die Zahl der Abonnenten der„ Gleichheit" ist leider erheblich zurückgegangen. Sie betrug vor zwei Jahren 1210, jetzt nur noch 898; es muß mithin ein Rückgang von 312 verzeichnet werden. Manche der verloren gegangenen Leserinnen bezieht wohl die„ Gleichheit" durch die Gewerkschaft, manch andere hat sie während der Krise des vorigen Jahres und der Bauarbeiteraussperrung abbestellt. Zwar haben die Genoffinnen, welche die Gleichheit" austragen, mit großem Eifer neue Abonnenten geworben, auch wurde bei den Hausagitationen, die von den Organisationen zur Gewinnung neuer Mitglieder und Abonnenten der Presse veran= staltet wurden, eine energische Werbetätigkeit auch für die„ Gleichheit" entfaltet. Trotzdem ist es nicht gelungen, ihre Mitgliederzahl auf die frühere Höhe zu heben. Dies müßte jedoch gelingen, wenn die weiblichen Mitglieder sich in größerer Zahl an diesen Arbeiten beteiligen würden. In Altona , Wandsbeck, Sande und