24 Die Gleichheit Nr. 2 Die 1SV7 eingeführte Verkürzung der Arbeitszeit auf 57 resp. StZ Stunden hat noch nicht bewiesen, daß dadurch die Arbeits­leistungen der Arbeiter entsprechend größer geworden sind, so daß die Werften nicht daran denken können, sich auf weitere Arbeitszeitverkürzungen einzulassen." Jetzt haben die Werften trotzdem eine Arbeitszeitverkürzung, wenn auch in geringem Umfang, und eine annehmbare Lohn­erhöhung zugestehen müssen, und worauf die Arbeiter ganz be­sonderes Gewicht legen, es sind Mindesteinstellungslöhne verein­bart und festgelegt worden. Das hatte der Metallindustriellenver­band bisher immer aus»Prinzip" abgelehnt. Nachdem er jetzt auf den Werften von diesem seinem Prinzip abgewichen ist, wird er auch in den übrigen Betrieben seinen bisherigen Standpunkt in dieser Frage nicht mehr aufrecht erhalten können. Aber auch in materieller Beziehung sind die den Werftbesitzern aberzwungenen ZugestAndnisse nicht zu unterschätzen. Die über Ein- stellungslöhne und Lohnerhöhung getroffene Vereinbarung lautet: Die Einstellungslöhne bei den hamburgischen Werften der Gruppe deutscher Seeschiffswersten werden bei Wiederaufnahme der Arbeit um 2 Pf. erhöht mit der Maßgabe, daß der niedrigste Einstellungslohn irgend eines volljährigen Arbeiters 40 Pf. pro Stunde beträgt. Außer dieser Konzession in den Einstellungs­löhnen wird eine Lohnerhöhung für alle Arbeiter um 2 Pf. pro Stunde bewilligt. Dieselben Zugeständnisse machen die nicht- hamburgischen Werften der Gruppe deutscher Secschiffswerftcn, jedoch mit der Einschränkung, daß der niedrigste Einstellungslohn für diese Werften der örtlichen Vereinbarung vorbehalten bleibt." Und in bezug auf die Arbeitszeit wird gesagt: Ferner wird ab 1. Januar 1911 eine Verkürzung der Arbeits­zeit zugestanden: a. Bei den hamburgischen Seeschiffswerften auf SS Stunden die Woche. d. Bei allen außerhamburgischen Seeschiffswerften(soweit sie der Gruppe deutscher Sceschiffswerften angehören), auf S6 Stun­den die Woche. Ter Ausgleich dieser Leitverkürzung erfolgt durch eine Zu­lage von einem weiteren Pfennig auf den Stundenlohn." Dazu ist zu bemerken, daß in Hamburg bisher eine S6 stündige und in den übrigen Wersten eine S7 stündige wöchentliche Arbeits­zeit üblich war. Die Einstellungslöhne sind für Hamburg bereits für alle Branchen festgelegt; sie bewegen sich zwischen 40 und S4 Pf. pro Stunde. Da der niedrigste Einstellungslohn 40 Pf. betragen soll und die Löhne aller Arbeiter auf diese» Satz gebracht werden müssen, bedeutet dieses, daß die Löhne einer großen Anzahl nicht gelernter Arbeiter eine sofortige Zulage von S Pf. pro Stunde erhalten. Weitere Zugeständnisse wurden gemacht für die Auszahlung der Akkordüberschüsse, die Nachprüfung von Akkordpreisen; ferner soll die Lohnzahlung wöchentlich, und zwar am Freitag stattfinden eine Anzahl Werften hatte bisher noch 14 tägige Zahlung. Weiter wurde anerkannt ein Aufschlag für Überstunden und Sonntags- wie Nachtarbeit, der resp. SO Prozent des Stundenlohnes be­ttagen soll. Ein besonders wichtiges Zugeständnis erblicken die Arbeiter noch darin, daß die Arbeiterausschüsse der Werften in Zukunft auf Grund des tz 134k Absatz 4 der Gewerbeordnung, und zwar durch Verhältniswahl gewählt werden sollen. Bisher wurden dieselben gewählt aus Grund desselben Paragraphen Absatz 1 durch die Generalversammlung der Betriebskrankenkassen, denen nur«ine ge­ringere Anzahl Arbeiter angehören. Dadurch kam es, daß die Ar­beiterausschüsse in vielen Fällen von Leuten besetzt waren, die alles andere nur nicht die Interessen der Arbeiter mit Entschiedenheit vertraten. Festgesetzt wurde dann noch, daßgünstigere Arbeits­bedingungen durch die getroffenen Vereinbarungen nicht berührt werden" undwidersprechend« Arbeitsordnungen mit den Grund­sätzen in Einklang zu bringen sind". Die Konferenz der Arbeiter aus den Werftorten vom S. Oktober erkannte an, daß die Zugeständnisse gegen den bisherigen Zustand eine wesentliche Verbesserung bedeuten. Besonderer Wert wurde aber darauf gelegt, daß die Werften gezwungen wurden, den Ar­beitern ein Mitbestimmungsrecht bei den Lohn- und Arbeitsbedin­gungen einzuräumen, das sie bisher immer entschieden verweigert hatten. Ten Vereinbarungen wurde gegen wenige Stimmen zu­gestimmt. Als die Arbeiter an den einzelnen Werstorten Stellung zu dem Ergebnis der Verhandlungen nahmen, zeigte es sich, daß ihr Kampfesmut nicht im geringsten geschwächt war. Viel« haben die gemachten Zugeständnisse durchaus nicht für befriedigend an­gesehen. Nur gegen starke Minderheiten wurde an den meisten Orten die Wiederausnahme der Arbeit beschlossen; in Bremen sprach sich sogar eine starke Mehrheit, allerdings nicht die dazu erforder­liche Dreiviertelmajorität, für Fortführung des Streiks aus. Immer­hin hätte jetzt der Wiederaufnahme der Arbeit nichts im Wege ge­standen, wenn nicht die einzelnen Unternehmer versucht hätten, durch schofle Manipulationen die Zugeständnisse ihrer Vertreter zu verkürzen. Sie wollten die Überverdienste aus den durch den Kampf unterbrochenen Akkordarbeiten nicht auszahlen, ebenso versuchten sie, sich um die Wiedereinstellung aller Arbeiter, die in den Streik getreten waren, zu drücken. Daraufhin blieben die Arbeiter den Werften noch fern. Neue Verhandlungen wurden aufgenommen; in diesen wurden die den Arbeitern gemachten Zugeständnisse voll gesichert. So ist denn ein Kampf beendet, auf den die beteiligten Arbeiter mit Befriedigung zurückblicken können. Die Kämpfer werden er­hobenen Hauptes auf ihre Arbeitsplätze zurückkehren. Die Willkür der Werftbesitzer ist gebrochen, und die Arbeiter werden zu den er­rungenen Rechten neue für sich beanspruchen. Dazu haben sie ihre gute Organisation, die sie noch weiter ausbauen werden. Die ge­samte deutsche Arbeiterschaft aber kann sich des Erfolges mit freuen, denn die größte deutsche Scharfmacherorganisation wurde zum Nachgeben gezwungen. g. b. Die Wiener Arbeiterinnen gegen die Teuerung. I. K. In Kopenhagen haben die deutschen und die österreichischen Genossinnen in einer internen Sitzung auch die notwendigen Ak­tionen gegen die Fleischteuerung erörtert, und der Wunsch wurde laut, gemeinsam gegen das gemeinsame Übel vorzugehen. Tie Proletarierinnen des Deutschen Reiches und die von Osterreich im gemeinsamen Kampfe gegen die agrarische Volksauswucherung, gegen die die Armen schwer belastenden Lebensmittelzölle, gegen die Grenzsperre. Es wäre gewiß ein imposanter Augenblick in der Geschichte der internationalen Arbeiterinnenbewegung. Während die Genossinnen in Kopenhagen verhandelten, wurde aber in Wien schon beschlossen, eine große, umfassende Demonstration gegen die Teuerung vorzubereiten, und als unsere Genossinnen nach Wien zurückkamen, blieb ihnen nur die Aufgabe, sich sofort in Reih und Glied zu stellen, um für die geplante Demonsttation das weibliche Proletariat zu mobilisieren. Tag um Tag wurden Versammlungen abgehalten. In Massen strömten die Frauen herbei, und es gab endlich wieder Frauenversammlungen, in welchen Männer keinen Platz fanden. In Wien allein haben in den letzten zweieinhalb Wochen ungefähr 70 Frauenversammlungen stattgefunden. Aber auch in den Volks- und Werkstättenversammlungen wurde für die Teilnahme der Frauen an der Demonstration agitiert. Es wurde überall, auch in der Parteipresse, die Parole ausgegeben, daß nur kleine Kinder und die Pflege von Kranken zum Zuhausebleiben berechtigen. So wie in Wien wurde auch in der Provinz agitiert. Viele Städte wollten mit Wien zugleich die Demonstration machen. Einige Städte, wie Graz und Salzburg , hatten schon am 2S. September Straßendemonsttationen, und allerorts wurde hervor­gehoben, daß nie vorher eine so starke Beteiligung der Frauen zu ver­zeichnen war. Die Organisa�on der Genossinnen war überall wirk­sam, man merkt, daß Österreich endlich eine politische Arbeiterinnen­organisation hat. Am 2. Oktober stand ganz Wien im Zeichen der sozialdemo­kratischen Demonstration. Di« gesamte Öffentlichkeit war erregt. Auch einige bürgerliche Vereinigungen, darunter die Hausfrauen­organisation, hatten beschlossen, sich dem Zug der Sozialdemokraten anzuschließen. Um'/'6 Uhr früh wurde in vielen Bezirken von radfahrenden Genossen Tagesreveille geblasen. Plakate wurden herumgetragen: Auf zur Demonstration für billiges Fleisch. Von 9 Uhr an konnte keine Trambahn mehr in die innere Stadt gelangen; der Menschenandrang war so groß, daß der Verkehr nicht aufrecht zu halten war. Und aus den Vororten kam das Proletarierheer. In zwölfer, später in zwanziger Reihen marschierte es heran. An der Spitze aller Züge gingen die Frauen. Es waren stattliche Reihen von Proletarierinnen, die da auf­marschierten. Die politisch organisierten Genossinnen eines jeden Bezirkes hatten eigene Standarten. Auch die Heimarbeiterinnen kamen in starker Zahl mit ihren Fahnen. Bei manchen Bezirken marschierten 800 bis 900 Frauen mit. Und einundzwanzig Bezirke hat Wien . Darunter freilich auch solche, in denen das Proletariat nur schwach vertreten ist. und deren Züge dann nicht mehr als 100 Frauen zähllen. Viele Arbeiterinnen gingen nicht mit den Frauen, sondern mit ihren Gewerkschaften. In Betracht kommt