Nr. 2

Die Gleichheit

Neuigkeiten zu erzählen und weiter zu tragen, als in der Werk stätte oder im Kontor auszuharren. Wer fängt denn immer wieder solche fleine Geschäfte an? Ausgediente Beamte, Hausdiener und arbeitsunlustige Arbeiter, bei denen dann alles auf Schwindel ein­gerichtet ist. Wir dagegen verfechten das Prinzip der Barzahlung und gerade durch die strenge Durchführung dieses Prinzips haben sich die Konsumvereine ein hohes Verdienst um die Sicherheit des Familienlebens erworben. Das sollten andere Leute auch wissen und die Konsumvereine nicht in ganz ungerechtfertigter Weise an­greifen. Trotzdem macht man es heute den Beamten sehr schwer, den Konsumvereinen beizutreten, und vor allem verlangen die Dr ganisationen der Kleinkrämer, daß den Beamten der Beitritt zu den Konsumvereinen strikt verboten wird. Die persönliche und wirtschaftliche Freiheit der Beamten ist verfassungsmäßig gewähr leistet, man darf ihnen daher nicht vorschreiben, einer bestimmten Organisation beizutreten." Diese mehr temperamentvollen als logischen Bemerkungen schlugen wie eine Bombe ein. Es gab scharfen Widerspruch), und ein anderer Redner legte unter starkem Beifall feierlichst Protest" gegen diese gehässige und verachtende Kritik" ein, der sich auch der Verbandsanwalt anschloß. Diesen Ton, so hieß es, sei man auf den Genossenschaftstagen des All­gemeinen Verbandes nicht gewöhnt. Das stimmt. Die Krämer werden dort immer gestreichelt, das Losschlagen ist nur auf die " Sozialdemokratischen " Konsumvereine erlaubt. Kleinbürgerlich fapitalistische Tendenz spricht auch aus einem Antrag des Verbands­anwaltes über die Baugenossenschaften. Dort heißt es: Das Be­fireben, den Mitgliedern billige Wohnungen zu bieten, darf die Bau­genossenschaft nicht bestimmen, bei der Mietenkalfulation die not­wendige Rentabilität außer Betracht zu lassen. Aus der Miete müssen die Betriebsunkosten, die allgemeinen Geschäftsunkosten, die Zinsen, die notwendigen Abschreibungen, eine angemessene Dotie rung der Reserven und 4 Prozent Dividende für die Ge schäftsguthaben aufgebracht werden. Sobald die Mieten hierfür nicht ausreichen, ist eine angemessene Steigerung der Mieten vors zunehmen. Wo sich in dem Statut oder den Geschäftsbedingungen die Bestimmung findet, daß die Mieten nicht steigerbar sind, ist dieselbe auf ordnungsmäßigem Wege zu beseitigen." Der Profit geht billigen Mieten vor! Genau so denken ja auch die Hausagrarier, die ihre Grundrenten sichergestellt wissen wollen. Wahrhaftig, die preußische Regierung wußte, warum sie Herrn

Dr. Grüger den Professortitel verlieh.

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Vor einiger Zeit hat das englische Handelsministerium eine Bus sammenstellung der Ziffern über die Entwicklung der Einkaufs­und Produktionsgenossenschaften der Arbeiter in Großbritanien und Irland veröffentlicht. Im Jahre 1908 bestanden 1573 Produktions- und Einkaufsgenossenschaften, deren Mitgliedschaft( 2446 696) 9,6 Prozent der Zahl der Einwohner über 20 Jahre ausmachte. Ihr Kapital belief sich auf 1129 356 000 Kronen( 1 Krone= 85 Pf.), wovon 149 129 816 tronen Anleihen waren. Der Gesamtumsatz aller Genossenschaften belief sich auf 8000 037 728 Kronen und der Gewinn auf 280 155 128 Kronen oder 85,5 Prozent des Gesamtkapitals. Die Zahl der von den 1573 Ge­nossenschaften direkt beschäftigten Personen belief sich auf 116 603. -Was zunächst die Produktion anlangt, so beteiligten sich daran im Jahre 1908 2 Großeinfaufs-, 947 Ronsumgenossenschaften, 7 Korn­mühlen und 140 andere Produktionsgenossenschaften: im ganzen 1096 Gesellschaften. Sie beschäftigen insgesamt 50 143 Arbeits­kräfte, denen sie an Lohn 67815 528 Kronen zahlten. An der Ge famtproduktionsziffer( 319 020 432 Kronen) sind die reinen Produk tionsgenossenschaften mit nur 77 500 056 Kronen beteiligt. Die Lebens- und Genußmittelbranchen nehmen den Löwenanteil( über 70 Prozent) der Produktion in Anspruch; dann folgen: die Be Kleidungsindustrie( etwa 14 Prozent); Baufach, Steinbrüche, Holz industrie; Seifen, Kerzen- und Stärtefabrikation; Textilindustrie, Druckereien; Metallindustrie und fleinere Gewerbe. Gegen das Jahr 1907 weist die Produktion des Jahres 1908 eine Zunahme um 17,3 Prozent auf. Von den 50 143 in der Produktion beschäf tigten Arbeiterfräften entfielen allein 24306 auf die Bekleidungs­branche; in der Lebens- und Genußmittelindustrie wurden 12777 Arbeitskräfte beschäftigt. 158 Genossenschaften zahlten ihren 14664 Arbeitern einen Anteil am Reingewinn in der Höhe von 831 408 Kronen oder etwas über 56 Kronen das Jahr, was 4,4 Prozent der bezahlten Löhne ausmacht. Die zwei Großeinkaufsgenossen­schaften sind Verbände der 1414 Konsumgenossenschaften. Von ihrem Kapital( 217 177 416 Kronen) verwendeten sie über ein Drittel zur Produktion. Die Konsumgenossenschaften beschäftigten 60 804 Personen, 2 Prozent mehr als im Vorjahr. 199 dieser Genossen schaften gaben ihren 14017 Angestellten einen Anteil am Jahres­gewinn von 903072 Kronen oder 5 Prozent der gezahlten Löhne. H. F.

Notizenteil.

Dienstbotenfrage.

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Dienstboten- Befrenzung. Die Magd, welche Magd bleiben muß, ist ihren bürgerlichen Oberen doch in etwas gleichgestellt, sie kann es zu einem Orden bringen. Wenigstens im Lande Baden, das in allem einen Kulturvorsprung auf Nasenlänge aufzuweisen haben soll, wie man oft rühmen hört. Wenn immer der 3. Dezember heranrückt, an welchem die Altlandesmutter Luise ihren Geburtstag feiert, wird amtlich nach weiblichen Dienstboten gefahndet, die man nach der großen Erfindung jener fürstlichen Protektorin des badischen Frauenvereins beglücken fann mit-- einem Ehren­treuz. Um dieses Anhängsel zu verdienen", daß sie unter der Schutzwatte einer Schachtel in ihrem Dachstockzimmer bis ans selige Stlavenende aufbewahren mag, muß die Magd oder Köchin den unzweifelhaften Nachweis liefern, daß sie mindestens fünfund­zwanzig Jahre ununterbrochen in derselben Familie treu gedient hat". Damit nicht genug, Dienstboten, auf welche diese Bedingung zutrifft, müssen etliche Zeit vor dem Jubeltag bei dem Ortsvorstand des Frauenvereins ihren Geburtsschein und ein Zeugnis der Dienst­herrschaft über das Wohlverhalten vorlegen; auch ist eine vom Pfarramt und vom Gemeinderat ausgefertigte Sittlichkeitsurkunde beizubringen, also ein geistlich und weltlich ausgestelltes Leumunds­zeugnis. Wenn das alles klappt, kann endlich die Magd oder Köchin das Kreuz auf sich nehmen und ein Hoch für die allergnädigste Landesmutter aushauchen. Sobald das Beharrungsvermögen einer weiblichen Bediensteten auf vierzig bis fünfzig Jahre sich ausgedehnt hat, berechtigt diese Seßhaftigkeit zur Empfangnahme eines neuen Ehrenkreuzes. Das dritte Kreuz steckt man der prämiierten Geduld dann aufs Grab.

Dieses kindliche Spiel mit alten, armen Leuten muß amtlich als ein Mittel der bürgerlichen Sozialpolitik angesehen werden, wenn man nicht in die allerhöchste Ungnade bei der allerhöchsten Frau" fallen will, die im Lande Baden mit dieser Dienstbotenbekreuzung, mit der fünstlichen Erhaltung der altfränkischen Spinnstuben und anderem ihrem landesmütterlichen Namen eine Unsterblichkeit sicherte. Vor fünfzig Jahren, als ihr Gemahl junger Regent in Baden war, wurden die Prämien für die Dienstbotentreue in barem Gelbe aus­bezahlt. Dafür konnte man sich damals noch ein schönes Kleid taufen. So fand zum Beispiel am 18. Oftober 1860 in der badischen Ortenau ein landwirtschaftliches Fest statt. Im Programm waren Preisverteilungen für Viehzucht und Dienstboten vorgesehen. Für das liebe Vieh bewegten sich die einzelnen Geld­preise zwischen 5 und 11 Gulden. Die Bedingungen für die Menschen­prämiierung sollen im Wortlaut hier folgen:" Für die bravsten Dienstboten männlichen und weiblichen Geschlechts, die mindestens zehn Jahre lang treu und redlich bei einer Dienstherrschaft aus schließlich zur Landwirtschaft verwendet worden sind, sind acht Preise bestimmt, vier für männliche und vier für weibliche Dienst­boten, nämlich je ein Preis von 5, 4, 8, 2 Gulden. Die Bewer­bungen der Dienstboten sind mit Zeugnis des Pfarramts und Ges meinderats über das sittliche Betragen und die Dauer des Dienstes längstens bis zum 8. Oktober dieses Jahres bei der unterzeichneten Stelle einzusenden. Landwirtschaftliche Bezirksstelle Gengenbach ."

Sozialistische Frauenbewegung im Ausland.

mg.

I. K. Die erste Konferenz fozialistischer Frauen in Italien hat am 20. Oftober, am Vorabend des Kongresses der sozialistischen Partei, zu Rom getagt. Die Initiative zu ihr ist von der Frauen­gruppe der Mailänder Parteisettion ausgegangen. Sie berief alle sozialistischen Frauen, insbesondere auch alle organisas torisch tätigen Genoffinnen zu dem Zwecke einer Vorberatung über die Frage der Agitations- und Organisationsarbeit unter dem weiblichen Proletariat zusammen, die bekanntlich zum erstenmal von einem italienischen sozialistischen Parteitag erörtert wird. Die vors beratende Konferenz sollte Stellung zur Resolution der Genossin Kulischoff nehmen, welche die Frage auf dem Parteitag behandelt; sie sollte außerdem den Genoffinnen Wege zeigen, Anregungen geben, wie in der Partei und den Gewerkschaften eine ersprießliche Arbeit entfaltet werden kann. Als Punkte ihrer Beratungen waren vorgesehen: 1. Die gewerkschaftliche Organisation des Proletariats. 2. Die politische Agitation unter den Frauen. 8. Systematische Agitationsarbeit unter den Frauen mittels der politischen und ges werkschaftlichen Presse. 4. Gründung besonderer Bildungs- und Schulungsorganisationen für die Frauen in den verschiedenen Zentren der Arbeiterbewegung. Die Konferenz bedeutet den ersten Versuch, die sozialistischen Frauen Italiens zu einer Verständigung