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Die Gleichheit

über einheitliche Arbeit in der Partei und den Gewerkschaften zu­sammenzufassen. Sie ist als die erste praktische Frucht des Be­schlusses der sozialistischen Partei zu begrüßen, auf ihrem dies­jährigen Kongreß die bedeutsame Aufgabe der Aufklärung und Dr ganisierung des weiblichen Proletariats zu erörtern. Nach der wertvollen theoretischen und praktischen Arbeit, die Genossin Kuli­schoff in dieser Beziehung geleistet hat, hoffen wir, was wir wünschen: den besten Erfolg.

I. K. Die erste sozialistische Frauenzeitung in Serbien . In Belgrad , der Hauptstadt Serbiens , erscheint seit dem 1. Oktober die Jednakoct", das heißt Gleichheit", als das Organ der sozial demokratischen Frauen. Zweimal monatlich, am 1. und 15. jeden Monats, fommt eine Nummer heraus. In der vorliegenden ersten Nummer beleuchtet der Leitartikel Ziel und Weg" der sozialistischen Frauenbewegung. Ein weiterer Artikel handelt über Die Frauen und das allgemeine Wahlrecht". Ferner enthält die Zeitung die Rubriken: Aus dem Leben unserer Arbeiterinnen, Politit, Sozial­politik, Wirtschaft und Literatur. Sie berichtet über die internatio­nale sozialistische Frauenkonferenz zu Kopenhagen und teilt deren Beschlüsse mit. Wir heißen unser serbisches Schweſterorgan auf das herzlichste willkommen. Es hat die ehrenvolle Mission, in jungem Boden, in den Balfanländern die Ideen der internationalen sozia listischen Frauenbewegung auszufäen.

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Frauenbewegung.

Etwas von liberalen Frauen. Anders als sonst in Menschen töpfen malt sich in diesem Kopf die Welt, ruft man unwillkürlich aus, wenn man die Ausführungen liest, die Fräulein Martha Ziez in Frankfurt gelegentlich der Tagung liberaler Frauen gemacht hat. Der Liberalismus hat schon so Erstaunliches geleistet, daß er fich eigentlich nicht mehr selbst übertreffen kann. Da müssen seine Frauen ein Übriges tun, dachte Fräulein Martha Zieh. Sie wirft die Frage auf: Wie sollen wir uns bei den Wahlen verhalten?" und antwortet: Wir müssen fordern, daß bei Wahlaufrufen be­stimmte Frauenforderungen normiert werden." Röstlich ist es nun, wie diese liberale Dame ihre bestimmt normierten Forderungen tonsequent durchgeführt wissen will. Natürlich gilt die erste dem Frauenstimmrecht, so sollte man meinen. Ach nein! Fräulein Martha Bieg ist nämlich liberal, das will sagen, sie fann bald so, bald anders. Sie kann und darf keinen Liberalismus stärken, der nicht den Frauen gerecht wird", aber in demselben Atem sagt sie den Frauen, daß es nicht klug und politisch sei, von jedem der von ihnen unterstützten Kandidaten zu fordern, daß er unter allen Um­ständen für das Frauenstimmrecht eintreten solle". Das braucht er nur gegebenenfalls" zu tun.

Die liberalen Frauen müssen nach Fräulein Martha Zietz prak tische Arbeit leisten, Geld und sonstige Hilfsmittel beschaffen, zur Zeit der Wahlen unendlich viel Kleinarbeit tun, um Geld zu sparen, wenn man es nicht hat, am Wahltage Schlepperdienste leisten, und überhaupt dem Liberalismus viele Stimmen zuführen. Aber wie, wenn die liberalen Kandidaten dann von oben herab fragen: wozu dies alles, was verlangt ihr dafür? Fräulein Zieß antwortet dann: wenn ich dich liebe, was geht es dich an! Ihr könnt euch ruhig " gegebenenfalls" unserer schämen, uns verleugnen, uns lächerlich machen, wir sammeln feurige Kohlen auf euer Haupt und verlangen nur, daß ihr gegebenenfalls" für das Frauenstimmrecht eintretet, das heißt, wenn ihr glaubt, daß unsere Zeit gekommen ist.

Fräulein Martha Zieh muß noch viel patriotische Reden die zerklüfteten Berge des Liberalismus herabfließen lassen, wenn sie noch zu erleben hofft, daß auf diese Weise die Sache des Frauen­stimmrechts um einen Schritt vorwärts marschiert. Und so konse quent wie sie sind noch mehr bürgerliche Frauen. Als zur letzten preußischen Landtagswahl in der Ortsgruppe Berlin des Verbands für Frauenstimmrecht der Antrag gestellt wurde, falls ein fortschritt­licher Kandidat keine Aussicht auf Erfolg habe, so sollten die ges sammelten Gelder zur Unterstützung einer sozialdemokratischen Kan­didatur verwendet werden, da gab es im Café Austria bei Torte und Schlagsahne fast eine Revolution. Neben Mitgliedern, die ent­schieden für den Antrag eintraten, erklärten eine ganze Anzahl Frauen, dann nicht mehr mitmachen zu können, aus dem Frauen­stimmrechtsverband austreten zu müssen und dergleichen mehr. Und das an demselben Abend, an dem die Vorsitzende der Ortsgruppe Berlin , Frau Breitscheid , mitgeteilt hatte, daß von ich ent­sinne mich der Zahl nur noch ungefähr sieben oder acht fort­schrittlichen Kandidaten nur einer oder zwei die Frage bejahend beantwortet hatten, ob sie gegebenenfalls" für das Frauenstimm­recht eintreten würden; die übrigen hatten eine ablehnende oder gar keine Antwort gegeben. Also nicht einmal gegebenenfalls"

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waren sie bereit, das Recht der Frauen zu verfechten. Das Frauen­stimmrecht könnte an Bartheit etwas einbüßen, wenn Arbeiterfäuste es erkämpfen würden! Deshalb verzichten die meisten bürgerlichen Frauen solange darauf, bis etwa der philosophische Reichskanzler es ihnen eigenhändig präsentiert, oder bis hohe und allerhöchste Persönlichkeiten einsehen, daß die Frau ein ebensolches Recht hat, politische Versammlungen zu besuchen, als am Kochtopf zu stehen. Die Damen mögen sich auf diese Hoffnungen verlassen, unentwegt weiter für den Liberalismus arbeiten und konsequent nach dem Beis spiel von Fräulein Zieh bleiben. Sie werden das Frauenstimm recht dann gewiß gegebenenfalls" bekommen. Hanna Harder.

Verschiedenes.

Der politische Frauenbad- Prozeß, der beim vorjährigen badi­schen Landtagswahlkampfe entstanden ist und unsere Offenburger Genossen Haberer und Ad. Geck vom damaligen Volksblatt" auf die Anklagebank brachte, ist nun vor dem Karlsruher Obers landesgericht endgültig entschieden. Es bleibt bei den gegen beide Genossen ausgesprochenen Geldstrafen. In der Hauptsache ist jedoch der Verurteilte der Kläger , der Großherzogliche Eisenbahnbeamte R. Seubert in Gengenbach , ein dortiger Führer der Zentrums­ partei und neugewählter Landtagsabgeordneter. Wieviel wußte der Herr nicht im Wahlkampfe von der freien Liebe und der minder­wertigen Moral der Sozialdemokraten zu predigen! Und was hat der Prozeß ergeben? Es bleibt durch alle drei Instanzen als er­wiesen, daß dieser verheiratete Zentrumsmann im Sommer 1909 sich öfters angelegen sein ließ, am neuen städtischen Frauenbad in Gengenbach auf der Rückseite in gebückter Stellung und offen­bar aus lüsterner Neugier durch die Aftlöcher des Bades den badenden Frauen zuzusehen. Diese Tatsache hatte Genosse Geck in satirischer Weise in einem Artikel Der Sittenrichter von Nizza­Babylon" im alten Bibelstil behandelt. Das Gericht erblickte in der Satire die Absicht der Beleidigung und kam trotz der erwiesenen Vorgänge zu einer Verurteilung. mg.

Zur Versendung liegen bereit:

Einbanddecken zur Gleichheit

Jahrgang 1909/1910

in einfacher, aber guter Ausstattung.

a. Die Decke in 4° für das Hauptblatt und die Beilage Für unsere Mütter und Hausfrauen.

b. Die Decke in 8° für die Kinderbeilage.

Preis zusammen 1 Mark.

Bei Einzelbestellungen 30 Pfennig mehr für Porto. Titelblatt und Inhaltsverzeichnis werden den Decken gratis beigegeben.

Es empfiehlt sich, die Bestellungen bald an den Verlag gelangen zu lassen. Die organisierten Genossinnen sollten dafür sorgen, daß die Neuerung in den weitesten Leserkreisen bekannt wird.

Auch Decken des Jahrgangs 1908/1909 sind noch vorrätig. Stuttgart , Furtbach- Straße 12.

Expedition der Gleichheit.

Soeben ist erschienen:

Berichte an die Zweite Internationale Konferenz Sozialistischer Frauen

zu Kopenhagen am 26. und 27. August 1910 Herausgegeben von Klara Zetkin .

Preis 30 Pfennig. Einzelexemplare 10 Pfennig für Porto mehr. Stuttgart , Furtbach- Straße 12.

Expedition der Gleichheit.

Berantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Bettin( Bundel), Wilhelmshöhe, Poft Degerloch bei Stuttgart .

Druck und Verlag von Baul Singer in Stuttgart .